Nur den Tapferen. Морган Райс. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Морган Райс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Серия:
Жанр произведения: Детская проза
Год издания: 0
isbn: 9781094310497
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konnte. Selbst die stärksten, schnellsten und gefährlichsten Männer konnten es allein nicht mit mehr als ein paar Feinden gleichzeitig aufnehmen, denn es gab schlicht zu viele Winkel, durch die die feindlichen Klingen zu ihnen dringen konnten.

      „Ich werde einen Weg finden, etwas zu unternehmen“, sagte Royce. Er wurde etwas langsamer und bewegte sich jetzt mit mehr Vorsicht durch den Wald. Er versuchte, die Ruhe des Waldes auf diesem Wege so wenig wie möglich zu stören. Er konnte nun die Vögel und Tiere hören. Was ihm zuvor wie eine riesige leere Stille vorgekommen war, entpuppte sich jetzt als eine Landschaft aus Geräuschen, die alles auszufüllen schienen.

      Was konnte er tun? Sein erster Instinkt war es gewesen, so schnell wie möglich loszulaufen, dorthin, wo kein Mensch mehr lebte und das Reich der Picti begann. Er hatte darüber nachgedacht, zu verschwinden, einfach zu verschwinden, denn was hielt ihn noch in dieser Welt?

      Seine Gedanken flogen kurz zu Genoveva und dem Moment, in dem sie vom Rand des Grabens scheinbar vollkommen gleichgültig zu ihm hinabgestarrt hatte. Er drängte dieses Bild zur Seite, denn er wollte jetzt nicht an Genoveva denken. Was sie getan hatte, schmerzte zu sehr. Warum sollte er also nicht dorthin verschwinden, wo kein Mensch mehr lebte?

      Ein Grund war Mark. Sein Freund war im Graben verwundet worden, doch ob Mark tatsächlich tot war, hatte Royce nicht feststellen können. Ein Teil von ihm wollte glauben, dass Mark irgendwie überlebt hatte, schließlich hatte man die Spiele ziemlich abrupt abgebrochen. Würde der Adel nicht einen weiteren Kampf mit ihm sehen wollen, wenn dies möglich war? Würden sie seinen Freund nicht so lange wie möglich zu ihrer eigenen Vergnügung ausbeuten wollen?

      „Er muss noch am Leben sein“, sagte Royce, „er muss es einfach.“

      Selbst in seinen eigenen Ohren klang das so, als wollte er sich damit selbst überzeugen. Royce schüttelte den Kopf, und während er versuchte, sich zu orientieren, setzte er seinen Weg durch den Wald fort. Er hatte das Gefühl erst etwas unternehmen zu können, wenn er zuhause angekommen war. Er würde das Dorf finden, und dann, wenn er einmal in Sicherheit war, würde er einen Plan machen. Er würde entscheiden, ob er die Flucht ergreifen, Mark finden oder eine Armee, die es mit der des Herzogs aufnehmen konnte, zusammenstellen sollte.

      „Vielleicht denke ich mir auch einfach irgendwas aus“, sagte Royce während er weiter rannte. Er bewegte sich jetzt mit der Geschwindigkeit eines flüchtenden Tieres fort. Dabei lief er leicht gebückt und hielt sich an das dicke Blattwerk der Bäume ohne dabei Geschwindigkeit einzubüßen.

      Er kannte den Wald und all die Pfade, denn er hatte mehr Zeit als genug mit seinen Brüdern hier verbracht. Sie hatten einander durch den Wald getrieben und kleine Tiere gejagt. Jetzt war er der einzige, der getrieben und gejagt wurde und versuchte, einen Weg zu finden, sich aus seiner Lage zu befreien. Er war sich ziemlich sicher, dass er sich in der Nähe eines Jagdreviers befand, das ihn an der Hütte eines Köhlers vorbei zu einem kleinen Fluss und schließlich zu seinem Dorf führen würde.

      Royce schlug diese Route durch das Unterholz ein und wurde durch ein entferntes Geräusch aus seinen Gedanken gerissen. Es war nicht laut, aber es war da: das Geräusch von Füßen, die sich mühelos über den unebenen Boden bewegten. Ihm wäre das gar nicht aufgefallen, wenn er nicht mit seinen Brüdern so viel Zeit in diesen Wäldern verbracht hätte oder auf der Roten Insel gelernt hätte, dass überall Gefahren lauern konnten.

      „Warte ich hier oder soll ich mich verstecken?“ fragte er sich selbst. Er konnte nur eine einzige Person hören, und diese klang nicht einmal wie ein Soldat. Die Schritte eines Soldaten wurden vom Klacken ihrer Stiefel begleitet, dem Klappern der Rüstung und dem Schaben von Speergriffen über den Boden. Diese Schritte waren jedoch ganz anders. Wahrscheinlich war es nur ein Bauer oder Weidmann.

      Dennoch verließ Royce den Pfad und hockte sich in den Schatten eines Baumes, dorthin, wo Wurzeln eine Art natürlichen Schild bildeten, der wahrscheinlich Tieren beim Einbruch der Nacht Schutz bot. Einige der Äste hingen so tief, dass Royce sie zu sich herabziehen konnte, um so die Sicht auf ihn zu blockieren während er selbst den Weg im Auge behalten konnte. Er ging in die Hocke und stellte sich mucksmäuschenstill ohne dabei seine Hand zu weit vom Griff seines Schwertes zu entfernen.

