Eigenständige Kinder – Entspannte Eltern. Damon Korb. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Damon Korb
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783868675177
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identisch. Das Experiment wurde dann mit Kindern zwischen 12 und 24 Monaten durchgeführt, die das Piaget-Experiment einfach gelöst hatten. Das Erstaunliche ist nun, dass die Kinder einen Rückfall erlebten, denn sie entschieden sich wieder für Box A. Der Arbeitsspeicher der Kinder wurde durch die komplizierte Box so erschöpft, dass die Kinder das Problem nicht lösen konnten. Es wurde zu viel Gedächtnis benötigt. Während des dritten Lebensjahrs entwickeln Kinder schließlich Problem-Lösungsfähigkeiten, um diese Aufgabe zu lösen.

      image Befolgen von Regeln

      In einem verwandten Experiment testete Dr. David Zelazo die Fähigkeit zwei-, drei- und vierjähriger Kinder, Regeln zu befolgen. Kinder erhielten Karten mit zwei verschiedenen Motiven (Autos und Blumen) und drei verschiedenen Farben (rot, blau oder grün). Dann sollten sie eine klare Regel befolgen (z. B. Lege die blauen Karten hierhin, die anderen dorthin). Dann wurden sie aufgefordert, die Regel zu wechseln (z. B. Lege die Autos hierhin, die Blumen dorthin). Dreijährige beharrten auf der bisherigen Regel und blieben stecken. Sie sortierten die Karten weiterhin nach der ersten Regel. Sie wurden dann nach der Regel gefragt und konnten die Frage überraschend richtig beantworten. Jedoch setzten sie nach erneuter Aufforderung die erste Regel fort: Sortierung nach Farbe. Wurden die Anweisungen umgekehrt (erst Symbol, dann Farbe), kamen die Wissenschaftler zum gleichen Ergebnis. Folglich verstehen Kinder in diesem Alter die Regel zwar, können diese jedoch nicht umsetzen. Scheinbar ist in diesem Spiel zu viel Komplexität für einen Dreijährigen.1113

      Vierjährige sind schon eher in der Lage, mehrere Dinge gleichzeitig zu verarbeiten. Die meisten Kinder dieses Alters können reibungslos von der einen Anweisung (z. B. Farbe, Symbol) zu der nächsten wechseln. Sie können ihre Optionen abwägen, entsprechend reagieren und erkennen: „Das Farbenspiel wird so, das Symbol-Spiel so gespielt“. Vierjährige lernen aus ihren Fehlern und können Optionen sinnvoll abwägen.

      Wenn Kinder älter werden, können sie sich besser kontrollieren. In einem weiteren klassischen Experiment werden Kinder in einen Raum mit einem Marshmallow gebracht. Der Forscher erklärt dem Kind, dass es zwei Optionen hat: entweder den Marshmallow sofort essen, oder warten und dafür einen zweiten erhalten. Die Studie zeigt, dass vier- und fünfjährige Kinder ihre Impulse bereits unterdrücken können. Sie erkennen, dass zwei Süßigkeiten später noch besser wären.

      Eine Mutter fragte mich, wann ihr siebenjähriges Kind aufhören würde, ihr iPad zu stibitzen. Ich habe ihr erklärt, dass er es so lang benutzen würde, wie sie ihm das Passwort gibt. Denn für einen Siebenjährigen hat die direkte Belohnung viel mehr Bedeutung als spätere, potenzielle Konsequenzen.

      Über die Jahre haben Wissenschaftler den typischen Fortschritt menschlicher Fähigkeiten in Bezug auf Planung und Organisation erforscht. Und durch dieses Wissen können Kinderärzte Eltern vorausschauende Ratschläge für die Entwicklung ihres Kindes geben. Das Problem ist jedoch die unfassbar große Variation der Fähigkeiten bei Kindern. Die organisatorische Entwicklung des einen Kindes sagt nichts über die Entwicklung eines anderen Kindes voraus. Zum Glück zeigen Studien, dass elterliche Fürsorge und ein geeignetes Umfeld die Kindesentwicklung positiv beeinflussen können.

