Dr. Norden Bestseller 339 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Norden Bestseller
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740963408
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      Er war ziemlich dick, und er fragte sich, was sie da wohl alles geschrieben haben mochte. Aber er wußte auch, daß Ilse Köster zäh war, und die Krankheit war erst in den letzten drei Wochen so fortgeschritten, daß die Schwä­che auch Arme und Beine ergriffen hatte.

      Er gab ihr das starke Schmerzmittel. Sie spürte den Einstich schon gar nicht mehr und sah ihn dankbar an.

      »Sie sind so gut, ich habe großes Vertrauen zu Ihnen, Dr. Norden«, flüsterte sie, »Sie hätten mir geholfen, wenn Sie es könnten, das weiß ich auch. Andere Ärzte kommen ja nicht mal ins Haus. Die schieben einen gleich ab ins Krankenhaus. Und da hat auch niemand Zeit, wenigstens sich mal ein paar Minuten ans Bett zu setzen, daß man mit einem Menschen reden kann.«

      »Nehmen wir mal an, Sie brauchen noch mehr Pflege, Frau Köster, wenn Sie dann in die Behnisch-Klinik gehen würden, hätte bestimmt oft jemand für Sie Zeit. Da gibt es eine Beschäftigungs­the­rapeutin, die mit Ihnen spielt oder Ihnen etwas vorliest.«

      »Das gibt es, daß sich Leut’ dafür Zeit nehmen?«

      »Ja, sie sind extra dafür da, die Patienten zu betreuen.«

      Sie schloß die Augen. Sie wurde jetzt schon müde. »Ich überleg’ mir das auch, weil Sie so lieb sind«, murmelte sie. »Und weil der Berti so lieb ist.«

      Herbert Köster redete indessen schon auf Maren ein.

      »Was ist eigentlich mit dir los, Maren? Warum hörst du nicht, was ich sage?«

      »Die Arbeit muß gemacht werden, aber wer soll sie machen, wenn ich nimmer hier bin?« Ihre Stimme bebte.

      »Du willst weggehen?« fragte er bestürzt.

      »Ich kann nicht bleiben, ich halte das nicht mehr aus.« Sie schluchzte fast.

      »Ich weiß ja, daß es schwer ist, Maren, für mich auch, aber Dr. Norden hat schon gesagt, daß Ilse dann doch in die Klinik muß. Sie wird davon dann gar nicht mehr viel merken.«

      »Es ist eine schreckliche Krankheit«, sagte Maren tonlos, »und es trifft meist die falschen Menschen. Manche sind so gefühllos, die setzen sich über alles hinweg, Hauptsache, ihnen geht es gut, und ich mag Ihre Frau so sehr, Herr Köster. Sie war immer freundlich und gut zu mir, und ich habe auch viel sparen können, weil ich das schöne Zimmer habe und dafür nichts zu zahlen brauchte, aber ich kann trotzdem nicht bleiben.«

      »Warum nicht, Maren? Kannst du es mir nicht sagen?«

      Sie schüttelte den Kopf. Sie sah ihn nicht an. Er sah ihr feines Profil, das wunderschöne Haar, das zu einem dicken Zopf geflochten war.

      Ihr Gesicht war so traurig. So verloren sah sie aus, daß er den Arm um ihre Schultern legte. Aber sie zuckte zusammen und entzog sich dieser Berührung.

      Sein Gesicht überschattete sich. »Gut, wenn du gehen willst, ich kann dich nicht halten. Niemand soll mir nachsagen, ich hätte dich auch ausgenutzt.«

      »Das ist es nicht«, erwiderte sie tonlos.

      »Was ist es dann, Maren?« fragte er heiser.

      »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Es ist auch wegen Ihrer Frau. Die Leute klatschen so leicht.«

      »Aber über uns gibt es doch nichts zu klatschen.«

      »Das denken wir. Fragen Sie doch mal Ihren Schwager.«

      »Ich werde ihn fragen, darauf kannst du dich verlassen«, sagte er grimmig. »War er unverschämt zu dir?«

      »Ich bin doch nur eine Verkäuferin, die froh sein kann, hier zu leben. Und mehr will ich nicht sagen.«

      »Ich werde das nicht hinnehmen, Maren. Ich kann dich nicht halten, aber beleidigen lasse ich dich nicht.«

      »Er ist doch der Bruder Ihrer Frau, und sie soll sich nicht aufregen. Sie soll wenigstens ruhig sterben dürfen.«

      Dr. Norden kam schon die Treppe herunter. Er hatte schon einiges gehört, aber das ließ er sich nicht anmerken.

