Die letzte Soirée. Arna Aley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arna Aley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783961190041
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links, Sir.

      FRED

      Hat meine Frau Sie engagiert?

      AIRPORT BOY

      Das weiß ich nicht, Sir.

      FRED

      Wo fahren wir hin?

      AIRPORT BOY

      In die Düsseldorfer Straße.

      FRED

      In eine Wohnung?

      AIRPORT BOY

      Ja, Sir.

      FRED

      In eine leerstehende Wohnung?

      AIRPORT BOY

      Ab morgen wird sie leer sein, Sir.

      FRED

      Ist es bloß meine überreizte Fantasie, die mir einen Streich spielt, oder erwartet mich dort eine Überraschung?

      AIRPORT BOY

      Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir.

      FRED

      Darf ich Ihnen eine direkte Fragen stellen?

      AIRPORT BOY

      Ja, Sir.

      FRED

      Wie weit würden Sie gehen?

      AIRPORT BOY

      Ich verstehe Sie nicht, Sir.

      FRED

      Heute ist doch der erste April.

      AIRPORT BOY

      Ja, Sir.

      FRED

      Kennen Sie jemanden, der am ersten April geboren ist?

      AIRPORT BOY

      Bismarck.

      FRED

      Als 17-Jähriger habe ich Bismarck zu seinem Achtzigsten telegraphiert. Damit wurde meine Laufbahn als Schüler des Paulinums in Münster mit dem Consilium abeundi beendet. Auf Deutsch: Ich wurde rausgeschmissen.

      AIRPORT BOY

      Wegen eines Telegramms an Bismarck?

      FRED

      In Wahrheit gab es gar kein Telegramm. Ich habe lediglich eine Antwortdepesche verfasst. Im Getreidekontor meines Vaters. Und habe sie aus Spaß in der Kneipe, in der wir unseren „Einjährigen“ feierten, vorlesen lassen. „Seine Durchlaucht lässt den Einjährigen vielmals danken, wünscht viel Vergnügen und frohen Suff-Chrysander.“

      AIRPORT BOY

      Deswegen sind Sie vom Gymnasium geflogen, Sir?

      FRED

      Ja. Mein Vater schickte mich auf das Chateau du Rosey, ein exklusives und teures Internat bei Genf, eine Handelsschule. Dort lernte ich Französisch, das Kaufmännische interessierte mich nicht.

      AIRPORT BOY

      Hatten Sie Sehnsucht nach Zuhause, Sir?

      FRED

      Ich glaube, dass man in keiner Stadt seine Jugend schöner verbringen kann als in Münster. Abgesehen von den fürchterlichen WC des Paulinischen Gymnasiums, die mich zwangen, meine Notdurft bei Bekannten in der Nähe zu befriedigen. Wissen Sie, wer noch am ersten April geboren ist?

      AIRPORT BOY

      Nein, Sir.

      Fred lächelt zufrieden.

      ERSTE SENTIMENTALE

      Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Fred!

      FRED

      Glauben Sie mir, dass ich heute Geburtstag habe?

      AIRPORT BOY

      Es könnte auch ein Aprilscherz sein, Sir?

      FRED

      Wissen Sie, wie der Aprilscherz entstanden ist?

      AIRPORT BOY

      Nein, Sir.

      FRED

      Sie kennen sicherlich Heinrich IV., den König von Frankreich. Er war dafür bekannt, dass er eine Schwäche für junge Mädchen hatte. An einem ersten April bat ihn ein unbekanntes 16-jähriges Mädchen um ein heimliches Rendezvous in einem abgeschiedenen Lustschloss. Als Heinrich IV. zu dem Tête-à-Tête erschien, begrüßte ihn der gesamte Hofstaat mit seiner Gemahlin Maria von Medici an der Spitze, die ihm untertänigst dafür dankte, dass er ihrer Einladung zum „Narrenball“ gefolgt sei.

      AIRPORT BOY

      Ist das eine wahre Geschichte, Sir?

      FRED

      Ja.

      AIRPORT BOY

      Warum haben Sie sie mir erzählt, Sir?

      FRED

      Selbst auf die Gefahr hin, bloßgestellt zu werden –

      AIRPORT BOY

      Wir sind da, Sir!

      Airport Boy nimmt rasch seine Kopfbedeckung ab. Fred erkennt Hella.

      FRED

      Hella!

      HELLA

      Onkel Fred!

      Fred folgt Hella ins Wohnzimmer. Fred schnuppert die Luft. Er schließt die Augen, atmet genüsslich tief ein.

      FRED

      Das ist nicht die Berliner Luft, das ist Betti. Sie ist hier! Ich spüre sie. (flüstert) Betti! Betti, meine Liebe, die schönsten Tage meines Lebens verdanke ich dir.

      BETTIS STIMME

      (ruft) Hella! Hella!

      Im Wohnzimmer sind alle Bilder abgehängt und lehnen umgedreht an den Wänden. An einem großen Esstisch, sitzt – wie versteinert – Betti.

      FRED

      Du wolltest mir nicht glauben, Betti! Ich kann mich bessern! Obwohl die Versuchung nahezu unwiderstehlich war.

      BETTI

      Du kannst den Brei schon aufsetzen, Hella!

      FRED

      Hella! Comme des Garçons! Der neue Haarschnitt steht dir ausgezeichnet.

      Hella ab.

      BETTI

      Ich habe Angst um sie, Fred. Jede Nacht bindet sie sich ihre Brust ab, damit sie zusammenschrumpft. Das ist reiner Selbsthass, Fred. Aber wir dürfen nicht in Selbsthass verfallen. Selbst dann nicht, wenn sogar diejenigen, die ihren Namen und ihren Erfolg allein dir zu verdanken haben, plötzlich wie hypnotisiert einem Irren nachplappern, Juden hätten keine Seele, Juden seien andere Menschen, ach was, noch viel hässlichere Sachen. Ich mag es gar nicht aussprechen, Fred.

      Was soll nur aus ihr werden, Fred! Sie ist gerade mal zwanzig. Sie hat ihr ganzes Leben noch vor sich. Und sie ist voller Hass.

      Warum bist du gekommen, Fred? Ausgerechnet jetzt, wo eh alles vorbei ist. Gott sei Dank es ist vorbei.

      FRED

      Ich weiß nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist: Es geht weiter. Nach sieben mageren Jahren kommen sieben fette.

      BETTI

      Das hast du schon immer gesagt.

      FRED

      Fass mich an.

      (Betti legt ihre Hand auf die seine.)

      Glaubst du, dass ich es bin.

      BETTI

      Ich bin es müde geworden zu hoffen.

      FRED

      Betti!

      (Betti lächelt ihn an.)

      Für dieses Lächeln würde