Nachdem etwa die Hälfte aller Spiele vorüber war und sich abzeichnete, dass Islogh oder Bartakh das Palenkel gewinnen würden, folgte der Steinhochwurf. Mit drei Versuchen musste man einen schweren Stein über eine Latte werfen.
Zunächst lief alles gut, doch dann verrenkte sich Islogh beim zweiten Versuch den Rücken. Bartakh gewann auch diesen Wettkampf, und da Islogh von Daragh behandelt werden musste und vermutlich den Rest des Tages und möglicherweise auch morgen ausfallen würde, schien das Palenkel entschieden zu sein.
Als letzter Wettkampf fand das Ringen in den Schlammgruben statt. Die Kinder hatten den Schlamm während des Tages feucht gehalten, und so stand dem Wettstreit nichts mehr im Wege. Viele Gjalsker waren bereits durch die anderen Wettkämpfe angeschlagen oder hatten von der Feier am Vortag einen schweren Schädel, sodass sie entweder gar nicht mehr antraten oder keine ernstzunehmenden Kontrahenten mehr waren.
Bartakh überwand drei Ringer und kam so in den Endkampf. Doch sein größter Konkurrent Gaschnig war ebenfalls noch ungeschlagen. Dank ihres großen Geschicks war es Savia ebenfalls gelungen, ihre ersten Gegner zu besiegen, auch wenn sie eher schwach waren. Nun stand sie dem hünenhaften Bärentierkrieger gegenüber.
Sie weiß, dass sie Gaschnigs Kraft nicht gewachsen ist. Aber sie wird versuchen, ihn zu Fall zu bringen. Aus dem Kreis drängen kann sie ihn nicht, dachte Druan, während er bei einer Pause von seiner Tortur den Kampf seiner Freunde beobachtete.
Savia griff sofort an, nachdem Yuchdan den Ring freigegeben hatte. Sie versuchte, schnell und beweglich, wie sie war, an seine Beine heranzukommen und ihn so zu Fall zu bringen. Gaschnig war anscheinend von ihrem ersten Angriff überrascht, und es gelang ihr, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Boden zu befördern. Gaschnig wehrte sich, so gut er konnte, doch Savia hielt ihn mit ihren Beinen in einem eisernen Griff fest und konnte ihn durch eine unerwartete Drehbewegung tatsächlich aus dem Kreis drängen. Die Zuschauer waren völlig überrascht von ihrem Sieg, und Druan mehr als alle anderen. Aber auch Gaschnig selbst wusste nicht so genau, was da schiefgelaufen war. Nachdem sie ihm aufgeholfen hatte, beglückwünschte er sie trotzdem: »Schon wieder von einem Hasenfuß besiegt? Ich werde alt«, merkte der Hüne anerkennend an.
Am morgigen Tag würde der letzte Ringkampf stattfinden. Auch in dieser Nacht feierten die Mortakher ausgelassen, aber es zog schlechtes Wetter auf, und vermutlich würde es am morgigen Tag regnen. Druan ging recht früh zu Bett und beobachtete erneut Gedwed, der Kräuter ins Feuer warf, um das zweite Gesicht zu erlangen, doch offenbar mit wenig Erfolg.
***
Der dritte und letzte Tag brachte zunächst nicht den erwarteten Regen, aber die dunklen Wolken hingen tief, und es war nur eine Frage der Zeit, bis es anfangen würde zu donnern und zu blitzen.
Das Tauziehen war an der Reihe. Bartakh galt als Favorit und schaffte es auch, jeden seiner Gegner zu besiegen, sodass er erneut im Endkampf stand. Wie durch ein Wunder war es Savia gelungen, mit einer guten Technik ihre Kontrahenten, die teilweise stärker waren als sie, doch zu besiegen, und so stand sie Bartakh im Finale gegenüber.
Beide hatten sich bereit gemacht und zogen auf Yuchdans Zeichen hin so kräftig an dem Seil, wie sie es nur vermochten. Sie stemmten ihre Füße in den Boden, die Adern quollen hervor, ihre Augen waren so weit aufgerissen, dass es fast den Anschein machte, als würden sie aus den Höhlen springen. Doch dann, eine scheinbar endlose Zeit später, setzte sich Bartakh durch, und Savia fiel auf den Boden und wurde bis zu der Begrenzung geschliffen. Gedemütigt blieb sie auf dem erdigen Boden liegen und atmete schwer. Sie hatte alles gegeben und doch verloren. Nun war sie kraftlos und musste gleich im Ringen erneut gegen Bartakh antreten.
»Ihr Götter, schenkt mir noch einmal die Kraft und die Stärke. Erhöre mich, o Natûru-Gon. Erhöre mich, Wolkenkopf!«
Druan glaubte nicht daran, dass jemand Bartakh noch den Sieg nehmen konnte. Savia hatte sich wacker geschlagen, doch Bartakh war unbezwingbar, niemand konnte sich mit ihm messen.
