»Genau das habe ich auch gesagt.«
Danach sprachen sie nicht mehr, aber Soraya wurde klar, dass sie ihr Gespräch mit Frederik nicht länger aufschieben durfte. Sie wollte ihn nicht heiraten, und das bedeutete dann wohl tatsächlich, dass sie sich besser auch nicht mehr mit ihm traf, um ihm keine falschen Hoffnungen zu machen.
Ein Gespräch, auf das sie sich wahrhaftig nicht freute.
*
»Das heißt, du bist jetzt so klug wie zuvor?«, fragte Martin Buder, der an diesem Samstagabend mit seinem Freund und Kollegen Dr. Dirk Horst in einem sehr guten
Restaurant zu Abend gegessen hatte. Sie unterrichteten am selben Gymnasium und waren Freunde seit dem Tag, an dem Martin in das Kollegium aufgenommen worden war. Das war an diesem Abend genau fünf Jahre her.
»So ist es«, seufzte Dirk. »Sie hat mir nicht einmal verraten, ob Prinz Claus tatsächlich da lebt.«
»Gab es denn sonst niemanden, den du fragen konntest?«, wunderte sich Martin. »Und irgendwo muss doch auch ein Name gestanden haben.«
»Das ist nicht so wie bei uns«, lächelte Dirk, »wo der Name am Klingelschild und am Briefkasten steht. Da war nirgends ein Name zu lesen, und ich habe mich einfach nicht getraut, jemanden anzusprechen, weil mich diese Frau mit ihren Blicken ohnehin schon durchbohrt hat. Die hat wahrscheinlich gedacht, dass ich ein Journalist auf der Suche nach einer weiteren Story über den einfältigen Prinzen bin.«
»Du hättest ihr sagen können, dass du mal sein Englischlehrer warst.«
»Ja, hätte, wäre, könnte«, murmelte Dirk. »Irgendwie habe ich dann kein Wort mehr herausgebracht, weil sie mich so angefunkelt hat. Eine sehr hübsche Frau übrigens.«
»Seine Frau vielleicht«, meinte Martin.
»Glaube ich nicht, dann wäre sie nicht selbst zur Tür gekommen. In solchen Kreisen hat man dafür Angestellte, Martin. Na ja, wenn sie ihm meinen Namen nennt, weiß er ja, dass ich da gewesen bin – und wenn er Interesse daran hat, mit mir in Kontakt zu treten, dann wird er das tun. Ich wohne schließlich immer noch am selben Ort.«
»Wie lange ist es her, dass er die Schule verlassen hat?«
»Zwölf Jahre. Damals war er siebzehn, jetzt muss er also neunundzwanzig sein. Oder dreißig, in dem Dreh.«
»Eine seltsame Geschichte ist das«, murmelte Martin. »Ich lese ja gelegentlich, was über ihn geschrieben wird. Wenn du mir nicht erzählt hättest, dass du immer große Stücke auf ihn gehalten hast – also ich hätte das geglaubt, was man in den Zeitschriften zu lesen bekommt.«
»Jeder glaubt das.«
»Warum lässt er sich das wohl gefallen? Er könnte dagegen angehen.«
»Ich schätze, es ist ihm gleichgültig«, meinte Dirk.
Martin starrte ihn an.
»Das kann nicht dein Ernst sein. Eine so herabsetzende Darstellung in der Öffentlichkeit kann niemanden gleichgültig lassen.«
»Claus schon. Er hatte, was das betrifft, schon auf der Schule ein ziemlich dickes Fell. Weißt du, Martin, er gehört zu den seltenen Menschen, die in sich ruhen. Er wusste, was er wollte – und er wusste auch, was er konnte. Wahrscheinlich hatte er nie einen Zweifel daran, dass er seine Ziele erreichen würde. Es scheint geklappt zu haben. Wenn meine Recherchen stimmen, züchtet er sehr erfolgreich Pferde – erfolgreich und mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit.«
»Wenn ich dich von ihm erzählen höre, bedauere ich, dass ich damals noch nicht an der Schule war.«
»Wer weiß, ob du ihn nicht eines Tages noch kennenlernen wirst«, murmelte Dirk. »Verflixt, diese Frau geht mir nicht aus dem Kopf. Ich wüsste zu gern, ob sie tatsächlich eine Angestellte von Claus
ist …«
Martin schmunzelte in sich hinein. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass Dirk, sollte er von seinem ehemaligen Schüler nichts hören, bald den nächsten Versuch machen würde, ihn zu treffen. Und bei der Gelegenheit würde er dann sicherlich auch ganz beiläufig Erkundigungen über die junge Frau einziehen, die ihn so fasziniert hatte.
