DSA 128: Der Pfad des Wolfes. Alex Spohr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alex Spohr
Издательство: Bookwire
Серия: Das Schwarze Auge
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783868896497
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beim Korbflechten, darin war sie von allen Bewohnern des Haerad am besten. Harun sah man an, dass er sie vermisste.

      »Dann viel Erfolg bei der Jagd, und möge Ifrunn deine Pfeile sicher zu ihrem Ziel führen.«

      Harun nickte, und Druan ging weiter in die Richtung des Tors. Gaschnig und die andere Nachtwache waren bereits abgelöst worden.

      Druan ging schnellen Schrittes zum Fluss. Der Tag war mild und freundlich. Unterwegs erblickte er einige andere Mortakher, denn nicht alle lebten innerhalb der Palisade. In der Umgebung des Haerad gab es mehrere kleine Höfe. Die Schaf- und Rinderhirten hatten ihre Tiere aus den Ställen gelassen und ließen sie in der Umgebung grasen. Druan kam auch an den Rübenfeldern vorbei und sah, wie sich die dort ansässige Bauernfamilie fleißig um die Ernte kümmerte. Er winkte ihnen kurz zu, und sie grüßten zurück. Unweigerlich kam ihm eine Situation aus seiner Kindheit in den Sinn, als seine Mutter ihn mit Rübenbrei hatte füttern wollen. Aber die orangefarbene Masse war nichts für ihn, damals wie heute, und so hatte er sie wieder ausgespien. Ihn erfreute ein Hasenbraten oder ein Stück Keule vom Wildschwein weitaus mehr.

      Als er endlich am Fluss angekommen war und auf einer kleinen Erhebung stand, sah er, dass bereits jemand im Wasser war: Caltha, die Tochter des Yalding, des Häuptlings von Mortakh. Sie war eine gutaussehende Frau mit roten Haaren, und sie würde Yaldingra werden, sobald ihr Vater Marzagh in Zwanfirs Reich einkehrte. Schon jetzt galt sie als die klügste Frau von ganz Mortakh, sie besaß Weitsicht und Mut und konnte sowohl gut mit den anderen Haeradi als auch mit den Nivesen und Norbarden verhandeln.

      Sie wusch sich gerade, hatte ihre Kleidung am Ufer des Flusses abgelegt und Druan den Rücken zugewandt. Er wollte gerade weitergehen und sich eine etwas weiter entfernte Stelle suchen, als sie ihn bemerkte und sich umdrehte. Im ersten Augenblick war sie wohl überrascht, doch dann lächelte sie und sah Druan freundlich an. »Guten Morgen.«

      »Guten Morgen, Caltha brai Marzagh.«

      »Du bist früh auf. Gaschnig erzählte mir, dass du deine Krallessa bestanden hast. So bist du nun also ein Durro-Dûn. Bist du letzte Nacht wirklich deinem Odûn begegnet?«

      »Ja, ich sah den Madadh, und ich sprach mit ihm. Ich spüre auch, dass er mich berührt hat. Doch ich kann noch nicht sagen, wie ich seinen Willen erfülle.«

      »Bestimmt wird dir der Wolf bald offenbaren, was er von dir möchte. Habe Geduld.«

      Druan und Caltha waren im gleichen Alter. Sie und Savia waren von allen Frauen in Mortakh die begehrtesten. Doch obwohl sie ebenso schön wie klug war, interessierte sich Druan nicht für sie.

      In diesem Moment entdeckte er auf der anderen Seite des kleinen Flusses eine Gestalt. Bartakh.

      Der Tierkrieger starrte Druan finster an, seine kleinen Augen blitzten ihn förmlich an und seine Mundwinkel zuckten, was Druan an der Bewegung seines Bartes erkennen konnte.

      Bartakh sah aus, als wolle er ihm am liebsten eine Branndori, eine Blutfehde, ankündigen. Jeder im Haerad wusste, dass Bartakh und Caltha einander liebten. Sie hatten sich schon lange gefunden, allerdings noch keinen Herzensbund geschlossen, was viele junge Mortakher dazu veranlasste, sich insgeheim doch noch Hoffnungen zu machen. Doch Bartakh war überaus eifersüchtig, und offensichtlich hatte Druan diese Eifersucht gerade geweckt.

      »Ja, so wird es sein. Ich muss los, Caltha.« Er verabschiedete sich eilig von der Tochter des Yaldings, die ihm verständnislos hinterherblickte. Sie war es nicht gewohnt, dass man ein Gespräch mit ihr so abrupt beendete. Doch als sie sich umschaute, bemerkte sie den nun langsam am Ufer entlanggehenden Bartakh und ahnte, warum Druan die Flucht ergriffen hatte.

      Ein Stück weiter erreichte Druan eine andere Stelle, die sich für ein Bad eignete. Gerade wollte er sich entkleiden, da sah er, dass ihm schon wieder jemand zuvorgekommen war. Einige Schritte weiter weg stand Savia und entledigte sich gerade des Haarbandes, das ihre blonden Zöpfe zusammenhielt. Druan beobachtete sie so fasziniert wie ein Wolf, der sich an einen Hasen heranschlich. Nach und nach legte sie Fellumhang und Rock ab, ließ ihr Schwert zurück und stieg ins Wasser.

