»Wunderbar, dann passt der Name ja perfekt. Und der junge Gentleman …«
»Hm«, meldete sich Green, »ich hätte da einen Vorschlag. Wir hatten mal eine Inuit-Familie aus Nome hier, die nannten ihren Husky Noatak. Ein ungewöhnlicher Name, nicht wahr? Aber mir gefiel die Bedeutung. Ein Tier mit diesem Namen soll angeblich stark genug sein, sich in den Zeiten größter Not immer selbst zu versorgen. So wie der Fluss, der denselben Namen trägt und in dem es undenkbar viele Fische gibt. Der Name würde mir gefallen. Ein starker Hund, der sich in der Welt behaupten kann.«
»Noatak«, wiederholte Julie, »klingt nicht übel.«
»Dann haben wir einen Deal«, freute sich der Superintendent. »Die beiden heißen Jenny und Noatak und gehören ab sofort zu uns. Ranger Wilson, ich verlasse mich auf Sie. Ich weiß, Sie kennen sich mit der Aufzucht von Huskys aus und werden die beiden zu kräftigen Schlittenhunden erziehen. Und Sie …«, er wandte sich an das Ehepaar, »… sind uns natürlich immer willkommen. Eigentlich dürfen wir niemanden umsonst in den Park lassen, aber in besonderen Fällen machen wir gerne eine Ausnahme. Sie werden doch sicher neugierig sein, wie sich Ihre Welpen entwickeln. Vielen Dank Ihnen beiden.«
Julie nahm die beiden Welpen auf den Arm. Sofort begannen die Huskys sie abzulecken. »Na, dann bringe ich die übermütigen Kerlchen mal gleich zu ihren Kollegen in die Zwinger. Die freuen sich bestimmt über den Zuwachs.«
Doch leider war das Gegenteil der Fall. Die Huskys des Denali-Teams stimmten ein so wütendes Bellkonzert an, sogar Skipper, der ansonsten eher umgängliche Leithund, dass die Welpen in ihrem Arm ängstlich winselten und sich noch enger an sie drängten. Auch ihre eigenen Huskys waren nicht gerade erfreut. Curly zog wütend an seiner Kette, und der starke Bronco knurrte, als lauere ein Wolf in der Nähe. Nur Chuck blieb relativ gelassen.
»Wie darf ich denn das verstehen?«, rief Julie in schärferem Ton. »Ihr werdet euren neuen Freunden doch keine Angst einjagen? Ihr wart auch mal so klein und hilflos, habt ihr das schon vergessen? Also begrüßt sie gefälligst ein bisschen freundlicher. Chuck, du gehst doch sicher mit gutem Beispiel voran. Darf ich vorstellen, die junge Dame heißt Jenny, und das ist Noatak.«
Chuck winselte leise und zeigte den anderen Huskys allein durch seine Körpersprache, dass er die Welpen in seinem Rudel duldete. Was Curly zunächst aber nicht daran hinderte, mit den Huskys des Denali-Teams um die Wette zu bellen. Erst das warnende Knurren des Leithundes brachte ihn zur Besinnung. Winselnd gab er nach.
»Schon besser«, seufzte Julie erleichtert. Sie brachte die Welpen in das Welpengehege neben dem Schuppen, einem umzäunten Bereich, in dem sie frei herumlaufen konnten und sicher vor wütenden Artgenossen waren. Sie vertraute darauf, dass ihr Leithund Chuck die beiden Welpen nach einer Eingewöhnungsphase vollständig im Rudel akzeptieren würde.
»Zu fressen gibt es erst heute Abend was«, sagte sie zu ihnen. »Ich bin sicher, die Cooks haben euch ein ordentliches Frühstück serviert. Das sind keine Stadtmenschen, die freiheitsliebende Huskys wie euch in ein kleines Haus oder ein Apartment sperren, nur alle paar Tage mit ihnen rausgehen und euch ahnungslos mit Dingen füttern, die schlecht für euch sind.«
Sobald sich das Gitter hinter ihnen geschlossen hatte, rannten die Welpen los und erforschten ihr neues Zuhause. Sie wirbelten das trockene Stroh auf, untersuchten die Wolldecken, rissen mit ihren Zähnen daran und gingen spielerisch aufeinander los, als ginge es darum, die Rangordnung im Gehege zu bestimmen. Noatak erschien ihr erwachsener und stärker als Jenny, ließ schon jetzt erkennen, dass er das Zeug zu einem hervorragenden Schlittenhund hatte. Vielleicht hatte er sogar die Qualitäten, die einen echten Leithund ausmachten. Julie meinte sogar jetzt schon einige von Chucks Charakterzügen in dem Welpen zu erkennen.Huskys wuchsen schnell und ließen sich schon mit drei Jahren vor einen Schlitten spannen. Ein talentierter Hund wie Noatak eventuell ein paar Wochen früher.
