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Reicht die Quantenphysik bis in die Biologie?
Wissenschaftler meinen, dass sogar in der DNA quantenphysikalische Prozesse wirken. Das Erbgut ist ein langer molekularer Faden, auf dem vier Basen aneinandergereiht sind. Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin. Dabei kuscheln sich Adenin mit Thymin und Cytosin mit Guanin zusammen. Die Informationen für all unsere Organe stecken in dieser Reihenfolge. Der Faden ist zu einer Spirale aufgezwirbelt, was der Stabilität dient, den Kopiermechanismus aber kaum beeinflusst. Diese Blaupause funktioniert nach dem Reißverschlussprinzip. Der Zipp wird geöffnet, und jeder Strang bildet einen weiteren Abbildstrang von sich selbst.
Möglicherweise verbirgt das Leben auch in seinem Erbgut Quantengeheimnisse, die noch nicht gelüftet werden wollen und die den Verstand tunlichst foppen. Ich seh, ich seh, was du nicht siehst! Trotzdem prägen sie unseren Organismus. Beim Kopieren der DNA müssen sich die Moleküle fest aneinanderschmiegen, damit jene Kräfte, die auf winzige Distanz wirken, ins Spiel kommen.
Solche Kräfte sind schon lange bekannt. Sie könnten über die Quantenmechanik erklärt werden: Wie man es heute oft formuliert, müssen die Moleküle entangled sein. Schrödinger hat das ursprünglich »verschränkt« genannt. Dass das Sprachgenie Schrödinger da kein schöneres deutsches Wort finden konnte, kommt nicht von ungefähr. In der Umgangssprache ist diese Eigenschaft nicht ausdrückbar, denn die Gegenstände des täglichen Lebens sind nicht auf erkenntliche Art entangled, also derart miteinander verbunden.
Beispiele illustrieren, wie Gesetzmäßigkeit und Konstanten, die jenseits unserer Erfahrungswelt liegen, sehr wohl in das Geschehen in unserem Körper eingreifen und es mitgestalten. Und der Urknall selbst, aus dem jene vier Elemente, die unseren Körper großteils bilden, nämlich Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, hervorgingen, mag spekulativ in unserer Physis noch nachhallen: als jene hinter allem liegende Information, an die nicht wenige Physiker glauben. Laut sprechen nur die wenigsten darüber, um sich nicht der kollektiven Häme auszusetzen oder gar der medialen Lächerlichkeit preiszugeben.
Obwohl die Zahl der Moleküle, zu der sich diese vier Elemente zusammenfügen können, enorm ist, ist dieses Vervielfältigungsphänomen, kosmisch gesehen, die Ausnahme. Denn die sichtbare Materie steckt zum größten Teil in den Sternen, und in deren Innerem gibt es nur einen Stoff, das sogenannte Helium: eine Suppe ziemlich gleich verteilter Elektronen, in der Atomkerne schwimmen; hauptsächlich Wasserstoffkerne, also Protonen, sowie Heliumkerne (Alphateilchen), je nach Sternalter mehr oder weniger gewürzt mit einigen schweren Atomkernen. Die Eigenschaften dieser Einheitssuppe hängen von ihrer Temperatur und Dichte ab, weitere Strukturen oder Spezifika fehlen. Erst wenn man den Druck der Schwerkraft lindert, erwacht die Chemie, die Vielzahl der Moleküle blüht auf – die erste Schöpfungswoche beginnt. Und auch unsere Existenz hat dort ihren Anfang genommen.
Wenn der menschliche Geist darin eine Ordnung erkennt, die nach so raffinierten Gesetzen verläuft, dass er dahinter einen Weltenbaumeister vermutet, so ist dies intellektuell genauso legitim, wie es zulässig ist, den reinen Zufall anzunehmen. Wieso denn nicht?
Es ist zwar erlaubt, die Schöpfung als riesiges Roulette darzustellen und zu poltern, der rein zufällig daraus hervorgegangene Mensch schaffe sich in seiner Fantasie einen Gott. Damit er sich an diesen Strohhalm der Zuversicht klammern kann, um dem Tod nicht gleich ins Auge sehen zu müssen. Dabei gibt es diesen Gott nicht, er existiert nur in seiner Vorstellung. Basta.
Es ist aber umgekehrt genauso intellektuell annehmbar, die Gesetze des Kosmos, sei es, wir können sie erkennen, sei es, wir können sie nur erahnen oder auch nur noch berechnen, als Ordnung eines Architekten anzusehen, der letzten Endes auch uns prägte, weshalb wir von ihm tatsächlich eine Ahnung haben.
Eine Ahnung.
Ein Gefühl.
