Es ist schön, mal wieder in der Heimat zu sein. Sosehr ihm das Landleben in Norddeutschland auch gefällt, L.A. mit all seinen bunten Facetten ist amerikanischer Lifestyle pur, und er freut sich, hier zu sein.
Sein Handy kräht. Er zieht es aus der Tasche und sieht auf das Display. Es ist eine unbekannte Nummer, deshalb meldet er sich mit fragendem Unterton. „Carter?“
„Hier auch, alter Junge“, ertönt eine raue Stimme.
Ian grinst. „Mason.“
„Bist du gut angekommen?“
„Ja, alles bestens. Ich lasse mich gerade in mein Hotel kutschieren und hoffe, der Jetlag haut mich nicht völlig um.“
„Wir rechnen, wie vereinbart, am Wochenende mit dir. Ich habe bereits einigen Subs vorgeschwärmt, dass mein heißer Cousin anreist, der gekonnt den Rohrstock schwingen kann.“
Ian lacht. „Wenn der Job es zeitlich erlaubt, bleibt es natürlich dabei. Ich musste meinen Brüdern und ihren Frauen versprechen, jedes Detail eurer Einrichtung zu fotografieren, die ihr nicht nach ihren Plänen habt bauen lassen. Besonders diese raffinierte Liebesschaukel mit Deckenhalterung, von der du am Telefon erzählt hast, hat es unserer Cat angetan. Und die mittelalterlich anmutende Wagenrad-Idee wollen sie ebenfalls unbedingt nachbauen. Logan ist sicher, dass es so was in ganz Deutschland noch nicht gibt.“
Mason lacht heiser. „Du kannst alle Möbel nach Herzenslust ausprobieren. Hier gibt es immer genügend nette Mädchen, die mit einem Kerl wie dir sehr gerne spielen würden. Und ein paar aktuelle Profi-Fotos für unsere Website wären natürlich auch nicht schlecht.“
Ian lacht. „Die kriegst du. Ich habe meine Kamera immer dabei. Hör zu, ich melde mich, sobald ich weiß, wie mein Job hier läuft und wann ich Zeit habe.“
„Mach das. Ciao.“
„Ciao, Mason.“ Ian steckt das Handy weg.
Stille breitet sich im Auto aus. Er wirft Annabell einen Seitenblick zu. Sie starrt durch ihre Sonnenbrille nach vorn, von ihren Lippen ist nur noch ein schmaler Strich zu sehen, und ihre Finger umklammern das Lenkrad, als hätte sie die Befürchtung, dass es wegfliegt. Ups. Sie hat das Gespräch gehört. Hält sie ihn jetzt für ein Monster?
„Alles in Ordnung?“, fragt er vorsichtig.
„Natürlich. Das sagte ich doch bereits.“
„Äh … ich dachte nur, wegen des Gesprächs eben …“
„Das geht mich nichts an.“
„Ich möchte nur, dass du weißt, dass …“
„Ich will NICHTS davon wissen!“
Das war deutlich. Die Kleine entpuppt sich als keifendes Monster. Und mit der muss er es zehn Tage lang aushalten und darf ihr nicht das Popöchen versohlen! Das kann ja heiter werden. Seufzend lehnt er sich im Sitz zurück.
Sie erreichen ein exklusives Hotel. Es ist ein modernes Gebäude mit riesigen Glasfronten. Immerhin hat sich Yellow Light in Bezug auf die Unterkunft nicht lumpen lassen.
Annabell parkt und schaltet den Motor aus. Sie reißt sich die Sonnenbrille runter und springt aus dem Wagen, als könnte sie es keine Sekunde mehr neben Ian aushalten.
Gemächlich folgt er ihr, holt seine Taschen aus dem Kofferraum und schlendert ihr in die klimatisierte Lobby nach.
Er schiebt sich die Sonnenbrille über die Stirn, betrachtet die Kehrseite seiner Chauffeurin und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Schade, dass sie so ein abweisender Besen ist, ihr Arsch wirkt tatsächlich einladend.
Der Portier begrüßt sie und tippt auf seinem Computer rum.
Dann runzelt er die Stirn. „Sorry, aber das Zimmer ist erst ab Dienstag reserviert.“
„Waaas?“ Annabells Stimme klingt so schrill wie das Geschrei eines Geiers, der darauf wartet, dass ein verletztes Tier krepiert.
