Adel verpflichtet. Anatol Preissler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anatol Preissler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783961194681
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      VICTOR

      Nicht im Geringsten. Die Gascoynes haben es meiner Mutter nie verziehen, unter Stand geheiratet zu haben. Noch dazu einen Ausländer. Für die war sie praktisch gestorben. Und ich ebenfalls.

      HENKER

      Das kommt mir bekannt vor.

      VICTOR

      Wie das?

      HENKER

      Mein Beruf ist nicht immer ein Zuckerschlecken, das kann ich Ihnen sagen.

      VICTOR

      Das tut mir leid zu hören.

      HENKER

      Ist fein von Ihnen, eure Lordschaft, das zu sagen. Mächtig fein. Ich werde auch nie vergessen, wie freundlich Sie mit meinem kleinen Benjamin umgegangen sind.

      VICTOR

      Benjamin? Benjamin Calcraft! Jetzt dämmert es mir. Benjamin erzählte uns immer, dass sein Vater einen tollen Beruf hätte, für den manch anderer sein Leben geben würde.

      HENKER

      Aye. Das war mein Sohn. Gott hab ihn selig.

      VICTOR

      Oh! Mein Beileid.

      HENKER

      Wäre vielleicht in die Fußstapfen seines alten Herren getreten und auch Henker geworden.

      VICTOR

      Dann stünde Benjamin jetzt vielleicht an Ihrer Statt!

      HENKER

      So ist es.

      VICTOR

      (zu sich) Ein seltsamer Gedanke, von jemandem den Kopf abgeschlagen zu bekommen, mit dem man gemeinsam Murmeln gespielt hat.

      HENKER

      (unterdrückt die Tränen) Aye. Murmelnspielen mochte er am liebsten.

      VICTOR

      Ich hoffe, er ist keines allzu unangenehmen Todes gestorben?

      HENKER

      Ich fürchte doch, Sir. Er hat sich die Lunge aus dem Leib gehustet.

      VICTOR

      Das tut mir aufrichtig leid, William.

      HENKER

      Mächtig fein von Ihnen, das zu sagen, Sir, mächtig fein. –

      (Der Henker erinnert sich. Dezente Untermalung „Motiv Henker“.)

      Es war einfach eine üble Pechsträhne damals. Meine Frau Tilda, Gott hab sie selig, hatte von ihrem Bruder eine Kuh geschenkt bekommen.

      VICTOR

      Was Sie nicht sagen.

      HENKER

      Ja. Und ich hatte damals etwas Geld gespart.

      VICTOR

      Das ist doch gut.

      HENKER

      Ja. Herrliche Zeiten damals. Da gab es noch richtige Verbrecher. Raubmörder, Brandstifter, Erpresser … Ich kam mit dem Schleifen kaum nach. Es war prächtig.

      VICTOR

      Das ist doch gut.

      HENKER

      Ja! Das Geschäft blühte, und ich dachte mir, William, dachte ich mir, bevor du das gute Geld ins Pub trägst, leg es klug an. Und so habe ich selbst ein Pub aufgemacht.

      VICTOR

      Das ist doch gut.

      HENKER

      Ja! Zwei Fliegen mit einer Klappe, dachte ich. Wo ich doch so gern im Pub bin. Aber dann war da noch diese Kuh und ich dachte, William, dachte ich, wenn du schon ein ganzes Pub baust, dann kannst du auch einen kleinen Stall dran bauen.

      VICTOR

      Das ist doch sehr gut.

      HENKER

      Im Grunde ja, Sir, aber beim Bau hat sich mein ältester Sohn Abel einen rostigen Nagel eingetreten und ist an Blutvergiftung gestorben.

      VICTOR

      Das tut mir leid zu hören. Mein Beileid.

      HENKER

      Das ist mächtig fein von Ihnen, Sir, mächtig fein. Doch ich hatte ja noch meinen zweiten Sohn, Phillip, und der half mir weiter zu bauen.

      VICTOR

      Das ist doch gut.

      HENKER

      Ja. Aber als wir das Dach beinahe fertig hatten, fiel Philipp hinunter und landete auf einem Heuwagen.

      VICTOR

      Das ist doch gut.

      HENKER

      Leider nein, Sir. Unter dem Heu lag eine Heugabel. Mächtig spitze Zacken, so ein Ding. Und gleich drei …

      VICTOR

      Das tut mir leid zu hören. Mein Beileid.

      HENKER

      Das ist mächtig fein von ihnen, Sir, mächtig fein.

      VICTOR

      Und haben sie das Pub je eröffnet?

      HENKER

      Natürlich Sir. Und es war ein mächtig feines Pub, das kann ich ihnen sagen.

      VICTOR

      Das ist doch gut.

      HENKER

      Leider war Roswitha krank.

      VICTOR

      Ihre Tochter?

      Die Musik stoppt.

      HENKER

      (zögert kurz) Nein, die Kuh. Die Tochter heißt Margaret.

      VICTOR

      (zögert kurz) Ein schöner Name.

      HENKER

      (argwöhnisch) Welcher?

      VICTOR

      Beide.

      HENKER

      Aye.

      (Der Henker erinnert sich. Die Musik setzt wieder ein.)

      Roswitha war so krank, dass die Minced Meat Pies, die wir aus ihr gemacht haben, leider unbekömmlich waren. Wir hatten noch keine drei Tage geöffnet, da waren schon zwei Gäste tot.

      VICTOR

      Durch Minced Meat Pies? Sie sind ein Meister ihres Fachs.

      HENKER

      Zu liebenswürdig, Sir!

      VICTOR

      Keine Ursache.

      HENKER

      Jedenfalls haben die Angehörigen der beiden Verstorbenen mir in der Nacht das Pub angezündet.

      VICTOR

      Wie schrecklich.

      HENKER

      In der Tat. Meine Frau Tilda, Gott hab sie selig, ist in den Flammen umgekommen. Das war ein großer Verlust für uns.

      VICTOR

      Verstehe. Sie haben Ihre Frau wohl sehr geliebt.

      HENKER

      Das weniger, Sir. Aber sie trug immer die Tageseinnahmen bei sich.

      Das Henkermotiv wird ausgeblendet.

      VICTOR

      Nun, ein Glück, dass Ihnen ihre Tochter …

      HENKER

      Margaret.

      VICTOR

      Richtig. Gut, dass Ihnen Margaret noch geblieben ist.

      HENKER

      Da können Sie drauf wetten, Sir. Ohne