»Was gibt es zu grinsen?«, erkundigte sich Dirk.
»Ich grinse nicht, ich lächele«, erklärte Martin und behauptete dann: »Grundlos.«
Dirk lächelte ebenfalls, aber er war mit seinen Gedanken sichtlich weit weg. Es würde interessant sein, dachte Martin, den weiteren Verlauf seiner Suche nach Prinz Claus zu verfolgen.
*
»Das ist doch eine Frechheit!«, schimpfte die dreizehnjährige Anna von Kant und warf ihrem Cousin Christian eine Zeitschrift aufs Bett. »Lies das mal, Chris, was die sich wieder über Claus zusammenfantasiert haben! Das ist jetzt schon der zweite Artikel innerhalb kurzer Zeit, in dem sie ihn niedermachen.«
Er griff nach der Zeitschrift und überflog die Zeilen, die sie meinte. »Alles Unsinn«, stellte er dann fest.
»Ja, eben! Wieso dürfen die das? Wieso dürfen sie schreiben ›der für sein schlichtes Gemüt bekannte Prinz‹ und lauter so Zeug?«
»Wenn er klagen würde, bekäme er vielleicht Recht, aber du weißt doch, dass er das nicht macht. Ihm ist es egal, was sie schreiben.«
»Das kann ihm nicht egal sein! Wenn er am Wochenende kommt, werde ich mit ihm darüber reden. Ich finde, er muss sich endlich wehren.«
»Finde ich nicht«, entgegnete Christian. »Das ist seine Entscheidung, Anna.«
Sie waren nicht oft unterschiedlicher Meinung, und so versuchte sie noch eine Weile, freilich erfolglos, ihn zu überzeugen, bis sie das Thema schließlich fallen ließ. Sie tippte auf eine weitere Nachricht. »Hast du das auch gelesen?«
»Nein, was denn?«
»Hier steht, dass sich Soraya von Cranitz vielleicht bald verlobt.«
»Mit wem denn?«, fragte der kleine Fürst. Soraya kannten sie gut, die schöne junge Frau gehörte zu den regelmäßigen Besucherinnen auf Sternberg.
»Frederik von Dahlheim«, las Anna vor. »Den kennen wir nicht, aber ich habe gehört, dass er ein ziemlicher Kotzbrocken sein soll.« Anna streute gern Kraftausdrücke in ihre Rede ein, wenn ihre Eltern nicht in der Nähe waren.
»Was du immer alles weißt, Anna!«, wunderte sich Christian. »Ich habe von dem Mann noch nie etwas gehört.«
»Du interessierst dich ja auch nicht für Gesellschaftsklatsch«, erwiderte Anna. »Wenn das stimmt, was man sich über ihn erzählt,
passt er jedenfalls überhaupt nicht zu Soraya.«
»Wahrscheinlich stimmt es nicht«, erwiderte Christian gelassen. »Das, was sie über Claus schreiben, stimmt schließlich auch nicht. Außerdem glaube ich nicht, dass Soraya sich einen Mann aussuchen würde, der nicht nett ist.«
Anna fielen keine Gegenargumente mehr ein, und so nahm sie die Zeitschrift wieder an sich, murmelte: »Mit dir kann man heute einfach nicht reden«, und ließ ihren Cousin allein.
*
»Wieso hast du eingewilligt, seine Großmutter zu besuchen?«, rief Alexandra. »Du hast doch selbst gesagt, du musst Frederik endlich sagen, dass du ihn nicht heiraten willst – und da fährst du mit ihm zu seiner Großmutter?«
Soraya hatte sich selbst schon gefragt, ob das eine gute Idee gewesen war, doch das wollte sie ihrer Schwester gegenüber nicht zugeben, und so erklärte sie: »Ich mache es, damit ich in Ruhe mit ihm reden kann. Es ist eine Autofahrt von zwei Stunden, in