Als dieser erfahrne Advokat bei Jones dadurch Mitleiden genug erregt, da er ihm die arme Molly in allen Umständen des Jammers vorgemalt hatte, rief er sehr listig eine andre Leidenschaft zur Hilfe herbei und stellte die Dirne dar in allen lieblichen Farben der Jugend, Gesundheit und Schönheit und als einen wünschenswerten Gegenstand der Begierden, und das um so mehr, wenigstens für ein gutes Gemüt, weil sie zu gleicher Zeit ein Gegenstand des Mitleids war.
Unter diesen Gedanken brachte der arme Jones eine lange schlaflose Nacht zu und des Morgens fiel das Resultat von allen dahin aus, daß er bei seiner Molly bleiben und nicht weiter an Sophie denken wolle.
In dieser tugendhaften Entschließung beharrte er den ganzen folgenden Tag bis zum Abend, indem er der Idee von Molly liebkoste und die von Sophie aus seinen Gedanken verbannte; allein an dem fatalen Abend machte ein an sich geringer Zufall seine ganze Leidenschaft wieder flott und bewirkte eine so gänzliche Veränderung in seiner Seele, daß wir es für wohlanständig erachteten, solchen in einem frischen Kapital mitzuteilen.
Viertes Kapitel.
Ein kleines Kapitel, worin ein kleiner Zufall erzählt wird.
Unter manch andern Besuchen der Freunde, die dem jungen Manne in seiner Einsamkeit ihre Höflichkeit bezeigten, war auch Jungfer Honoria. Der Leser, wenn er einige Ausdrücke in Erwägung zieht, welche ihr vorhin entfielen, mag vielleicht meinen, sie habe selbst eine persönliche Neigung für Herrn Jones unterhalten, im Ernste aber, daran war nichts. Tom war ein wohlgebildeter junger Bursche und Jungfer Honoria hatte so einiges Gefallen an solchem Schlage von Mannspersonen, aber das war völlig in Bausch und Bogen, ohne alle Aussonderung. Denn nachdem es ihr einmal mit einer Liebesangelegenheit schief gegangen war, darein sie mit dem Lakaien eines vornehmen Herrn verwickelt worden, der sie böslicherweise verlassen, nachdem er ihr ein Eheversprechen gethan hatte, so hatte sie die zerbrochenen Reste ihres Herzens so sorgfältig bewahrt, daß seitdem keine lebendige Mannsperson vermögend gewesen war, sich nur eines einzigen Scherbens davon zu bemächtigen. Sie beäugte alle wohlgemachten Mannspersonen mit der gleichschwebenden, temperierten Gefälligkeit und dem Wohlwollen, welches ein bedächtlich tugendhaftes Gemüt gegen alles Gute hat. – Man hätte sie allerdings eine Freundin der Menschenväter, wie den Sokrates einen Freund der Menschenkinder nennen können, indem sie einen dem andern wegen körperlicher, so wie er wegen geistiger Eigenschaften vorzog; aber diese Vorliebe ging bei ihr doch niemals so weit, daß sie eine Verdunkelung der philosophischen Heiterkeit ihrer Gemütsart hätte bewirken können.
Den Tag darauf, als Jones den harten Kampf mit sich selbst gekämpft hatte, welchem wir im vorigen Kapitel zugesehen hatten, kam Jungfer Honoria in sein Zimmer, und da sie ihn allein fand, redete sie ihn folgendermaßen an: »Nu, Herr Junker von Jon's, was mein's, wo 'ch gewest bin? Wett'n will 'ch, daß Sie's in hundert Jahr'n nicht raten; doch, 's hilft nichts; wenn Sie's auch rat'n thät'n, darf ich's doch nicht sag'n.« – »Je nun, wenn es etwas ist, das Sie mir nicht sagen darf,« sagte Jones, »so werde ich wohl so neugierig sein, mich zu erkundigen, und ich weiß, so barbarisch ist Sie nicht, Kind, daß Sie mir's abschlagen sollte.« – »Weiß nicht,« ruft sie, »warum ich's auch eb'n abschlag'n sollt', was die Sach' anlangt; denn, mein' Ehr' wollt' ich wohl wetten, Sie sag'ns nemand wied'r. Und, was die Sach' anlangt, – wenn Sie nicht wüßt'n, was 'ch g'macht hab', und warum, und wozu; nu! so wär 's auch noch nicht viel. Aber, was ist's denn auch? Ich seh' nicht ab, w'rum 's ein Geheimnis sein soll? Ich nicht! denn, mein'r Ehr, 's ist die beste Frölen von der Welt.