Die letzte Soirée. Arna Aley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arna Aley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783961190041
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ist bereits verbrannt, Fred.

      FRED

      Siehst du, ich bin nicht mehr von dieser Welt, und trotzdem bin ich hier.

      BETTI

      Von dieser Welt warst du noch nie, Fred.

      FRED

      Aber genau dafür liebst du mich doch.

      BETTI

      Wenn du es sagst –

      FRED

      Was ist los, Betti!

      BETTI

      Du fragst mich, was los ist? Schau dich um!

      FRED

      Wir haben alles verloren, Betti.

      BETTI

      Wir? Du warst doch gar nicht hier!

      FRED

      Ich habe das Unmögliche versucht, Betti. Einen Neubeginn in London ohne Eigenkapital, ohne Auslandskonto, ohne Bilder. Für die Art, wie ich gewöhnlich meine Geschäfte abwickelte, war ich in London bereits zu alt, auch wenn die Engländer durchaus ein Faible für skurrile Typen haben.

      BETTI

      Du meinst deine charmanten Lügen, mit denen du allen den Kopf verdreht hast.

      FRED

      A terrible optimist. Es gibt nichts Unwürdigeres, Betti, als wenn du plötzlich merkst, die Leute riechen deine Armut. Reichtum kann man gut verstecken, Armut sickert durch alle Hautporen durch.

      BETTI

      Du hättest hierbleiben und weitermachen können.

      FRED

      Um welchen Preis! Ich hätte mich von meinen Künstlern lossagen müssen. Das wäre Verrat, Betti. Auch an mir selbst. Vor allem an den Bildern. Zu jedem einzelnen hatte ich eine Beziehung. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich kein einziges aus meiner Sammlung verkauft. Wie hätte ich mich davon lossagen können, Betti?

      BETTI

      Du hast dich von mir losgesagt.

      FRED

      Das war eine formale Scheidung, um dich und dein Vermögen vor meinem Namen zu schützen. Du weißt besser als ich, Betti, dass es notwendig war.

      BETTI

      Notwendig?

      FRED

      Niemand konnte es voraussagen, Betti! Wir dachten alle, der Wahnsinn würde sich bald wieder legen.

      BETTI

      Nicht alle.

      FRED

      Aber die, die mit allen Fasern ihres Herzens an Deutschland hingen.

      BETTI

      (flüstert) Das ist und bleibt unsere Heimat, Fred. Auch wenn sie uns zur Falle geworden ist.

      FRED

      Komm, lass uns von vorn anfangen! Wir sind auf die falsche Spur geraten. Ich komme herein: Hallo Betti! Ich bin’s! Seit London haben wir uns nicht mehr gesehen. Wie lange ist das jetzt her?

      BETTI

      Vier Jahre.

      FRED

      Du fragst, wie es mir in diesen vier Jahren ergangen ist? Wie ist es mir ergangen? Ich bin in den Himmel aufgefahren und sitze zur Rechten Gottes.

      BETTI

      Fred.

      FRED

      Der Himmel ist eine unendlich große Wiese und alle lassen tüchtig die Seele baumeln. Überall ist es grün, und alle sind in weiße Tunikagewänder gehüllt. Es hat schon etwas von einer Irrenanstalt. Stell dir vor, alle laufen herum wie Gustav Klimt.

      (Betti betrachtet Fred von oben bis unten.)

      Ich – nicht. Du kennst mich. Ich laufe nackt herum. Ich bin ein Freigeist.

      BETTI

      Ich beneide dich, Fred.

      FRED

      Wofür?

      BETTI

      Wenn ich das nur wüsste: Wofür?

      FRED

      Betti.

      BETTI

      Weißt du noch, unsere Flitterwochen in Paris. In unserer Luxussuite. Ich sehe es noch vor mir. Es klopft, du öffnest. Ein Brief von Papa. Er kündigt die Gütertrennung an. Du schaust dich im Zimmer um, an allen Wänden lehnen Bilder, manche riechen noch nach frischer Farbe. Die Nachricht, du hättest mein ganzes Vermögen in abstruse Gemälde investiert, hat ihn in Angst und Schrecken versetzt.

      FRED

      Er wollte mir einfach nicht glauben, dass Cézanne, van Gogh und Picasso die einzig sicheren Anlagen seien, die der großen Krise standhalten würden. Und das machte mich rasend. Hätte ich damals noch 100.000 Mark in bar gehabt, hätte ich in einem Jahr das Drei- bis Vierfache verdienen und mir einen Namen machen können, sodass die anderen mehr oder weniger findigen Juden in Dortmund vor Neid erblasst wären! Aber nein! Ihr habt nicht an mich geglaubt!

      BETTI

      Ich sperrte mich in den kleinen Musiksalon ein, setzte mich ans Klavier und sang, während du und Nils euch den – wie du es nanntest – Adhäsionskräften hingegeben habt.

      FRED

      Das war viel grandioser als alle Auftritte von Florence Foster Jenkins, Betti.

      BETTI

      Das hast du damals auch gesagt. Du öffnetest breit die Tür, knöpftest dein Hemd zu und fragtest: „Weißt du, wer Florence Foster Jenkins ist, Betti?“ Dein Ton war so widerwärtig abweisend, dass ich sofort zu weinen anfing.

      FRED

      Betti.

      BETTI

      Das wäre die Frau mit dem weisesten Spruch auf dem Grabstein:

      „People may say I can’t sing, but no one can ever say I didn’t sing.“

      Fred zieht aus einem gegen die Wand gelehnten Bilderstapel ein Ölgemälde hervor, liest die Angaben auf der Rückseite des Bildes.

      FRED

      Nils von Dardel. Porträt Alfred Flechtheim, 1913. Öl auf Leinwand.

      (Fred traut sich eine Weile nicht, das Bild umzudrehen.)

      BETTI

      Hast du Angst, das Porträt hätte alle deine Laster übernommen?

      Fred dreht das Bild um, betrachtet es, sichtbar erleichtert, hält es zum Vergleich neben sich.

      FRED

      Welchen von beiden würdest du nehmen? (deutet auf das Porträt, dann auf sich) Den oder den?

      Hella kommt aus der Küche mit einem heißen Kochtopf in den Händen. Betti lüftet den Topfdeckel ein wenig.

      BETTI

      Ich hasse Reis.

      FRED

      Wenn er dir nicht schmeckt, iss ihn nicht.

      BETTI

      Mit irgendwas muss man das Zeug ja runterbekommen. Auf leeren Magen geht das nicht. Lass den Reis noch etwas quellen, Hella.

      (Hella ab.)

      Meine liebe kleine Hella!

      FRED

      Denk nicht daran, Betti.

      BETTI

      Hella! Wo hast du die Zeitungsmappe versteckt? Sie versteckt alles. Sie will es nicht wissen. Ich habe alles aufbewahrt, Fred. (Betti steht auf, holt die Zeitungsmappe, schlägt eine Seite auf.) Schau mal, da ist ein Foto von dir und darunter steht: „Der Jude, der Großmanager dieser Kunst“.

      FRED

      Immerhin.