      Es war nicht nur ihr Aussehen, das Druan so faszinierte. Sie hatte etwas in sich, etwas Kämpferisches, etwas Leidenschaftliches, und das schlug Druan in ihren Bann. Da sie ihn wohl noch nicht bemerkt hatte, sprach er sie vom Ufer aus an. »Ist das Wasser kalt?«

      Savia zuckte zusammen, nicht weil sie sich vor Druans Blicken schämte, sondern weil sie ihn bisher tatsächlich noch nicht bemerkt hatte.

      »Der Sohn von Anargh, dem alten Schafhirten. Was schleichst du dich so an mich ran?«, rief sie ihm trotzig entgegen, während sie an einer tieferen Stelle im Fluss Wasser trat.

      »Ich will baden, so wie du auch.«

      »Worauf wartest du dann?«, rief sie ihm spöttisch zu und grinste.

      Druan begann, sich ebenfalls seiner Kleidung zu entledigen und betrachtete dabei sein Thar’an Mór, das Hautbild um seinen Bauchnabel herum. Die Schlange auf dem Sonnenrund war das erste Bild, das einem Gjalskerländer nach seiner Geburt zustand. Nach seiner erfolgreichen Krallessa war er nun bereit für ein weiteres Thar’an Mór: die Wurzeln des Lebensbaumes, die sich ausgehend vom Sonnenrund zu seinem Becken und zu seiner Brust ziehen würden.

      Savia, die nun näher kam und nur noch bis zur Hüfte im Wasser stand, hatte ihre Krallessa bereits letztes Jahr hinter sich gebracht. Ihren Körper zierten bereits die Wurzeln des Lebensbaumes – ein wunderschönes Hautbild.

      Auch an ihrem rechten Arm war ein Bild zu sehen, die Darstellung eines gewaltigen Wolfes. An dieser Stelle stand das Thar’an Mór für persönliche Heldentaten. Savia hatte eine gefährliche Bestie, einen weißen Wolf, getötet, der zahlreiche Schafe gerissen und auch die Hirten bedroht hatte. Druan hatte das Tier damals leidgetan, aber es hatte keine andere Wahl gegeben, der Wolf hatte sich nicht vertreiben lassen und schien tollwütig gewesen zu sein.

      Ihren linken Arm zierte jedoch noch kein Bild, denn der war für persönliche und familiäre Ereignisse reserviert, zum Beispiel die Geburt der eigenen Kinder oder auch einen Herzensbund.

      Er kannte Savia von Kindesbeinen an, auch wenn er die letzten Jahre mehr in der Wildnis als im Haerad verbracht hatte. Er glaubte, dass Savia die gleichen Gefühle hegte, doch anscheinend waren sie noch nicht bereit füreinander. Was hatte er ihr auch zu bieten? Er war ein Durro-Dûn, kein einfacher Jäger oder Krieger. Sein Leben würde anders verlaufen als das der anderen Mortakher. Er glaubte nicht, dass sie mit ihm glücklich werden konnte. Und doch hoffte er. Er mochte ihre Art und wie sie sich bewegte. Sie war zierlich im Vergleich zu den Kriegerinnen, doch das gefiel Druan. Frauen, die nur aus Muskeln bestanden, reizten ihn wenig. Savia war athletisch und schnell wie der Wind. Sie hatte ein hübsches Gesicht, vielleicht eine etwas zu breite Nase, aber auch das gefiel den meisten Männern.

      »Wird das heute noch was?«, rief sie ihm ungeduldig zu und schwamm wieder zu den tieferen Stellen des Flusses. Druan stieg ins Wasser und watete, bis es tief genug war, um sich hineinzuwerfen und zu schwimmen.

      Sie tollten durchs Wasser und spielten gemeinsam wie in früheren Zeiten. Ursprünglich hatte er gar nicht so lange im Wasser verweilen wollen, doch er konnte sich Savia nicht entziehen. Erst als sie sich wieder ans Ufer begab und sich ankleidete, folgte er ihr nachdenklich.

      »Wirst du am Palenkel teilnehmen?«, fragte sie ihn.

      »Nein. Ich fühle mich dieses Jahr noch nicht bereit dazu. Ich werde mir stattdessen heute noch ein neues Hautbild stechen lassen. Nun ja, zumindest wird Islogh damit anfangen müssen. Was ist mit dir?«

      »Ja, ich werde daran teilnehmen. Es wird schwer werden, aber sofern Natûru-Gon und Wolkenkopf auf meiner Seite sind, werde ich gewinnen.«

      »Ein stolzes Vorhaben. Aber Bartakh wird gewinnen.«

      »So viel zu deiner Unterstützung«, antwortete sie und machte einen Schmollmund.

      »Du bist eine gute Kriegerin und wirst weit kommen, dessen bin ich sicher. Aber Bartakh ist der beste Krieger des ganzen Haerad. Er ist bereits ein Gon. Ich kenne niemanden, der sich mit ihm messen kann. Du hast es selbst erlebt. Du