»Wen haben wir denn da?«, erklang eine vertraute Stimme. »So süße Kerlchen habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Hab ich was verpasst, oder hat sich Santa Claus in der Zeit geirrt und ein verspätetes Geschenk gebracht?«
Julie drehte sich um und sah Carol zu den Zwingern herabsteigen. »Weder noch«, antwortete sie lachend. Sie erzählte vom überraschenden Besuch der Cooks. »Jetzt müssen wir uns um die Erziehung der zwei Huskys kümmern.«
»Und ich kenne keine Rangerin, die das besser könnte als du.«
»Ich soll mich allein um sie kümmern?«
»Meinst du, das wird zu viel für dich?«
»Aber nein«, sagte Julie, »ich mache so was nicht zum ersten Mal. Ich kann gut mit Welpen. Es macht Spaß, sie aufwachsen zu sehen.« Sie sah den Chef der Polizeitruppe in seinem Wagen davonfahren. »Warst du mit Ranger Erhart unterwegs? Habt ihr den Wilderer verhaftet?«
Carol wurde ernst. »Leider nein. Es war, wie wir befürchtet hatten. Der Schnee hatte alle Spuren zugedeckt. Und an der Parkgrenze ist er auch nicht aufgetaucht. Denali ist einfach zu groß. Da könnte sich ein ganzes Heer verstecken, ohne dass man auch nur die geringste Spur von ihm entdeckt. Leider.«
»Hubschrauber?«
»Dafür war es zu spät. Außerdem genehmigt der National Park Service den Einsatz von Hubschraubern nur, wenn es um Menschenleben geht, und das war ja nicht der Fall. So ein Hubschraubereinsatz ist teuer, das weißt du doch.«
»Und wer denkt an die Tiere?«
»Wir«, antwortete Carol ernst, »deshalb klappern wir in den nächsten Tagen auch wieder die üblichen Verdächtigen ab. Lust auf einen Caffè Latte?«
»Hast du eine neue Kaffeemaschine?«
»Kommt aus der Tüte«, erwiderte Carol. »Schmeckt aber.«
»Und ich habe noch Donuts. Sind nur zwei Tage alt.«
»Na, das passt doch.«
3
Am nächsten Morgen wartete Ranger Erhart mit seinem Geländewagen auf Julie. »Steigen Sie ein«, forderte er sie auf. »Sie begleiten mich zu Hector Morrison. Seine Frau regt sich immer furchtbar auf, wenn ich ihn verhöre, und Sie sollen mir die rabiate Dame vom Leib halten. Der Super weiß schon Bescheid.«
Julie stieg ein und schnallte sich an. Sie hatte die Huskys bereits vor dem Frühstück gefüttert und sich besonders intensiv um die Welpen gekümmert. Jenny und Noatak waren nervös und würden wohl einige Tage brauchen, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. »Hector Morrison? Den verdächtigen Sie immer, wenn im Park gewildert wird. Warum eigentlich?«
»Weil ich ihm schon ein paarmal dicht auf den Fersen war und mir nur ein handfester Beweis gefehlt hat. Der Kerl ist gerissener, als er aussieht. Nicht mal seiner Frau verrät er, was er anstellt. Er hat Angst, sie könnte sich verplappern. Natürlich ahnt sie was. Sie ist nicht bescheuert. Aber selbst, wenn wir im Mittelalter leben und sie foltern würden, könnte sie uns nichts verraten.«
Julie blickte aus dem Fenster. Es schneite leicht, und die Straße war mit einer knöcheltiefen Schneeschicht überzogen. Noch waren die Räumfahrzeuge in dieser verlassenen Gegend nicht unterwegs. »Warum tun Menschen so etwas?«, fragte sie. »Warum fahren sie in ein Naturschutzgebiet und schießen Tiere ab, die wir zu schützen versuchen? Und das noch außerhalb der Saison. Alaska ist doch groß genug. Sie könnten doch ganz legal auf die Jagd gehen.«
»Bei uns haben sie es einfacher. Die Tiere fühlen sich im Park sicher, sind unvorsichtiger und laufen den Wilderern manchmal praktisch vor die Gewehrmündung. Viele Wilderer nehmen nur die besten Fleischstücke mit, andere nehmen alles und verkaufen das Fleisch unter der Hand weiter. Es geht um den Profit, so wie damals im Wilden Westen, als weiße Jäger die Büffel zu Hunderten abschlachteten und ihnen teilweise nur die Zungen herausschnitten. Die waren eine Delikatesse.«
»Ekelhaft … und feige dazu.«
»Einigen geht es auch um den Nervenkitzel, die Gefahr, in die sie sich begeben, wenn sie mit einem Snowmobil durch den Park fahren. Sie