»Seine Gefühle für Mama sind echt«, widersprach Alexandra.
»Mein Gott, Alexandra, wie naiv bist du eigentlich? Wenn sie echt wären, hätte er Rücksicht genommen und Mama nicht all das angetan was passiert ist. Wach auf, sieh ihn endlich wie er wirklich ist …, nämlich der größte Egoist, der auf Gottes Erdboden herumläuft. Marion hat das auch erkannt und sich endgültig von ihm distanziert. Sie will mit ihm nichts mehr zu tun haben, und das hat sie ihm auch deutlich zu verstehen gegeben.«
»Marion? Woher willst du das wissen, Sabrina.«
»Ganz einfach, weil sie mir das bei einem unserer Telefonate erzählt hat, wir sind in Verbindung …, gewissermaßen von Mutter zu Mutter.«
»Sabrina, das glaube ich nicht. Das kann Marion doch überhaupt nicht tun. Ingo ist Michelles Vater.«
»Nein, Alexandra, er ist ihr Erzeuger, und das ist ein Unterschied. Er ist über die Dörfer gezogen, als er noch mit Marion verheiratet war, hat von der Schwangerschaft nichts mitbekommen. Und als er von der Existenz der kleinen Michelle erfuhr, hat er sich nicht die Bohne um sie gekümmert, ihr nicht einmal über das Haar gestrichen, geschweige denn, sie auf den Arm zu nehmen. Und auch nach seiner Abreise herrschte Schweigen im Walde, er hat sich nicht ein einziges Mal nach ihr erkundigt. Und Marion hätte er anrufen können, mit der lag er nicht im Clinch so wie mit uns …, und nun auf einmal die plötzlich erwachte Vaterliebe? Auf einmal möchte er Michelle sehen? Alexandra, jetzt müssen auch bei dir die Alarmglocken angehen.«
»Alarmglocken? Wieso? Für mich bedeutet es, dass die Therapie bei Ingo anschlägt, dass er sich jetzt auf seine Vaterpflichten besinnt, und das ist gut so.«
Sabrina lachte, aber es war ein unschönes, gequältes Lachen. Selbst durch das Telefon war zu hören, dass sie auf neunundneunzig war, kurz vor hundert, kurz vor dem Explodieren.
»Vaterpflichten? Dass ich nicht lache. Vermutlich hat Ingo erfahren, dass Papa für Michelle, genau wie für meine Töchter, ein beachtliches Vermögen festgeschrieben hat, und diese Tatsache erweckt seine Begehrlichkeit. Er will an Michelles Geld heran, und sonst gar nichts. Je eher du das begreifst, umso besser. Ingo ist von Grund auf schlecht, wenn es nicht so wäre, hätte er nicht so viel Böses angerichtet, und jetzt habe ich keine Lust mehr, über ihn zu reden, sonst bekomme ich wirklich noch dieses Magengeschwür. Das ist er mir nicht wert. Seinetwegen möchte ich nicht einmal einen kleinen Pickel kriegen … Bitte, Alexandra, du bist klug, du hast den großen Waldenburgschen Besitz im Griff, besinn dich auch bei Ingo auf deinen Verstand, und rede Mama diese Besuchsnummer aus …, es wird in einer Enttäuschung enden, und ich sage dir jetzt schon …«
Sie brach ihren Satz ab, weil im Hintergrund auf einmal ein fürchterliches Gebrüll zu hören war, das unschwer zu erkennen, von der kleinen Elisabeth kam.
»Alexandra, ich muss Schluss machen. Melanie versucht gerade Elisabeth das Fläschchen ihrer Puppe gewaltsam in den Mund zu stecken. Wir telefonieren wieder, bitte grüß Mama und Papa von mir …, und gib Mama einen Kuss, sag ihr, dass ich sie sehr lieb habe.«
»Und Papa hast du nicht lieb?«, begehrte Alexandra auf, die so etwas überhaupt nicht verstehen konnte.
»Mein Gott noch mal, na klar habe ich Papa auch lieb, aber der ist stark, steht über den Dingen, dem muss man seine Liebe nicht versichern.«
Das Geschrei wurde stärker, was Sabrina veranlasste, einfach aufzulegen, was Alexandra verstand.
Ein Kinderspielzeug gewaltsam einem Baby in den Mund zu stecken, konnte gefährlich sein, außerdem war alles gesagt worden.
Alexandra legte das Telefon weg.
Es war traurig, was Sabrina da alles gesagt hatte, aber es war im Grunde genommen nichts Neues.
Neu war nur, was sie über Marion gehört hatte. Sie waren doch auch sehr eng. Warum hatte Marion ihr nichts von dem Gespräch mit Ingo erzählt? Weil sie fürchtete, dass Alexandra versuchen würde, sie umzustimmen?
War sie wirklich so blind und naiv an ihren Bruder zu glauben, während alle anderen sich längst von ihm abgewandt hatten?
Alle …, bis auf sie und ihre Mutter, aber deren Verhalten war verständlich, Ingo war ihr Sohn.
Wie stand ihr Vater dazu?
Alexandra hatte keine Ahnung, aber sie würde ihn, um Gewissheit zu bekommen, fragen, und sie würde ihn auch bitten ihr zu sagen, ob sie, falls ihre Mutter es wirklich wollte, sie zu Ingo begleiten sollte.
Alexandra schloss die Augen.
Wie sehr sehnte sie die früheren Zeiten herbei, als bei den Waldenburgs die Welt noch in Ordnung gewesen war, wo es zumindest den Anschein gegeben hatte, ihre Welt sei heil.
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