Zukunft Europa. Ariane Koch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ariane Koch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783961192182
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von Hand

      FRISÖRSie können sich nicht vorstellen was das in mir auslöst Ich gäbe viel so eine Perücke einmal ganz betrachten zu können

      KUNDINNatürlich Ich verstehe Sie Dazu müsste man freilich einen Teil meiner Kopfhaut auftrennen

      FRISÖRNatürlich (Pause)Das würde jetzt etwas weit führen

      KUNDINWie hatten Sie es eben genannt

      FRISÖRSie meinen

      KUNDINIhr Interesse

      FRISÖRDie historische Neugierde

      KUNDINGenau Das wäre jetzt vielleicht etwas viel historische Neugierde

      FRISÖRNatürlich

      KUNDINEs ginge nicht ohne Blut einige Tröpfchen Trotzdem müsste ich wegen der Risiken in die Klinik und so weiter und so fort

      FRISÖRVerstehen Sie mich nicht falsch Ich bin nicht mehr der Jüngste

      KUNDINMan käme nicht auf die Idee

      FRISÖRWas ich sagen will Ich habe das noch gelern Im Grunde genommen braucht es keinen Arzt

      KUNDINEs braucht keinen Arzt Wozu bitte braucht es keinen Arzt

      FRISÖREs war ein Teil unseres Berufes die Nähte aufzutrennen

      KUNDINIch bitte Sie Davon habe ich noch nie etwas gehört An meine Kopfhaut lasse ich ausschließlich Leute aus der Klinik

      FRISÖRKlar Die Bessergestellten gingen auch in meiner Jugend in die Klinik für den Perückenwechsel Andrerseits kostenlose Institutionen gab es nicht und so war das Auftrennen und Wiedervernähen der Perückennähte eine der Aufgaben des Frisörs

      KUNDINIn Ihrer Jugend Jetzt hören Sie mir auf Ich glaube wir haben lange genug über meine Haare gesprochen

       (Pause)

      FRISÖRWas meinen Sie leben wir bald ewig oder bleibt es bei den (trällert)dreihundert vierhundert Jährchen

      KUNDINNicht alle von uns leben (trällert)dreihundert vierhundert Jährchen

      FRISÖRDie meisten schon

       (Pause)

      KUNDINSagen Sie schon

      FRISÖRIch will Sie nicht

      KUNDINNur zu

      FRISÖRMan sieht es mir vielleicht nicht an Seit einiger Zeit bin ich im vierten Zyklus

      KUNDINIm vierten Ist das ihr Ernst?

      FRISÖRDa ist auch ein wenig genetisches Glück im Spiel Vor allem die Haut an den meisten Stellen alles original Das ist für den Gesamteindruck unglaublich wichtig Die behaupten heute ja überall das Gegenteil Ich sage Ihnen Wenn sie eine gute Durchfettung haben Auf keinen Fall wechseln Hier und dort straffen sonst unbedingt das Original All diese Schlangen-Metaphern Purer Unsinn

      KUNDINSie haben recht Auch das Gesicht Man würde nie

      FRISÖRNicht wahr

      KUNDINAber Das heißt ja

      FRISÖRNatürlich In meiner Jugend Ich habs Ihnen gesagt

      Man kann es sich kaum vorstellen

      aber ja

      Ein Körper

      das war ein Körper

      und irgendwann

      tja

      irgendwann war er da

      der Tod

      Mit dieser ganzen Unmittelbarkeit

      Dieser Plötzlichkeit

      Paff

      Und jemand ist tot

      Paff

      Deine Mutter ist weg

      Wie in diesen Romanen

      KUNDINDer Tod

      FRISÖRMan konnte sich keine Sekunde vorbereiten

      KUNDINJetzt versteh ich Die Ewigkeit Für Sie wird das

      FRISÖRSchauen Sie Ich war lange dabei Ich gehöre fast zur ersten Generation Mit der Zeit werden gewisse Themen aktuell Man liest plötzlich diese historischen Romane Man entwickelt eine Neugierde auf die eigene Gattung

       Draußen begibt sich etwas. Oder auch nicht.

      FRISÖR(theatral)Halt Was ist denn da los Halt Bleiben Sie stehen Dass Sie so rennen Sie haben wohl eine Handtasche geklaut oder ein Portmonnaie ausgeräumt was? Haha!

      KUNDINEine Handtasche geklaut Hahaha! Der ist gut Damit habe ich nicht gerechnet Eine Handtasche Hahaha! Köstlich

      FRISÖRSehen Sie Diese historischen Romane Die sind manchmal auch humoristisch

      KUNDINSie müssen mir da doch mal was empfehlen Historische Romane Daran denkt ja kaum noch einer

      FRISÖRIm Grunde geht es auch nur die Leute im vierten Zyklus etwas an Aber ich sage Ihnen Man lernt viel Man beginnt sich in diese Menschen hineinzufühlen Taschen Börsen Beutel Säckchen Futterale Ich sage Ihnen da war alles voll davon überall Hände im Täschchen Handlichkeiten Man macht sich keinen Begriff Man greift in Löcher Höhlungen zieht lauter Dinge heraus Schlüssel Geld Klimpernde Münzen Einer erhebt sich geht zur Theke provoziert aus der Höhlung die Brieftasche öffnet die Börse schaut ins Beutelchen und erbleicht… Nichts! Er hat sein Geld vergessen Verloren! Er ist ohne Geld aus dem Haus Alleine Verlassen an der Theke Er wartet auf Hilfe Doch niemand kommt tja und so geht er langsam aber sicher zugrunde er kann nichts essen er kann nichts trinken er kann nicht weiter und alles nur weil ihm diese bunten diese farbigen Papierchen fehlen

      KUNDINDas ist schlimm Im Grunde genommen ist es tragisch Wenn es nur nicht so komisch wäre Was meinen Sie was hat man gemacht So ohne Geld

      FRISÖREs gab Hilfsorganisationen Nicht für alle aber für die meisten gings irgendwann irgendwie weiter

       (Ein Geräusch. Oder auch nicht.)

      FRISÖROh weia Da hat wohl tatsächlich ein Räuber etwas verbrochen!

      KUNDINEin Räuber Dieses Wort! (gackert)Ein Räuber ein Räuber! Hilfe Er hat mein Geld gestohlen Polizei Polizei Zu Hilf!

      FRISÖRHalt Stehen bleiben Ich habe eine Pistole Ich habe ein Kügelchen aus Blei das ich aus einem langen Röhrchen schnell in ihren Kopf hineinschießen kann!

      KUNDINHören Sie auf Ich kann nicht mehr

      FRISÖREine Pistole Wenn das einer gut beschreiben kann Ich sage Ihnen man lacht Tränen

      KUNDINHahaha

      FRISÖRHalt Hände hoch

      KUNDINHahaha

      FRISÖRGeld her oder ich schieße

      KUNDINHören Sie auf Ich bitte Sie

      FRISÖRHahaha

      KUNDINHahaha (Pause.)Das war gut Das hat richtig gut getan Jetzt muss ich Ihnen etwas gestehen Das Historische Im Grunde genommen interessiert mich das Historische überhaupt nicht Aber diese Sache mit dem Körper