Mia und der Erbe des Highlanders. Morag McAdams. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Morag McAdams
Издательство: Bookwire
Серия: Ian McLaren - der Berserker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958131972
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durch das eiserne Tor, vor dem die Wache stand. Mia fragte sich, ob der Mann eine Schutzfunktion für den Hof hatte oder nur aus Prestigegründen dort hinbeordert worden war. Immerhin waren die Wachen die einzigen, die den traditionellen Kilt trugen. Die Herrschaft und die Menschen am Ort hatten sich längst der Mode angepasst, die von England herüberkam. Doch diese Überlegung wurde unwichtig, als eine Gruppe junger Männer an ihr vorbeilief. In der lachenden Menge erkannte sie den unheimlichen Reiter wieder. Sie konnte sich ihre Angst vor dem grobschlächtigen Mann nicht erklären, doch sie begann zu zittern. Er wurde auf sie aufmerksam und blieb stehen. Wie gelähmt hielt auch Mia an. Er tat nichts, als sie anzustarren, während seine Freunde sich entfernten. Dann fletschte er die Zähne wie ein Raubtier, das sich über seine tödlich verwundete Beute beugte. Mia stockte der Atem und dann setzten ihre Reflexe endlich ein. Mit einem leisen Schrei rannte sie los und hielt nicht an, bevor sie den sicheren Schlafraum erreicht hatte.

      Mary war nicht da, und Mia war auf seltsame Weise erleichtert. Zwar sehnte sie sich nach der Sorge und dem Trost ihrer Freundin, doch sie wollte sich auch verkriechen und niemanden sehen. Es war noch nicht sehr spät, doch die anderen Mädchen waren bereits im Schlafraum. Sie boten das gewohnte Bild: Eine oder zwei von ihnen handarbeiteten, die anderen lagen oder saßen auf ihren Betten. Ein Bett war immer leer. Mary war wahrscheinlich noch mit Charlie unterwegs. Dieser Gedanke ließ Mias Augen erneut feucht werden. Sie begrüßte kurz die anderen, darauf hoffend, dass niemand ihren aufgewühlten Gemütszustand bemerkte, wusch sich schnell an dem kleinen Becken und zog sich dann in ihr Bett zurück. Der Tag, der nicht unbedingt schlecht angefangen hatte, war am Ende voller böser Überraschungen gewesen. Nun musste sie nicht nur in einer Zeit leben, in die sie nicht gehörte, sie hatte auch ihren Liebsten verloren. Doch vor allem hatte Mia Angst, Angst vor der Zukunft, vor dem unheimlichen Mann, Angst um sich. Unter ihrer Decke weinte sie bittere Tränen, bis sie schließlich einschlief.

      Emotional und körperlich erschöpft schlief sie bis zum Morgen. Sie erwachte mit stechenden Kopfschmerzen. In ihrem Schrankabteil suchte sie nach Tabletten, bis ihr einfiel, dass sie im Jahr 1843 keine Medikamente unter ihren Habseligkeiten finden würde, erst recht nicht, wenn die Dinge, die sie gerade durchwühlte, ursprünglich jemand anderem gehört hatten. Also biss sie die Zähne zusammen und hoffte, dass der Schmerz durch viel Trinken und frische Luft vergehen würde. Sonst müsste sie doch noch in der Apotheke nach einem Mittel fragen.

      Vor dem Waschtisch drängten sich bereits Frances, Mary und Elspeth, also schlüpfte Mia zuerst in ihr blaues Kleid, das sie bereits am Vortag getragen hatte. Der doppelte Unterrock aus festem Stoff war nicht so unangenehm zu tragen wie das Ungetüm, das zu dem edlen gelben Kleid gehörte, doch Hosen wären ihr trotzdem lieber gewesen. Die Kleider gehörten den Mädchen, doch die Schürzen, die in allen Schattierungen von gelb gehalten waren, nahmen sie aus dem Fach für den Allgemeinbedarf.

      Beim Frühstück umklammerte Mia ihre Tasse, während sie Marys prüfende Blicke auf sich spürte. Es regnete in Strömen, und statt ihren Tee zu trinken, starrte sie aus dem Fenster. Es schien, als hätte sich das Grau der Regenwolken ihrer Stimmung angepasst. Das Sprichwort von dem alten Baum kam ihr in den Sinn und sie senkte den Blick auf ihre Tasse, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen.

      »Morgen und am Sonntag bist du nicht hier, oder?«, fragte Mary leise von der anderen Seite des Tisches. Mia nickte stumm. Sie verließ sich dabei auf das, was ihre Freundin sagte. Zwar wusste sie, dass ihr für sechs Arbeitstage zwei freie Tage zustanden und dass sich die Mädchen in einem festgelegten Rhythmus abwechselten, doch sie hätte weder sagen können, wann sie an der Reihe war, noch wer den Dienstplan erstellte. Dass sie nur Teile von Emmas Erinnerungen hatte, war anstrengend. Wie viele Fettnäpfchen hielt der Tag wohl für sie bereit?

      Mit mürrischem Gesicht trank Mia einen Schluck des mittlerweile lauwarmen Tees. Nur mit Mühe hielt sie sich davon ab, das schwache Gebräu wieder auszuspucken. Morgen würde sie sich beeilen und den Tee wenigstens heiß trinken, dessen war sie sich sicher.

