Mia und der Erbe des Highlanders. Morag McAdams. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Morag McAdams
Издательство: Bookwire
Серия: Ian McLaren - der Berserker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958131972
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es wahrscheinlich egal, und sie wollte schnell Abstand zwischen sich und das unangenehme Gefühl bringen, das der Geruch dieses Mannes bei ihr hervorrief.

      Am späten Vormittag spürte Mia endlich, dass die Wirkung des Weidenrindentees eingesetzt hatte. Ihr Kopf fühlte sich nicht mehr so schwer an und der Druck wurde weniger. Endlich konnte sie an etwas anderes denken als nur stur ihrer Arbeit nachzugehen. Gemeinsam mit Mary erledigte sie die letzten Handgriffe im mittlerweile ordentlichen Zimmer der Wache, bevor sie mit vollen Körben über den Hinterhof in die Waschküche gingen.

      »Wo warst du eigentlich gestern Abend?«

      »Charlie hat mich zum Spaziergang ausgeführt.« Der Kopfschmerz war der Neugier gewichen, vor allem, weil Mary für ihre Verhältnisse einsilbig antwortete.

      »Soso. Charlie. Keine schlechte Wahl, würde ich sagen.« Charlie Stewart war der Sohn des Hauptaufsehers des Hofes und würde ihm bald auf diesen Posten folgen. »Wie ernst ist es ihm denn?«

      »Ach, sei still.« Mary war rot geworden. »Charlie ist, also, ich meine, er ist wunderbar. Höflich und nett und zuvorkommend, und ich glaube, er will mich heiraten. Er hat zwar noch nichts gesagt, aber, naja.«

      Mia lächelte traurig. Sie sehnte sich so sehr nach Fred, dass es wehtat. Es war, als fehlte ein Teil ihres Körpers, so sehr schmerzte sein Verlust. Sie durfte nicht darüber nachdenken.

      »So ernst ist es also?«

      »Ich glaube schon. Ich bin ja auch schon siebzehn und sollte bald heiraten. Ich will ja nicht so lange warten, bis mich keiner mehr will. Wenn ich erst zwanzig bin, wer weiß – oh.« Peinlich berührt verstummte Mary. Mia war sich sicher, dass die Freundin sie nicht kränken wollen hatte, und zuckte lediglich mit den Schultern. Ihre Ankunft in der Küche und der Beginn des Mittagessens enthob sie einer Antwort.

      Es war nicht gern gesehen, wenn Reste auf den Tellern blieben. In dieser Hinsicht glich Helen allen Köchen und Köchinnen. Mia war froh, ihren mangelnden Appetit auf die abklingenden Kopfschmerzen schieben zu können. Sie stocherte in ihrem Stück der Pastete herum. Der Einfachheit halber war der Fisch in der Füllung verarbeitet. Mia verabscheute den Geschmack nahezu jedes Speisefischs. Fischstäbchen waren wohl noch nicht erfunden, aber vielleicht käme Helen irgendwann auf die Idee, den freitäglichen Fisch in einem Mantel aus Bierteig zuzubereiten.

      Den Nachmittag verbrachte Mia in der Gesellschaft Frances’. Sie war als erfahrenste unter den Hausmädchen eine alte Jungfer, die wohl zeitlebens in Anstellung bleiben würde. Mia schätzte ihr Alter auf Ende dreißig. Strenge Falten um den Mund ließen sie älter wirken.

      Mit schweren Wassereimern und Bohnerwachs beladen führte sie der Weg in die Bibliothek. Staunend blieb Mia am Eingang stehen. Von einem kleinen Lesezimmer gingen mehrere Räume ab. Durch die offenen Türen konnte sie die Regalreihen sehen, die sich unter der Last zu biegen schienen. Im Leseraum fehlte die in den Wohnräumen allgegenwärtige blaue Tapete mit Blumenmuster. Stattdessen waren die Wände weiß gestrichen. Drei Ohrensessel standen um einen niedrigen Tisch, über dem der Kronleuchter passgenau angebracht worden war und auf dem ein Stapel in Leder gebundener Bücher lag. Mia wähnte sich im Paradies. Oder eher der Hölle, denn sie wusste, dass diese Schätze nicht für sie bestimmt waren. Sie schreckte aus ihrer Träumerei, als Frances mit fester Stimme »Mylord« sagte und knickste. Erst da bemerkte sie, dass in einem der Sessel Frederick saß. Sie erkannte sein helles, jungenhaftes Gesicht wieder. Sein verletztes Bein ruhte auf einem gepolsterten Schemel und er lächelte verhalten.

      »Mylord«, grüßte nun auch Mia. Sie wusste, was von ihr erwartet wurde, und brachte den Knicks irgendwie hinter sich. Es hatte nicht besser ausgesehen als auf dem Cosgailkirker Fest, doch den Sohn des Berserkers schien das nicht zu stören. Freundlich nickte er den Frauen zu, bevor er sich wieder seiner Lektüre zuwandte.

      Mia stellte ihren Eimer im rechten Bibliotheksraum ab. Staunend sah sie hoch zur Decke, an der ein Fresko angebracht worden war. Es zeigte eine Szene aus den Historien des Herodot: Der Richter Otanes wird durch die grausige Strafe, die seinen Vorgänger getroffen hatte, ermahnt, immer gerecht zu urteilen. Mia verzog das Gesicht. Sie hatte sich nicht gerecht behandelt gefühlt, als sie aus ihrem Leben herausgerissen worden war. Magie schien über allen Dingen zu stehen, was sowohl schrecklich als auch tröstlich war.

