Männermaladien. Michael Bahnherth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Bahnherth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783905896381
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es sein könnte, wenn sein Land das Leben nicht einfach so vorbeiziehen lassen würde. Natürlich könnte ich das Leben in meinem Land eintauschen gegen eines in einem andern Land, und vielleicht mache ich das eines Tages, wenn die Zeit reif ist dafür und die Enttäuschung über mein Land gross genug auch.

      Und bis es so weit ist, sitze ich, so oft es geht, auf Hotelterrassen wie jener in Puerto Portals und träume mir mein Land zurecht, bis ich zurückkehre in mein Land und anfange, von Hotelterrassen zu träumen.

      Leben mit Leben (I)

      Es gab eine Phase in meinem Leben, da spielte ich viel mehr, als ich es tatsächlich war, den existenziellen Playboy. Ich suchte mir also die Jetset-Gedanken des Existenzialismus und umgab mich mit ihnen, so wie sich ein Playboy mit schönen Frauen umgibt. Damals wusste ich nur ganz wenig vom Leben und überhaupt nichts vom Sterben. Ich war frei, die Welt ein Witz und der Tod absurd. Ich wollte besser schreiben als Hemingway, war in Prinzessin Stephanie von Monaco verliebt, und ich merkte nicht, dass ich mich als ein Versprechen auf später lebte, von dem ich überzeugt war, dass ich und mein Ich irgendwann in Erfüllung gehen würden. Ich schrieb ganze Notizhefte voll mit allem, was mir auffiel, und allem, was ich nicht begriff, und ich schrieb lange Briefe an Gisela, die in Südamerika herumreiste, mit schwarzer Tinte auf blauem Luftpostpapier, schickte sie postlagernd an die Botschaften in Bolivien, Venezuela, Uruguay. Ich schrieb über die Bücher, die ich alle schreiben wollte, über die Kurzgeschichten, an denen ich gerade sass, und dass wir uns verlieben könnten, wenn sie wieder hier sei.

      Ich schreibe das jetzt hier, weil ich die Notizbücher in einer vergessenen Schublade entdeckt habe, und die kleinen, schwarzen Büchlein sind ausser ein paar Fotos und Erinnerungen das Einzige, das mir eine Idee gibt, was das für ein Gefühl war, der junge Bahnerth zu sein. Dieses Dasein der ersten Entwürfe der Selbstverwirklichung, das Suchen nach dem Ich und dieses beinahe göttliche Zutrauen, dass alles gut werden würde. Das Leben war schön, ich sah nicht schlecht aus, hatte einen hübschen Hintern, hasste Langeweile und konnte sehr schöne Liebesbriefe schreiben. Ich kostete den Nektar des Schmerzes ebenso leicht und schmerzlos wie jenen der Schönheit, ich konsumierte, mich zuallererst, es gab nichts Wichtigeres als mich selbst, meine Existenz, und tiefe Empathie konnte ich nur für mich aufbringen, dafür reichlich. Ich war so selbstverliebt und auf egozentrischer Selbstverwirklichung, dass ich keine Augen mehr hatte, die wirklich aus mir herausschauten. So war das damals, als der Augenblick alles war und die Ewigkeit nichts, und es war schön, dieses Dasein, das nur die Vergänglichkeit des Augenblickes kannte, nicht aber jene des Lebens. Und dann war es vorbei, es ging wie bei einem langsamen Platten, kaum spürbar zuerst, und als der Felgen des Selbst auf dem Boden der Realität schrammte, sah ich im Rückspiegel all die Träume und Versprechen, und ich fuhr zuerst durch einen Tunnel ohne Licht am Ende, und als ich durch den Tunnel durch war, war die Welt eine andere, voll von brüchiger Wirklichkeit. Der Verlust der Jugend fühlte sich an, als ob die Unendlichkeit zur Endlichkeit schrumpfte. Aber irgendwann, ich glaube spätestens in Marseille, wo ich eine Zeit lang das Leben suchte, in der Bar Treiz im Panier, nachmittags, als Randy Crawford aus den Lautsprechern rieselte mit dieser verzweifelt hoffnungsvollen Sehnsucht … «We’ve only got a short time to grab a little glory, I wanna have a good life, not a sad story» …, da tat sich ein Licht auf, so was in der Art, ich kann es nicht genau erklären, aber es war ein kleiner Augenblick der Ewigkeit oder die Ewigkeit als grosser Augenblick, und ich ging ein Notizheft kaufen und einen Bleistift und fing nochmals fast von vorne an.