      Der Gedanke an die Zukunft ließ Mia hart schlucken. Sie gehörte nicht in diese Dienstkleidung, nicht in das Schloss, nicht in diese Zeit. Gegen ihren Willen war sie hergebracht worden wie eine Gefangene. Sie war in eine Rolle gesteckt worden, die ihr nicht entsprach. Sie wusste nicht, ob sie darauf hoffen sollte, dass ihr schauspielerisches Können ausreichte. Vielleicht hatte ja irgendjemand oder irgendetwas ein Einsehen und schickte sie zurück nach Hause, wenn sie sich zu dumm anstellte.

      »Das wird dir sicherlich guttun.« Mary stand auf und riss sie aus den trüben Gedanken. Es war Zeit, an die Arbeit zu gehen. Sie verzog das Gesicht und rieb sich oberhalb der Nasenwurzel über die Stirn, um den Druck in ihrem Kopf zu lindern.

      »Hast du noch immer Kopfschmerzen?« Stumm nickte sie. Schon wieder oder noch immer, es machte keinen Unterschied, sie fühlte sich elend. Mitfühlend strich ihr Mary über das Haar.

      »Ich habe noch einen Rest Weidenrinde in meinem Schrank, die kann Helen für dich aufkochen. Kannst du denn arbeiten? Den Tee zu machen dauert fast eine halbe Stunde, so lange kannst du nicht warten. Entweder man ist krank oder man kann arbeiten, sagt Mr Stewart immer. Wir fangen jetzt mit unserer Runde an, und du kannst kurz in die Küche gehen, wenn der Tee gezogen hat und du ihn trinken kannst, in Ordnung? Danach fühlst du dich bestimmt besser. Der Doktor ist schrecklich teuer, den können Leute wie du und ich nicht so leicht bezahlen. Mein Vater erzählt immer davon, wie es war, als unsere Familie noch wohlhabend war. Die Dougals hatten Land, Vieh und Leute, die für sie arbeiteten. Meine Ahnin war sogar eine McLaren, wusstest du das? Aber das alles ist schon so lange her, dass selbst mein Vater es nur noch aus den Geschichten seines Großvaters kennt, und wir müssen jetzt so hart arbeiten wie alle anderen auch. Jetzt gibt es nur noch die Buchanans und die McLarens.« Mary hielt sich die Hand vor den Mund. »Ich rede schon wieder zu viel, entschuldige.«

      Ohne auf eine Antwort zu warten lief sie aus der Küche und kam mit einem kleinen Päckchen zurück, das sie Helen reichte. Die Köchin nickte ihnen zu, als sie die Küche verließen, und machte sich bereits daran, die Weidenrindenstückchen in kaltem Wasser anzusetzen.

      Mary schien zu spüren, dass Mia weder reden noch zuhören wollte. Die beiden jungen Frauen arbeiteten leise und mit gut aufeinander abgestimmten Handgriffen. Mia war dankbar für das Verständnis und dafür, dass sie ihr die anstrengenderen Aufgaben abnahm. Nach einer knappen Stunde hatte Mia alle Oberflächen und Spiegel in den Herrschaftszimmern geputzt. Dann griff sie sich die schmutzige Wäsche und machte sich auf den Weg in die Waschküche, bevor sie bei Helen ihren Heiltee trank. Es würde eine Weile dauern, bis er wirkte, doch Mia wollte sich keine Pause gönnen. Die Zimmer der Herrschaft waren an diesem Morgen schnell in Ordnung gebracht und sie traf Mary in den unteren Quartieren des linken Flügels wieder, in dem die höhergestellten Bediensteten ihre Unterkunft hatten.

      Sie wusste aus Erfahrung, dass die mittlere Gesellschaftsschicht in Zimmern, die nicht von den Bewohnern selbst in Ordnung gehalten wurden, dazu neigte, viel Schmutz und Chaos zu hinterlassen. Oft schon hatte sie sich darüber geärgert, wenn sie in ein unaufgeräumtes Zimmer im Hotel kam, bei dem sie erst den Boden hatte freiräumen müssen, bevor sie mit dem Staubsauger die vielen Krümel des auf dem Zimmer eingenommenen Abendessens entfernen konnte. Die Quartiere der Wache bestätigten ihre Vorahnung. Noch immer mit Kopfschmerzen machte sie sich daran, die dreckigen Uniformjacken vom Boden aufzulesen und in den Korb für die Wäscherei zu legen. Vier Männer teilten sich den Raum, doch anders als bei den Hausmädchen waren Paravents aufgestellt, sodass sie wenigstens etwas Privatsphäre genießen konnten. Den Bettlaken nach zu urteilen nutzte der eine oder andere dies vollkommen aus. Mia verdrehte die Augen und bereute es sofort, als der Kopfschmerz wieder stärker wurde. Sie bezweifelte, dass alle Männer so waren. Bei Fred hatte sie nie Spuren in der Bettwäsche entdeckt. Allerdings musste sie zugeben, dass sie die noch nicht oft und nicht von nahem gesehen hatte.

      Von einem der Betten mit den angetrockneten Resten männlicher Befriedigung ging ein Geruch aus, der nicht an und für sich unangenehm war, Mia jedoch zurückzucken ließ. Sie kannte dieses Gemisch aus Duftwasser, Holzfeuer und Mann, und sie verband keine angenehme Erinnerung damit. Doch wieder fehlte das letzte Puzzleteil aus Emmas Wissen, und Mia fand keine Erklärung. So schnell wie möglich bezog sie das Bett neu. Das