Der Körper, aber auch der Geist mit seinen Fantasien entstand nicht alleine und nur zufällig, sondern orientierte sich – einschließlich unserer Synapsen – an einem Gegenüber. Dieses Gegenüber folgt nicht notwendig den Gesetzen der klassischen Physik, sondern ist, wie ich meine, von einem Plan getragen, der für uns berechenbar, nicht aber vorstellbar ist. Fühlbar ist er allemal. Wagt jemand das zu glauben, weil wir diesbezüglich geprägt sind, so ist das – als Glaubensakt – naturwissenschaftlich nicht unvernünftig.
Mehr noch, ich meine, es ist legitim.
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Feuerbach und die Brandstifter
Und dann kam Ludwig Feuerbach. Der deutsche Philosoph und Anthropologe führte einen privaten Glaubenskrieg gegen das Transzendente. Er war einer der ersten, der den »Geist der Theologie« dem »Geist der Naturwissenschaft« gegenüberstellte und es als intellektuell unschicklich empfand, die Hände zum Gebet zu falten.
Natürlich hatte er nicht unrecht, dass sich der Eskimo seinen Gott als Eskimo, der Indianer sich seinen Gott mit roter und der Europäer seinen Gott mit weißer Hautfarbe vorstellt, denn wir können über Göttliches nur in Form menschlicher Vorstellungen sprechen. Soll das ein Beleg für die religiöse Tumbheit des Menschen darstellen? Eine Wunschvorstellung, subjektiv bemalt und aufgeputzt wie die Erscheinung in einem Tagtraum? Ist Gott in Kenia farbig? Diesen Überlegungen schwingt immer ein leiser Zynismus mit. Hört auf zu dilettieren, Kinder, jetzt reden die Erwachsenen.
Konkret sagte er: »Es gibt keinen anderen Weg zur Erkenntnis und zur Wahrheit als durch den Feuerbach.«
Auch nicht die feine englische Art für einen Philosophen, sich als der Weisheit letzter Schluss zu bezeichnen.
So schrieb er, als er allen haltlosen Spekulationen religiöser Vorstellungen ein Ende bereiten wollte und sich als »Zeitenwender« in der Philosophie sah. »Der Feuerbach ist das Purgatorium des Denkens.«
Was für ein Fegefeuer von einem Ego. Der Mann war stark von Hegel beeinflusst. Seine brandredenhafte Religions – und Idealismuskritik hatte Auswirkungen auf die Bewegung des Vormärz. Obwohl Feuerbach nicht einen Bekanntheitsgrad wie Kant erreichte, mit dem er sich manchmal verglich, sind namhafte Philosophen der Meinung, dass seine Zeit noch käme. Das große Aufräumen mit allem, was nach Transzendenz riecht.
Seine Credo war: Nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, sondern der Mensch schafft sich Gott.
Das Gehirn wird zum Transformator, der sogar Wirklichkeiten erfindet. Eine anthropozentrische Vision, die ignoriert, dass unser Bewusstsein geprägt sein könnte. Für Feuerbach war das Weltall noch eine Maschine, der Mensch durch Zufall entstanden, eine Verkettung mehr oder weniger glücklicher Umstände. Er kannte allerdings auch noch nicht die Epigenetik, die bildhafte Anpassungsfähigkeit unseres Genoms und die Spiegelneuronen. Im 19. Jahrhundert war dieses Phänomen noch nicht einmal Science Fiction.
Daher die Maxime: Die Menschen schaffen sich ihre Götter entsprechend ihrem menschlichen Wesen. »Alle Theologie«, tönte Feuerbach, »ist in Wirklichkeit Anthropologie.« Das Mensch-Sein spiegelt sich in den theologischen Reflexionen wider. In transzendentalen Gedanken und Überlegungen erfahren wir nichts über Gott, sondern letzten Endes nur über den Menschen. Der Mensch projiziert seine Wunschvorstellungen auf eine Leinwand – und das ist Gott und die Theologie.
Nein.
Hier widerspreche ich ihm.
Der Mensch ist keine autonome und mit hoher Einbildungskraft ausgestattete Kreatur, sondern seinerseits wieder von der Umwelt und möglicherweise auch von Gesetzen, die uns nicht einsichtig sind, geprägt. Wenn Sehnsüchte und Erlösungsgedanken im Menschen wohnen, so spiegeln sie die Blaupause wider, nach der die Evolution den Menschen formte.
Für Feuerbach war das Bewusstsein über Gott nichts anderes als das Selbstbewusstsein des Menschen. Ich bin da. Ich weiß um meine Existenz Bescheid. Eine freigeistige Beschreibung der Inkarnation, die, ohne dass Feuerbach