      »Ihre Frau schläft jetzt, Herr Köster«, sagte er. »Legen Sie sich auch gleich hin, damit Sie wenigstens ein paar Stunden Ruhe haben.«

      »Ja, ja, und Sie können auch Maren sagen, daß sie Ruhe geben soll, sonst klappt sie auch zusammen.«

      Dr. Norden warf Herbert Köster einen zwingenden Blick zu, und er entfernte sich. Dann wandte er sich Maren zu.

      »Ich sehe doch auch, daß Sie verändert sind, Maren«, sagte er. »Was fehlt Ihnen?«

      »Ich fühle mich nicht wohl. Ich würde ja zu Ihnen kommen, aber ich kann doch nur Mittwoch- oder Samstagnachmittag, und da haben Sie keine Sprechstunde.«

      »Am Mittwochnachmittag kom­men auch Patienten. Ich erwarte Sie um vier Uhr.«

      »Und wenn mir etwas fehlt, sagen Sie es nicht Herrn Köster und seiner Frau?«

      »Es unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht, Maren. Aber Sie müssen mir auch genau sagen, was für Beschwerden Sie haben.«

      »Das sage ich Ihnen dann schon«, erwiderte sie fast trotzig.

      Ob doch etwas zwischen Köster und ihr ist, überlegte Dr. Norden auf der Heimfahrt. Er konnte es sich nicht so recht vorstellen, aber andererseits hätte er es sogar verstanden, denn Maren war ein liebes Geschöpf, und Herbert Köster hatte wahrhaftig sonst nichts mehr, was ihm Freude bereiten konnte, als der Anblick dieses reizenden Mädchens.

      Daniel Norden hätte zu gern gewußt, woher Maren kam, wer ihre Eltern gewesen waren. Der Vorname kam aus dem Dänischen, das hatte ihm schon Fee einmal erklärt, denn auch sie hatte schon über Maren nachgedacht.

      Maren hatte ein feines, zartes Gesicht, kein bißchen nichtssagend oder gar ordinär. Sie hatte auch ein angeborenes Taktgefühl, und sie konnte sich ausdrücken, wie man es gewiß nicht auf einer Volksschule oder gar schon im Waisenhaus lernte.

      Friseuse hatte sie werden wollen, das hatte er auch erfahren, aber sie mußte die Lehre abbrechen, weil sie allergisch auf die chemischen Mittel reagierte. Und dann hatte eine alte Bekannte der Familie Köster Herbert auf das Mädchen aufmerksam gemacht.

      So war Maren hierher gekommen, und sie hatte tatsächlich so etwas wie ein Zuhause bei dem kinderlosen Ehepaar gefunden.

      Daß Ilse Köster keine Kinder bekommen konnte, hatte sie seelisch sehr belastet. Sie hatte oft mit Dr. Norden darüber gesprochen, bevor sie für ihn ein schwerer Fall geworden war. Es waren eigentlich ihre einzigen Beschwerden gewesen, daß die Ehe kinderlos blieb und für sie auch keine Hoffnung bestand, eines Tages doch noch Mutter zu werden.

      Sie war für Maren wie eine große Freundin geworden, hatte für die Jüngere gesorgt, ihr Familienanschluß gegeben, sie auch gegen ihren Bruder Lothar verteidigt, der anscheinend besorgt war, daß er zu kurz kommen könnte.

      Sie hatte nie die Befürchtung geäußert, daß Maren das Wohlgefallen ihres Mannes auf sich ziehen würde.

      *

      Daniel wurde von seiner Frau Fee liebevoll empfangen. »Spät kommt er, aber er kommt«, tönte Dannys Stimme aus dem Hintergrund. Die Kinder saßen schon beim Abendessen.

      »Ich mußte noch Hausbesuche machen«, sagte Daniel entschuldigend.

      »Weiß ich doch«, erwiderte Fee, »das ist nichts Neues.«

      »Und jetzt hast du wohl Hunger, Papi?« fragte Anneka, die schnell herausgekommen war, um ihren geliebten Papi zu begrüßen.

      »Das kann man laut sagen, mein Schätzchen«, erwiderte Daniel.

      Lenni brachte gleich sein Essen, das natürlich warmgestellt worden war, und dazu ein kühles Bier.

      »Bier smeckt nich«, sagte Jan, der männliche Zwilling, der weit weniger plapperte als sein Schwesterchen Désirée, die gleich sagte: »Papi mag Bier. Dési mag Kako.«

      Da eilte Lenni gleich, um Kakao zu holen.