      Der Einfluss des Umfelds auf die Entwicklung

      Kinder werden mit großartigem Potenzial geboren. Die Gehirnentwicklung hängt jedoch auch von der Exposition im jungen Alter ab. Unpassende oder zu wenig Zuwendung zu einem Säugling oder einem Kleinkind führen häufig zu Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben des Kindes. Insbesondere toxische Umgebungen wie Leben mit Vernachlässigung, Missbrauch oder Gewalt schaden dem Gehirn tatsächlich und führen zu Wutanfällen, wenn das Kind älter wird.14, 15 Die Angst oder Anspannung durch ein chaotisches oder unvorhersehbares Umfeld führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Cortisol. Cortisol ist ein Hormon, das ab bestimmten Mengen neurotoxisch wirkt und die Gehirnentwicklung beeinträchtigt. Die meisten von uns kennen dieses Gefühl, so beängstigt zu sein, dass man nicht mehr klar nachdenken kann. Der Schaden von intensivem oder chronischem Stress scheint permanent zu sein. Folglich kann eine längere Exposition in schwierigen oder verschreckenden Situationen dem Gehirn schaden. Währenddessen begünstigt ein warmes und unterstützendes Umfeld die Entwicklung der exekutiven Funktionen. Was genau mit „warm und unterstützend“ gemeint ist, wird in den weiteren Kapiteln dieses Buches erläutert. Umarmungen und Küsse sind sehr wichtig. Sie werden sehen, dass Beständigkeit, Möglichkeiten zum Erkunden und die Herausforderung, neue Dinge zu probieren, maßgeblich für die Erziehung eines organisierten Kindes sind.

      Wie bereits erwähnt, führen Traumata zu einem bleibenden Effekt bei der Gehirnentwicklung. Wissenschaftler haben Kinder aus besonders schwierigen Umständen untersucht. Dazu gehören Missbrauch und Vernachlässigung16, Erziehung in einem Waisenhaus,17, 18 Frühgeburten oder Schwierigkeiten bei der Geburt.19, 20 Zudem haben elterliche Einflüsse, wie das fetale Alkoholsyndrom eine ähnlich schädigende Wirkung auf den präfrontalen Cortex und andere Gehirnregionen. Danach weisen Kinder, die einem oder mehreren dieser toxischen Umstände ausgesetzt waren, eher impulsives oder unorganisiertes Verhalten im Zuge ihrer Entwicklung auf. Der Gedanke, dass Kinder einen oder sogar mehrere dieser Umstände erleben müssen, ist einfach tragisch. Aber wir sehen es immer wieder. Zum Beispiel eine Mutter, die abhängig von psychoaktiven Substanzen (Drogen) und Alkohol ist. Drogen und Alkohol können manchmal zu einer Frühgeburt führen. Die neue Mutter kann die Bedürfnisse des Kindes nicht befriedigen oder bewältigen, sodass das Kind in einer Pflegefamilie oder, im Ausland häufig, im Waisenhaus endet. Das Kind ist nun sehr wahrscheinlich dauerhaft beeinträchtigt.

      Dennoch sollte man das Kind nicht aufgeben. Wir wissen, dass ein anderes Umfeld oder die Anwesenheit mindestens eines beständigen, unterstützenden Erwachsenen in den ersten 1.000 Tagen nach der Geburt einen Unterschied machen können. Selbst Kinder in Pflegefamilien mit weniger häufigem Wohnortwechsel und einem beständigen Elternhaus schneiden tendenziell bei späteren Tests der exekutiven Funktionen besser ab.21

      Umfelder, die Entwicklung fördern

      Ein unterstützendes Umfeld ist gekennzeichnet durch direkte Fürsorge, Stetigkeit und Schutz vor Stress. Zur Erinnerung: Erwachsene (sowohl zu Hause, als auch außerhalb des Hauses) fördern die Entwicklung der exekutiven Funktionen (für Planen, Aufgabenerledigung und Selbstkontrolle benötigte Fähigkeiten des Gehirns) eines Kindes. Das gelingt, indem man Kindern gegenüber Vertrauen zeigt und sie schrittweise selbstbestimmt handeln lässt. Das Kind übernimmt die „exekutive“ Rolle. Die Kunst liegt darin, Kinder mit angemessenen Erwartungen zu unterstützen und sie so in einem individuellen Tempo vorwärts zu bringen – nicht zu schnell, nicht zu langsam. Junge Kinder brauchen mehr Aufsicht und Unterstützung, um ihre Umwelt zu organisieren. Sobald sie älter werden, brauchen sie zunehmende Möglichkeiten, eigene Entscheidungen zu treffen und zu reifen. Es scheint, als würde eine ordentliche und berechenbare Umgebung die Entwicklung der exekutiven Funktionen begünstigen. Spätere Kapitel dieses Buches beschreiben spezifische Interventionen, um die organisatorische Entwicklung des eigenen Kindes zu begünstigen. Diese Maßnahmen fordern Kinder zur Übung ihrer exekutiven Fähigkeiten heraus.

      Kinder, deren exekutive Funktionen besser unterstützt wurden, sind besser im Umgang mit der Schule und ihren Freunden. Studien zeigen, dass sie früh größere Fortschritte machen. Schon im Kindergarten sind sie besser in Mathe, Sprache und Schreibfertigkeiten. Folglich helfen exekutive Funktionen Kindern akademisch und sozial.22, 23 Als Erklärung dafür wird angenommen,