Dennoch begaben sich beide zur Schlammgrube. Savia, immer noch schwer atmend, stellte sich auf die eine Seite und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Bartakh nahm den Kampf wieder einmal leichter als die meisten Mortakher, er ging auf und ab, dehnte seine Muskeln und schwang seine Arme, um sich bereit zu machen. Dann gab Yuchdan das Zeichen für den Beginn des Kampfes. Bartakh und Savia umkreisten sich, und es war der Tierkrieger, der zuerst angriff. Mit einer Finte schaffte er es, hinter Savia zu gelangen und ihre Arme zu ergreifen, doch sie konnte sich mit einer geschickten Bewegung nach unten lösen und ergriff Bartakhs Bein. Der war von so viel Gegenwehr überrascht und fiel unsanft auf den schlammigen Boden. Savia und er wanden sich, bis sie ganz mit Schlamm besudelt waren. Mal hatte er die Oberhand, mal sie. Es schien keinen klaren Sieger zu geben, denn Bartakhs Stärkenvorteil schien auf dem Boden keine große Rolle zu spielen. Er rutschte an dem glitschigen Schlamm auf Savias Haut ab, konnte sie nur selten richtig greifen. Sie verstand es mit geschickten Griffen, ihn immer wieder in Bedrängnis zu bringen, und so rollten sie minutenlang durch den Kreis.
Plötzlich erhob Yuchdan seine Hände und gab das Zeichen für das Ende des Kampfes. Die grölende Menge wusste nicht wieso, und auch Bartakh und Savia waren überrascht, sie kämpften noch weiter, bis Yuchdan sie auseinanderzog.
»Der Sieger steht fest«, rief der Brenoch-Dûn geheimnisvoll in die Menge. »Ein Fuß war außerhalb des Kreises. Ich habe es gesehen, Sindarra sei meine Zeugin. Eben, als ihr nahe am Rand des Kreises gelegen habt. Savia, du bist die Siegerin.«
Nach dem ersten Augenblick des Erstaunens war es totenstill, Druan war der erste, der einen Jubelschrei ausstieß, ihm folgten alle anderen Mortakher, die es kaum glauben konnten, dass der mächtige Gon Bartakh bezwungen sein sollte. Dieser hatte eine grimmige Miene aufgelegt und ging grußlos davon, während sich Savia freudestrahlend feiern ließ, auch wenn sie über und über mit Schlamm besudelt war. Selbst ihr blondes Haar war mittlerweile zu einer braunen Masse verklebt.
Ein Sieg der kleinen Savia gegen den unbesiegbaren Bartakh war ein Wunder, ein Zeichen der Götter, dachten viele Gjalsker in diesem Moment.
Doch noch stand das letzte Spiel aus, der Baumweitwurf. Zwar nahmen auch noch andere an dem Spiel teil, doch Yuchdan richtete es so ein, dass Bartakh der vorletzte Werfer war und Savia den letzten Wurf hatte.
Das ganze Haerad wartete gespannt auf den Ausgang des Palenkel, und Bartakh heizte die Stimmung mit Gesten an, er wollte Unterstützung für seinen Wurf. Er nahm das untere Ende des Stammes in beide Hände, nachdem zwei andere Gjalsker geholfen hatten, den Stamm aufzurichten. Selbst Bartakh gelang es nur mit großer Mühe, den Stamm bis zu der Begrenzung zu tragen, und er warf ihn dann mit voller Wucht, sodass er sich einmal um sich selbst drehte. Der Baumstamm kam mit brachialer Gewalt auf dem Boden auf und blieb erst liegen, nachdem er noch ein Stück weit gerollt war. Bartakh hatte weiter geworfen als alle anderen, ein ganzes Stück sogar, und war damit schon fast Sieger des Palenkel.
Savia, die sich darauf vorbereitet hatte, sah noch einmal zu Druan hinüber. Er war stolz auf sie, denn sie hatte niemals aufgegeben und war in den Wettkampf zurückgekehrt, auch als niemand mehr an sie geglaubt hatte. Sie hatte Bartakh beim Ringen besiegt und bereits jetzt damit – wortwörtlich – große Ehre errungen. Niemand würde dieses Palenkel vergessen.
Auch für sie wurde der Stamm aufgerichtet, und mit äußerster Mühe und Konzentration hob sie ihn auf und nahm Anlauf. Man sah ihr die Anstrengung an, und der Schrei, als sie den Baumstamm warf, war so laut wie kein Schrei zuvor. Der Stamm kam auf den Boden auf, viel weiter, als es irgendjemand für möglich gehalten hatte. Jeder hielt den Atem an, als der Baumstamm dort zu liegen kam, wo auch Bartakhs Baum lag. Bartakh selbst sah irritiert aus, sein siegesgewisses Lachen war versteinert, er war plötzlich sehr bleich.
Yuchdan eilte sofort mit seinen beiden Helfern zu den Bäumen und schaut sich die Lage genauer an. Er nahm ein Seil und zog eine Linie von einem Stamm zum anderen. Dann rief er den Mortakhern zu: »Mit einem halben Finger. Mit einem halben Finger hat Savia gewonnen.«
Der Jubel war so ohrenbetäubend, dass selbst Druan erschrocken war. Viele Gjalsker rannten zu Savia und ließen sie