« Bei diesen Worten fing Jones an, sehr ernstlich zu bitten, sie möchte ihm ihr Geheimnis anvertrauen, und versprach Ehre und Treue, es nicht weiter zu sagen. Sie fuhr also weiter fort. »Nun, Herr Junker müssen denn wissen, meine Frölen hat mich hingeschickt, nach Molly Seegrims nachzufrag'n, und zu sehn, obs Weibsstück was mangeln möcht'. – Nun, 'n Gang zur Hochzeit, kam's mir vor, war's nicht; aberst, mein'r Ehr, uns'r Ein'r muß ja leicht thun, was 'd Herrschaft hab'n will. – Aberst – Herr Junker Jones, wie konnt's sich so wegwerf'n, Herr Junker Jones? – Aberst, was wollt' ich sagen? Ja! meine Frölen, sagt' mir, ich sollt' hingehn und ihr Linn'nzeug und so Sachen hinbringen. – 'S ist gar zu gut! – Wenn so ausverschämmte Menscher nachs Spinnhaus wanderten, besser wär's für sie. Ich sagte zur gnädig'n Frölen: Gnäd'g Vrölen, sagt' ich, 'R Gnad'n stärken's in'r Hüppigkeit.« – »Ach, war meine Sophie so gütig?« sagte Jones. – »Meine Sophie! Seht doch! was mir bisse!« antwortete Honoria. »Und doch! ja freilich, wenn der Herr Junker all's wüßten. – Mein'r Ehr' und Treu! Wenn ich Junker Jon's wär', ich wollte mein' Nas' ein bißchen höher tragen, als nach so 'ner Bakasche, als 're Molly Seegrims!« – »Was will Sie damit sagen: wenn ich alles wüßte?« unterbrach sie Jones. – »Ich meine, was 'ch meine,« sagte Honoria. »Wissen's noch, als Sie 'n Mal Ihre Händ' in mein Frölens Muff steckten? Mein'r Ehr, ich wär's kumpabel zu verzählen, wenn 'ch gewiß wüßt', daß mein Frölen nichts wied'r davon zu hör'n kriegte.« – Thomas that ihr hierauf vermiedene Beteurungen; und die Zofe fuhr fort: »Nun so, wie 'ch sage, mein Frölen gab mir die Muffe, und denn, hernach, als sie 'rfuhr, was Sie gethan hätt'n –« »Sie sagte ihr also, was ich gethan hatte?« fiel Jones ein. »Ja wohl, sagt' ich's, Herr Junker,« antwortete sie: »brauch'n mir drüber gar nicht bös' zu sein. Mancher Mann hätt' seinen Kopf drum gegeb'n, daß 'n's 'R Gnaden gesagt hätt', wenn 's gewußt hätt'n. – Aberst, mein'r Ehr, nun hab' ich groß Lust 's Ihnen nicht zu sag'n.« Jones legte sich aufs Bitten und erlangte bald von ihr, daß sie folgendergestalt fortfuhr: »Nun meinthalben! So müß'n 's denn wissen, daß Frölen den Muffe mich gegeb'n hatte. Aberst, ein Tag oder zwo hernach, als ich'r die Historie erzählt hatte, war 'r ihr Muffe nicht zu Danke; und doch ist's die prächtigste Muff, die'n mir sehn kann. Norchen, sagt sie, dies ist 'n dumme Muffe, 's ist mir zu weit. Ich mag's nicht tragen. Bis 'ch 'ne andre kriege, muß Sie mich die andre wiedergeben. Sie kann diese davor hinnehmen; denn 's ist 'ne liebe Frölen, die nicht bald giebt, bald nimmt, das glauben Sie nur. So, was hatt' ich zu thun? ich holt 's er wieder her, und, ich glaube, sie hat's nachhermals fast Tag und Nacht uf ihren leibhaftigen Arme, und glaub'ns mir, mein'r Ehr, Sie hat ihr'n manchen Kuß gegeb'n, wenn's kein Mensch gesehn hat.«
Hier ward das Gespräch von Herrn Western selbst unterbrochen, welcher kam, Jones zum Klavier abzurufen, wohin der arme junge Mensch, ganz blaß und zitternd, mitging. Western bemerkte es zwar, allein wie er Jungfer Honoria gewahr ward, schob er's auf eine falsche Ursach; und nachdem er dem Jones, halb im Scherz und halb im Ernste, einen derben Fluch an den Hals geworfen, sagte er, er solle hübsch ein guter Weidmannsgesell sein und sein eigenes Revier hübsch rein halten.
Sophie schien diesen Abend schöner zu sein als gewöhnlich; und wir dürfen immer glauben, es habe, in Jones' Augen, ihrer Schönheit keinen geringen Zuwachs gegeben, daß sie nun eben gerade den Muff an ihrem rechten Arme haben mußte.
Sie spielte eben eins von ihres Vaters Leibstückchen, und Jones stand und lehnte sich auf ihren Stuhl, als ihr der Muff herunter auf die Finger glitschte und sie am Spielen hinderte. Das war dem alten Junker so ärgerlich, daß er ihr den Muff wegriß und ihn mit einem derben Fluche ins Feuer warf. Sophie sprang augenblicklich auf und rettete ihn mit der äußersten Geschäftigkeit aus den Flammen.
Obgleich