Teeträume. Anna Martin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Martin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958235199
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      Niemand hatte mich je derart auseinandergenommen und das hervorgehoben, von dem ich immer geglaubt hatte, es wären meine Fehler, und sie in Komplimente umgewandelt.

      »Und es stört dich nicht, dass ich… älter bin?«

      »Was, die neun Jahre? Das ist doch nichts.«

      »Wirklich?«

      »Na klar. Pass auf, Rob, ich mag dich, aber ich glaube, du hast ein Problem mit mir, aber das ist okay, versprochen.«

      »Nein, nein.« Ich rang um so etwas wie Kontrolle über die Unterhaltung. Hatte ich die überhaupt jemals gehabt? »Ich auch, ich meine… ich mag dich auch, aber ich bin nur… ich weiß nicht, wie… Oh, Scheiße.«

      Chris' Stirnrunzeln wurde weicher. Ein Grinsen zog an seinen Mundwinkeln. »Du bist wirklich nicht besonders gut in so was, oder?«

      Ich nahm meine Hände von meinem Gesicht. »Nein, das bin ich nicht.«

      »Ich würde dich gerne wiedersehen.«

      »Ich würde dich auch gerne wiedersehen. Würdest du Freitag mit mir zusammen abends was essen?«

      Erneut lächelte er und kratzte sich hinterm Ohr, wobei er eine lange Linie farbenfroher Tätowierungen auf der Innenseite seines Arms entblößte, die unter dem Rand seines T-Shirts verschwand. »Na klar. Klingt gut.«

      »Perfekt.« Ich lächelte und stieß einen langen, erleichterten Atemzug aus. »Ich ruf dich an, wenn ich reserviert habe.«

      »Reserviert man heutzutage noch?«, fragte er. »Ich dachte, das machen die nur im Film.«

      Es dauerte einen Augenblick, bis mir bewusst wurde, dass er mich aufzog. »Idiot«, sagte ich und überraschte mich selbst damit. »Du brauchst eine Reservierung, wenn du in ein schickes Restaurant gehen willst. Ich werde dich nicht zu Wendy's einladen.«

      »Idiot«, schoss er sogleich zurück und lachte ebenfalls. »Ich bin schon mal in einem schicken Restaurant gewesen. Muss ich mich rausputzen?«

      »Nein«, sagte ich, während ich gedanklich verzweifelt nach einem netten Lokal suchte, in das ich ihn mitnehmen konnte. »Sei einfach du selbst.«

      »Mein normales Selbst wird in so exquisiten Läden nicht bedient«, sagte er.

      »Das bekommen wir schon hin.« Ich erhob mich, streckte mich und lächelte. »Es war schön, dich wiederzusehen, Chris.«

      Er stand ebenfalls auf. »Dich auch. Wir sehen uns.«

      Es war zu früh für Küsse oder auch nur eine kurze Umarmung und der niedrige Tisch stand zwischen uns, sodass es ohnehin schwer war, sich darüber zu beugen. Ein Handschlag war zu förmlich. Am Ende lächelte ich wieder und verließ dann den Coffeeshop. Der Knoten in meinem Bauch begann ein weiteres Mal, auf sich aufmerksam zu machen.

      Kapitel 2

      Ich entschied mich für ein chinesisches Restaurant für unsere Verabredung, hauptsächlich, weil es eines meiner bevorzugten Lokale war. Außerdem, wer mag kein chinesisches Essen? Ich war nervöser, als ich es in vielen Jahren gewesen war, möglicherweise, weil ich viele Jahre lang keine Verabredung gehabt hatte.

      Selbst die normalerweise langweilige Aufgabe mich anzuziehen, wurde zu etwas Nervenaufreibendem. Ich zog beinahe jedes Kleidungsstück aus meinem Kleiderschrank und verwarf es eins nach dem anderen, ehe ich mich für ein Paar abgetragener Jeans, ein weißes Hemd und bequeme Stiefel entschied. Ich wollte meine Brille absetzen, mir die Haare schneiden lassen und alle möglichen Dinge an meinem Aussehen verändern. Ein verzweifeltes Telefonat mit Marley beruhigte meinen nervösen Magen, ihre Beschwichtigung, dass Chris bereits mochte, wer ich war, und dass ich mich für ihn nicht verändern musste.

      Obwohl ich Chris anbot, ihn abzuholen, fragte er nur nach der Adresse des Restaurants und sagte, dass er mich dort treffen würde. Trotzdem war ich früh dran und parkte etwa einen Block entfernt, ehe ich beim Eingang des Restaurants herumlungerte und verzweifelt versuchte, nicht wie jemand auszusehen, der gerade versetzt worden war.

