So lange bis der berühmte Karminmacher in Helmstädt kein schöneres Rot erfindet, sag' ich kein Wort von der Farbe auf Sophiens Wangen bei dieser Gelegenheit. »Nore,« sagte sie. »Ich – wenn Sie das mir niemals wieder sagen will, – noch sonst einem lebendigen Menschen, so will ich Sie nicht verraten – böse will ich nicht darüber werden, mein' ich; aber ich fürchte Ihre Zunge. Warum, gutes Mädchen, gibt Sie ihr so freien Lauf?« – »Ach, sehn Sie nur, Gnädigs Frölen, ich wollt' mir lieber die Zung' abbeissen, als 'R Gnaden bös machen. – Mein'r Ehre! mein Lebstage will 'ch 'R Gnaden wieder kein Wort darvon sag'n, wenn 's nicht haben woll'n.« – »Gut dann! Ich wollte, daß Sie mir nichts wieder davon erwähnte!« sagte Sophie, »denn es möchte meinem Vater zu Ohren kommen, und der würde Herrn Jones darüber böse werden; ob ich gleich wirklich glaube, wie Sie sagt, daß der gute Mensch nichts weiter dabei meinte. Ich würde selbst böse werden, wenn ich mir es anders einbildete.« – »Näh! Gnädigs Frölen, ich glaub, mein'r Ehr, er meinte nichts dabei,« sagte Honoria. »Ich dacht', 'r spräche so, als ob er nicht bei Sinnen wär'. Ja, er sagt' auch, er meint', er sey ganz allein, Mutter-Seelen allein, als er die Worte gesproch'n hätte. Ach, ja! Herr Junker, sag' ich, das glaub' ich auch. – Ja, gewiß, Mansell Honoria, sagt ähr, – Aberst, ich bitt' 'R Gnad'n um Verzeihung; ich könnt' mir die Zung' aus'm Hals reissen, wenn 'ch mein Frölen böse machte.« – »Fahre Sie nur fort,« sagte Sophie: »Sie kann alles erzählen, was Sie nicht schon bereits gesagt hat.« – »Ja, gewiß, Mansell Honoria, sagt' er, (dies war ein Zeitlang hernach, als er mir die Krone gegeben hatte) ich bin wed'r ein solcher Hasenfuß noch ein solcher Schelm, daß 'ch in ein'r andern Rückensicht auf sie denken sollt', als an mein' Göttin; nur, als mein' Göttin will 'ch sie anbäten und verehren, so lang' ich Athen habe. – Das war's all, 'R Gnad'n; drauf kann ich drei aus fünfen ziehn, sonst besinn' ich mir nichts mehr: Ich ärgerte mich selbst nicht wenig, über'n, bis 'ch sah, er meint's nicht böse.« – »Nun wohl, Nore,« sagte Sophie, »ich glaube wirklich, Sie ist mir im Ernst zugethan! Ich war neulich ein wenig aufgebracht, als ich Ihr den Dienst aufsagte; wenn Sie aber Lust hat zu bleiben, so mag Sie.« – »Auf mein' Ehr, Gnädige Frölen,« sagte Honoria, »mir soll's nicht in Sinn komm'n, 'R Gnaden zu verlassen. Sicherlich, ich hab' mir fast die Aug'n aus'n Kopf geweint, als 'R Gnad'n mir aufsagt'n. Ich müßt' wohl sehr undankbarlich seyn, wenn' ich Lust hätt' 'R Gnaden zu verlassen, weil' ich, so zu sag'n, all' mein Lebstag kein'n so guten Platz wieder kriegte. Bei mein'r Ehr! Ich wollt' mit 'R Gnad'n leben und sterben – denn, wie der arme Herr Junker Jon's sagt: glücklich ist der Mann –«
Hier unterbrach die Glocke aus dem Eßsaal eine Unterredung, welche dergestalt auf Sophie gewirkt hatte, daß sie vielleicht ihrem Aderlassen des Morgens mehr zu verdanken hatte, als sie wohl damals vermutet hätte. Was ihre gegenwärtige Lage des Gemüts anbetrifft, werd ich mich an Horazens Regel halten und es nicht unternehmen, sie zu beschreiben, weil ich verzweifle, daß es mir gelingen möchte. Die meisten von meinen Lesern werden sich solche selbst leicht denken können, und die wenigen, welche dazu nicht im stande sind, würden das Gemälde nicht verstehen, oder wenigstens leugnen, daß es natürlich wäre, es möchte übrigens noch so richtig getroffen sein.
Fünftes Buch.
Enthält einen Zeitraum von etwas mehr als einem halben Jahre.
Erstes Kapitel.
Ueber die ernsthafte Schreibart und zu welchem Endzwecke solche eingeführt worden.
Es kann sich leicht ereignen, daß keine Teile dieses stupenden Werkes dem Leser, beim Studieren desselben, weniger Vergnügen gewähren, als gerade diejenigen, welche seinem Verfasser in der Ausarbeitung die größeste Mühe gekostet haben. Hierunter mögen wahrscheinlicherweise diese Einleitungsversuche gerechnet werden, welche wir den in jedem Buche enthaltenen Geschichtsmaterien vorangesetzt haben, und welche, nach unsrer Entscheidung, dieser Art von schriftstellerischen Werken, der wir uns selbst an die Spitze gestellt haben, wesentlich notwendig sind.
Von dieser unsrer Entscheidung irgend eine Ursache anzuführen, halten wir uns eben nicht verbunden; da es mehr als hinlänglich ist, daß wir es als eine, bei allen prosaisch-komisch-epischen Schriften notwendige Regel festgesetzt haben. Wer hat jemals nach den Ursachen jener genauen Einheit der Zeit und des Orts gefragt, welche jetzt in der dramatischen Dichtkunst für so wesentlich nötig angenommen wird? Welchen Kunstrichter hat man jemals befragt, warum ein Schauspiel nicht ebenso gut die Dauer von zwei Tagen als von einem umfassen könne? Oder warum das Auditorium (vorausgesetzt, daß es, wie die Domherren in ihren Stiftern, auf Landesunkosten reise) nicht ebensowohl fünfzig, als fünf Meilen von dannen entrückt werden dürfe? Hat irgend ein Kommentator wichtige Ursachen für die Grenzen aufgefunden, welche ein alter Kritikus dem Drama gesetzt hat, vermöge welcher solches aus nicht mehr oder weniger als fünf Akten bestehen soll? Oder hat irgend einer von unsern jetzt lebenden Kritikern es zu erklären versucht, was die modernen Richter unsrer Theater mit dem Worte Niedrig für eine Meinung verknüpfen? Wodurch es ihnen unterdessen glücklicherweise gelungen ist, alle wahre Laune von der Bühne zu verdrängen und das Schauspielhaus zu einem ebenso langweiligen Orte zu machen, als eine fürstliche Antichambre! Bei all dergleichen Gelegenheiten scheint die Welt eine Maxime aus der Jurisprudenz angenommen zu haben, welche heißt: Cuicunque in arte sua perito credendum