      Als Royce die Person erblickte, die sich ihm über den Pfad näherte, wäre er beinahe aus seinem Versteck getreten. Der Mann schien weder bewaffnet zu sein noch eine Rüstung zu tragen. Die dunkelgraue Seide, in die er gehüllt war, verschleierte jegliche Körperkontur. Auch seine Füße steckten in grauen Sandalen, deren Schnüre ihm bis über die Knöchel reichten. Doch etwas hielt ihn zurück, und als der Mann noch näher kam, konnte Royce sehen, dass seine von violetten und roten Kreisen und Symbolen überzogene tätowierte Haut ebenso grau war, so als hätte jemand keine andere Unterlage zur Verfügung gehabt, einen verrückten Text niederzuschreiben.

      Royce hatte keine Ahnung, was all diese Zeichen zu bedeuten hatten, doch etwas an diesem Mann erschien ihm auf eine nicht zu bestimmende Art gefährlich. Plötzlich war er froh, dass er sein Versteck nicht verlassen hatte. Er hatte das Gefühl, dass, wenn er auf dem Pfad geblieben wäre, ein Konflikt nicht ausgeblieben wäre.

      Er spürte, wie seine Hand den Griff des Schwertes fester umfasste, der Drang zurück auf den Pfad zu springen war ungebrochen. Royce zwang sich, seine Hand locker zu lassen und erinnerte sich an die tödlichen Fallen auf der Roten Insel. Diejenigen Jungen, die gedankenlos losgerannt waren, hatten ihr Leben verloren, noch bevor Royce hatte versuchen können, sie in Sicherheit zu bringen. Das hier fühlte sich genauso an. Er hatte keine Angst, doch gleichzeitig konnte er spüren, dass dieser Mann alles andere als harmlos war.

      Das Klügste, was er jetzt tun konnte, war, weiter still im Dickicht sitzen zu bleiben und die Luft anzuhalten.

      Doch da blieb der Mann stehen und legte den Kopf schief, als hätte er etwas gehört. Royce sah, wie der Fremde sich hinkniete und die Stirn runzelte nachdem er mehrere Gegenstände aus seiner Tasche gezogen und sie auf den Boden geworfen hatte.

      „Du hast Glück gehabt“, sagte der Fremde ohne dabei aufzusehen. „Ich töte nur jene, die das Schicksal mir aufträgt, zu töten, und die Runen sagen mir, dass die Zeit für unseren Kampf jetzt noch nicht gekommen ist, Fremder.“

      Royce schwieg weiterhin während der Fremde seine Steine wieder einsammelte.

      „Es gibt einen Jungen, der sterben muss, weil das Schicksal es verfügt hat“, sagte der Mann. „Dennoch sollst du meinen Namen erfahren und wissen, dass uns das Schicksal letzten Endes alle holt. Ich bin Dust, ein Angarthim von den Todesorten. Du solltest jetzt gehen. Die Runen sagen, dass viel Tod deinen Weg begleiten wird. Oh, und lauf nicht auf diesem Wege zum Dorf“, fügte er wie einen nachträglichen Gedanken hinzu. „Ein großer Trupp Soldaten war gerade auf dem Weg dorthin als ich aufbrach.“

      Er stand auf, klopfte sich ab und ließ Royce, der noch immer in seinem Versteck hockte, zurück. Royce atmete schwer, auch wenn er nichts weiter getan hatte, als sich zu verstecken. Diese Fremde hatte etwas an sich, das ihm über die Haut zu kriechen schien, etwas stimmte mit ihm nicht, doch war Royce nicht im Stande zu sagen, was genau.

      Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, hätte Royce wohl noch länger dort gehockt, um sicherzugehen, dass von dem Mann keine weitere Gefahr ausging. Doch in dieser Situation hatten die Worte des Fremden mehr Gewicht. Wenn Soldaten auf dem Weg zu seinem Dorf waren, dann konnte das nur eines bedeuten...

      Er rannte wieder los, schneller als je zuvor. Zu seiner Rechten tauchte nun die Hütte des Köhlers auf. Rauch stieg hinter der Hütte auf, sodass davon auszugehen war, dass er bei der Arbeit war. Ein Pferd, das so aussah als wäre es gewohnt, einen Karren zu ziehen und nicht geritten zu werden, stand an einem kleinen Pfahl angebunden vor dem Haus. Im Haus war es still, und an jedem anderen Tag hätte Royce sich vielleicht darüber gewundert oder hätte nach dem Köhler gerufen, um ihn zu überzeugen, ihm sein Pferd zu leihen.

      Doch heute hatte er dafür keine Zeit. Er durchschnitt den Strick, sprang auf und gab dem Pferd die Sporen. Es kam ihm beinahe wie ein Wunder vor, dass das Tier wusste, was von ihm erwartet wurde. Es galoppierte los während Royce sich an seinen Hals klammerte und hoffte, dass es noch nicht zu spät