      In den Regalen standen die Bücher dicht an dicht. Die meisten waren in Leder gebunden und trugen den Titel eingeprägt auf dem Rücken, doch es gab auch Papierbände, die durch häufiges Lesen bereits Eselsohren aufwiesen. Was für ein Schatz lag hier vor ihr! Bücher, die im einundzwanzigsten Jahrhundert als antik galten, konnte sie hier in neuem, beinahe druckfrischem Zustand bewundern. Sie sog den Geruch nach Leder und Papier ein. Es war ein anderer Duft, als sie ihn aus den Bibliotheken ihrer Zeit kannte, doch es roch unverwechselbar nach Wissen und den Schätzen der Menschheit. Befangen streckte sie die Hand aus, um über die Buchrücken zu fahren. Das Gefühl, beobachtet zu wirken, beschlich sie, und ganz langsam, um nicht ertappt zu werden, drehte sie sich um. Frederick hatte sein Buch in den Schoß sinken lassen und sah sie an.

      Schnell zog sie die Hand zurück. Es stand ihr nicht zu, diese Bücher als Lesematerial zu begehren. Doch Frederick wirkte nicht erbost über ihre forsche Tat. Unverwandt sah er sie an, und Mia wurde mutig. Sie sah zu den Büchern und dann fragend zu ihm, und als er nickte, zog sie ganz behutsam einen Band aus dem Regal, auf dessen Rücken »The Pathfinder« eingeprägt war. Zärtlich fuhr sie über das Leder und schloss die Augen. Als sie das Buch aufschlagen wollte, hörte sie Frances im Nebenraum den Eimer abstellen und schrak zusammen. Schnell schob sie das Buch zurück an seinen Platz neben die anderen Bände des Autors. Sie war gerade fertig, als die Ältere schon in der Tür stand.

      »Würdest du bitte arbeiten!«, fauchte sie und Mia sah beschämt zu Boden. Sie wollte Frances nicht zur Last fallen, doch sie hatte sich nicht beherrschen können. Nun würde sie sich beeilen müssen, um die verlorene Zeit aufzuholen. Frances verschwand wieder und Mia sah auf. Noch immer wurde sie von Frederick beobachtet. Und dann geschah das Unerhörte. Er zwinkerte. Mia lief rot an und griff schnell nach Eimer und Bürste. Sie hob den Blick nicht wieder, bis sie den Boden von jedem Staubkörnchen befreit und gewienert hatte. Unterdessen war der Invalide aus dem Lesezimmer abgeholt worden.

      Sie hatte sich getäuscht. Sie musste sich getäuscht haben, denn das war die einzige Erklärung. Frederick konnte ihr nicht zugezwinkert haben, er durfte ihr nicht zugezwinkert haben. Bestimmt war es nur ein nervöses Zucken gewesen, und sein Lächeln hatte nicht ihr gegolten, sondern einem Gedanken, der ihm gekommen war.

      Einigermaßen überzeugt wandte sich Mia wichtigeren Fragen zu. Gleich würde sie wieder zu Sybilla gehen, und dieses Mal wollte sie Antworten auf ihre Fragen.

      Der Regen vom Vormittag hatte sich in ein leichtes Nieseln verwandelt. Mia schlang das Schultertuch fester um sich, während sie versuchte, den größten Pfützen auf dem Weg auszuweichen. Obwohl sie nur einmal im Cosgailkirk ihrer Zeit gewesen war, empfand sie die veränderte Landschaft als seltsam. Die Bäume waren dünner und nicht so hoch gewachsen, und es gab wesentlich mehr Unterholz. Die Wege waren schmaler und schlecht befestigt, mit Spurrillen der schweren Kutschen darin. In der Stadt waren die Straßen gepflastert, doch bereits in den äußeren Bereichen, in denen die Häuser der Arbeiter und die Bauernhöfe standen, gab es nur noch Schotterwege. Mias Schuhe scheuerten an der Ferse und sie sehnte sich nach Teerstraßen und sauberen Bürgersteigen.

      »Zieh deine Stiefel aus.« Eine Begrüßung schien ein fremdes Konzept für Sybilla zu sein. Mia störte sich nicht daran. Ihr war ohnehin nicht nach Höflichkeiten zumute.

      »Warum?«

      »Deine Füße sind wund und ich kann dir helfen.« Mia, die gerade ihr Schultertuch abnahm, hielt inne. »Jetzt schau nicht so erschrocken, ich habe dich kommen sehen. Du humpelst. Ich weiß zwar nicht, warum du passend gekleidet in dieser Zeit angekommen bist, aber ich erkenne, dass diese Schuhe nicht für dich gemacht worden sind.« Sie nahm ihr das gestrickte Tuch aus der Hand und bedeutete ihr, sich hinzusetzen. Mia gehorchte, weil sie nach den Ereignissen der letzten Tage keine Kraft mehr hatte, sich zu widersetzen.

      »Ich will doch nur in Frieden gelassen werden«, murmelte sie.

      »Das