      Ich hätte nicht erwartet, dass Chris auf einem Motorrad vorfuhr. Die rationale Hälfte meines Gehirns – bis zu diesem Punkt der dominante Teil, da ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich überhaupt eine irrationale Hälfte besaß – missbilligte das. Die neu entdeckte irrationale Seite schoss einen heißen Schauer der Erregung über meine Wirbelsäule.

      »Hey«, rief ich, als er den Helm absetzte. Gott sei Dank trug er einen Helm.

      Ich war nicht sicher, ob Chris sich für das Treffen herausgeputzt oder herabgesetzt hatte. Offenbar hatte ich noch nicht genug von ihm gesehen. Es war das noch, das einen weiteren, erregenden Schauder durch mich hindurchjagte. Er trug eine dunkelgraue, fast schwarze Stoffhose und ein weiches, hellblaues Hemd aus Baumwolle, das nicht bis oben zugeknöpft war und dessen Ärmel hochgerollt waren, sodass seine farbenprächtigen, tätowierten Unterarme zum Vorschein kamen. Sein Aufzug bewegte sich irgendwo zwischen förmlich und lässig und ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken und ihn berühren.

      »Rob«, sagte er mit dem lässigen, zufriedenen Grinsen von jemandem, der wusste, wie umwerfend er aussah. Er schlenderte mit langen, lockeren Schritten über den Bürgersteig und trat dicht an mich heran, beugte sich vor und streifte mit seinen Lippen über meinen Mundwinkel. Blind griff ich nach ihm und packte seinen Oberarm. Mir gefiel die spürbare Kraft in seinen schlanken Muskeln.

      Als wir das Restaurant betraten, wollte ich verzweifelt seine Hand nehmen, aber ich wusste nicht, wie offen er mit seiner Sexualität umging, und ich wollte nicht, dass er sich unwohl fühlte. Allerdings wurde sehr schnell klar, dass es ihm Spaß machte, in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten auszutauschen.

      Während ich dem Empfangskellner meinen Namen nannte, platzierte er seine Hand auf meinem unteren Rücken, ganz leicht nur, aber fest genug, dass ich ihre Wärme durch mein Hemd hindurch wahrnehmen konnte. Ich spürte den unregelmäßigen Herzschlag in meiner Brust und wusste, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr so etwas gespürt hatte. Und das letzte Mal hatte es Monate gedauert, bis ich an einem Punkt angelangt war, an dem ich mich in der Gegenwart eines anderen wohlgefühlt hatte.

      Ich spürte, wie er hinter mir tief Luft holte und den Geruch meines Aftershaves einatmete. Scheiße, dieser Mann würde mich noch in den Wahnsinn treiben. Aber als wir zu unserem Tisch geführt wurden, hielt er Abstand. Ich konnte nicht sagen, ob aus Respekt vor den anderen Gästen oder damit ich mich wohler fühlte. Ich fragte nicht nach.

      Ich überlegte, ob Chris die Art Mensch war, die erwartete, dass ich für ihn mitbestellte, da dies immerhin unsere erste offizielle Verabredung war, aber er schien freudig die Speisekarte von unserem Kellner anzunehmen, ehe er mich fragte, was hier gut schmeckte. Ich nahm also an, dass er selbstständig genug war, um seine eigenen Entscheidungen zu fällen – zumindest, wenn es darum ging, was er essen wollte.

      »Bist du Vegetarier?«, fragte ich.

      Er lachte kurz auf. »Nein. Glaubst du, ein Körper wie meiner entwickelt sich ohne ein gesundes Maß an Proteinen in meinem Ernährungsplan?«

      Der kleine Wink am Ende seines Satzes brachte mich dazu, sein Grinsen direkt zu erwidern, und ich fragte mich, was wohl die Hauptquelle seiner Proteine war. Ich hatte das Gefühl, dass er mit ziemlicher Sicherheit Fleisch sagen würde, wenn ich ihn danach fragte.

      »Magst du süß-sauer?«

      »Hm.«

      Die Frau, die unsere Bestellung aufnahm, war winzig und ihre glänzenden, dunklen Haare fielen ihr in einem glatten Kurzhaarschnitt bis zum Kinn. Als sich Chris ein Bier bestellte, folgte ich dieses Mal seinem Beispiel und hoffte, dass der Alkohol meine Nerven ein wenig beruhigen würde. Normalerweise hätte ich Wein getrunken, aber ich war etwas besorgt, dadurch zimperlich zu erscheinen. Und Bier war in Ordnung.

      »Wie lange bist du schon in Boston?«, fragte ich, nachdem unsere Getränke gebracht worden waren.

      »Ähm«, sagte er, »so etwa zehn Tage?«

      »Tatsächlich?«,