Ian seufzt. „Die haben bei der Reservierung bestimmt die Zeitverschiebung vergessen und dachten, ich käme erst morgen früh an. Sicher ist doch ein anderes Zimmer frei, oder?“
Der Portier verzieht das Gesicht, als hätte er Schmerzen. „Ich fürchte nicht, und Sie werden auch in keinem anderen Hotel Glück haben. Im Trump National Golf Club findet zurzeit ein internationales Turnier statt und deshalb wird jede noch so kleine Kammer der Stadt besetzt sein.“
Die kleine Geier-Belli starrt den armen Portier an, als wollte sie ihn ermorden. „Er muss irgendwo übernachten“, stößt sie schrill aus.
„Tut mir leid, bei uns ist wirklich nichts mehr frei.“
Kapitel 4
Annabell schluckt. Ihr ist gleichzeitig heiß und kalt. Ihre Gedanken rasen. Der Portier hat recht, wenn im Golfclub was los ist, sind immer alle Zimmer in der Stadt belegt. Aber sie kann den Fotografen doch unmöglich einfach sich selbst überlassen! Verflucht, was soll sie tun? Im Büro anrufen? Nach einem Blick auf die Uhr verwirft sie die Idee jedoch, die haben alle längst Feierabend.
Es gibt nur eine praktikable Lösung. Sie versucht, nicht darauf zu achten, dass ihr Brustkorb sich immer enger anfühlt, und wendet sich ihm zu. „Wenn das in Ordnung für dich ist, kannst du bei mir übernachten. Ich habe allerdings kein Gästezimmer, du müsstest in meinem Wohnzimmer …“
Ian winkt ab. „Eine Couch reicht völlig. Das ist sehr nett von dir.“
Sie starrt ihn an. Irgendwo tief in ihrem Hinterkopf hat sie die irrsinnige Hoffnung gehabt, er könnte so höflich sein, ihr Angebot abzulehnen, und würde sie wegschicken. Wie dumm von ihr, warum sollte er das tun? Niemand schläft freiwillig auf der Straße. Nun hat sie ihn am Hals … in ihrer Wohnung … auf ihrer Couch … in ihrem Bad. In ihrer Küche. Sie schluckt.
„Okay, dann komm.“ Wenn doch bloß ihr Körper nicht so irre auf ihn reagieren würde. Noch nie hat sie die Anwesenheit eines Mannes dermaßen erregt! Das verunsichert sie doch erst recht! Sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Das kommt viel zu plötzlich. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass ein Mann noch mal so auf sie wirken würde.
Ihr Puls beginnt zu rasen. Mist. Sie dreht sich abrupt von ihm weg und läuft los. Sie muss sich bewegen und zählen. Wenn sie nicht zählt, wird ihre Lunge kollabieren.
*
Ian kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ob die Belli-Geierin noch Jungfrau ist? Sie macht den Eindruck, als hätte sie Angst, er könnte ihre Einladung falsch verstehen. Auf dem Weg zum Auto läuft sie in einem seltsam abgehackten Rhythmus, als würde sie die Schritte zählen.
Sie brauchen mit dem Auto ungefähr eine halbe Stunde aus der Innenstadt hinaus. Die Zicke sagt kein Wort. Was soll’s. Hauptsache, er kann sich irgendwo ein paar Stunden aufs Ohr legen. Er ist im Flieger extra wach geblieben, um sich schnell an den anderen Tagesrhythmus zu gewöhnen, und nun entsprechend hundemüde.
Sie erreichen eine Straße, in der sich vier schlichte hohe Apartmenthäuser aneinanderreihen. Annabell stellt den Wagen auf einem Parkplatz ab und steigt aus. Ian folgt ihr und nimmt sein Gepäck aus dem Kofferraum.
Sie schließt die Klappe mit einer harten Bewegung und zeigt nach vorn. „Da lang.“
Nebeneinander gehen sie einen sanft gebogenen Fußweg entlang zur Eingangstür des mittleren Gebäudes. Wieder schreitet sie in diesem seltsamen Stil, und als er ihr einen Seitenblick zuwirft, sieht er, dass sich ihre Lippen ganz leicht bewegen, während sie beim Laufen auf den Boden starrt. Kein Zweifel, Geier-Belli