      Leben mit Therapie (III)

      Schon wieder ein Positionswechsel. Neuerdings sitze ich mit meinem Therapeuten an einem Tisch, weil er meint, die situative Sitzänderung würde meine Haltung gegenüber der Therapie neu positionieren.

      «Michael», sagt er, «lassen Sie uns heute über Sexualität reden. Empfinden Sie Ihre Sexualität als normal?»

      «Können Sie normal definieren?»

      «Verbinden Sie beim Akt Körper und Seele zu einem Einklang aus Geben und Nehmen?»

      «Sie meinen, ob ich Liebe mache oder nur Sex?»

      «Ich möchte wissen, ob Sex für Sie ein Liebesakt ist.»

      «Kennen Sie den Satz von Charles Bukowski, ‹You don’t fuck the brain, but it’s the brain that fucks›?»

      «Was wollen Sie damit sagen, Michael?»

      «?»

      «Meinen Sie damit, dass Trieb und Seele unvereinbar sind?»

      «Nein, ich meine, dass ich auf Seelen stehe, die in schönen Körpern wohnen und die Sexualität als die letzte übrig gebliebene Freiheit im Tun des Menschen begreifen, als letzte Grenzenlosigkeit, und die mit der gehörigen Portion Passion auch ausleben, wenn Sie meinen, dass ich es mag, wenn eine Frau im Liebesspiel gleichzeitig Göttin ist und Geilheit, wenn Sie meinen, dass ich Zärtlichkeit mag, aber auch Härte, wenn Sie meinen, dass ich meine, Sex ist immer auch ein Spiel um Macht, um Wohlgefühl und Schmerz, um oben und unten im Wechselspiel, aber auch um grösstmögliche Verschmelzung von zwei Menschen in ein und demselben Moment, was ja auch Liebe ist, wenn Sie meinen, dass ich süchtig bin nach solch einer Frau, die die Seelengrösse hat zu solchen Gefühlswelten, dann muss ich sagen, ich würde mich bezeichnen als –»

      «Michael, danke, die Zeit ist um.»

      «Schade.»

      Leben mit Sesshaftigkeit

      Man nennt es die Neolithische Revolution, sie dauert schon über 12 000 Jahre und sie ist für den Menschen zumindest problematisch. Im Grunde trägt diese Revolution, die den Übergang vom nomadischen zum sesshaften Menschen kennzeichnet, vom Jäger zum Bauern, in erheblichem Masse dazu bei, dass ich mich auf der Welt gelegentlich nicht zu Hause fühle. Weil mich die Kultur der Sesshaftigkeit dazu zwingt, mein Leben auf den Arschbacken zu verbringen. Ohne Luft unter den Fusssohlen, wie Verlaine das sagte, als er Rimbaud – wahrscheinlich der erste und letzte moderne Nomade – versuchte zu beschreiben. Natürlich bin ich ja nicht stets ungerne sesshaft, schon alleine deshalb, weil mir zum kompromisslosen Nomadentum der Mut fehlen würde und ich wahrscheinlich auch zu faul geworden bin dafür.

      Ich sitz dann also so sesshaft da auf meinem Gesäss, auf Bürostühlen, Barhockern, Restaurantstühlen usw., und manchmal sitze ich so fest, dass ich meinen Arsch gar nicht mehr hochkriege. Dann packt mich eine Sehnsucht, sie heisst Fernweh. Fernweh ist das, was vom einstigen Nomadentum übrig geblieben ist, der verkümmerte, traurige Rest. Und das fühlt sich manchmal so an wie Weinen ohne Tränen.

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