Die Samstagparty von Johannes konnte ungestört starten, ich hatte sogar noch bis Montag Zeit, die Reste des Gelages aufzuräumen und die Kinder ausgenüchtert und gekämmt – auch ich wollte sie frisieren lassen – den Großeltern, Freunden und Verwandten in entsprechend seriöser Form vorzuführen.
Ich war glücklich.
Bis das Telefon klingelte, meine geliebte Schwiegermutter war am Apparat.
»Schatzilein, eine erfreuliche Nachricht! Ich habe gerade mit der Urgroßmutter und Gisela telefoniert. Tante Gisi hat ihren Pedikür-Termin schweren Herzens abgesagt und kann nun doch mit uns am Samstag den Geburtstag von Johannes feiern.«
»Sagtest du Samstag?«
»Ja, Samstag. Uroma Herta kann nur am Samstag, sie will unbedingt dabei sein. Du weißt ja, wie alt sie ist! Jeder Tag, den sie erleben kann, könnte ihr letzter sein!«
»Das weiß ich seit Jahren! Trotzdem geht es am Samstag nicht!«
»Warum denn nicht?«
»Weil am Samstag Johannes seine Freunde eingeladen hat!«
»Wann sollen wir dann feiern?!«, in ihre Stimme mischte sich ein beleidigter Unterton.
»Am Montag, bitte verkompliziere jetzt nicht alles! Ich habe gerade meine Schwestern, meine Mutter, die Taufund Firmpaten und eine Friseurin umdisponiert!«
»Und wir den Pedikür-Termin. Sagtest du Friseurin?!«, sie war verärgert.
»Ich kann dir das jetzt nicht erklären!«
»Ich und kompliziert? Du verkomplizierst alles! Ist dir die Friseurin deiner Familie wichtiger als die Pediküre von Tante Gisi? Wir wollten dir nur helfen und es für dich vereinfachen!«
»Gut, dann feiern wir eben am Samstag!« Sie, Urgroßmutter Herta und Tante Gisis Pedikür-Termin hatten gewonnen.
»Stört es dich, wenn wir Hesters mitnehmen?«
»Hesters?«
»Hesters sind ganz liebe Freunde von Tante Gisi, wir wollten sie am Montag nach dem Pedikür-Termin besuchen. Nachdem sich aber ständig bei euch etwas verschiebt, nehmen wir sie am Samstag zu euch mit! Du weißt ja, wie alt sie sind, es könnte das letzte Mal sein, dass ...!«
»Ich weiß!«, fiel ich ihr ins Wort, die Flasche Prosecco war leer getrunken.
Odysseus traf mich weinend im Wohnzimmer an. Ob Donnerstag, Sonntag oder Montag, jeder Termin, versuchte er mich zu beruhigen, sei ihm recht, nur samstags wäre wirklich unpassend, da wäre er bei einem Jagdkollegen auf einen kapitalen Bock eingeladen, was es ihm unmöglich machte, einem Familienfest beizuwohnen. Und Irmi, meine geliebte Putzfrau, schickte mir eine SMS, indem sie mir mitteilte, dass sie ausnahmsweise am Montag putzen konnte, weil sie ab Dienstag auf Urlaub wäre.
Ich gab auf.
Unsere Familie feierte den Geburtstag unseres geliebten Sohnes an vier Tagen, freitags kamen Freunde und Bekannte, samstags die Schulklasse von Johannes, Urgroßmutter Herta, die verschobene Tante Gisi mit Hesters und die Schwiegereltern. Sonntags dann Firm- und Taufpaten mit kinderreichem Anhang und am Montag beehrte uns die holde Schwesternschar mit Mutter und Friseurin. Irmi putzte daneben in Ruhe das Haus.
So ist es das eben in einer Großfamilie, man muss die Feste feiern, wie sie fallen.
Kulinarische Ergüsse
oder
Von den besten Festtagsmenüs
Nachdem ich leidenschaftlich gerne koche, ist es in den vergangenen Jahren üblich geworden, mich und meine Familie an allen nur erdenklichen Feiertagen mit einem Besuch zu beehren. Die ausgehungerten Städter, die sich während des Jahres nur von fast food und Fertiggerichten ernähren, können in meiner ländlich bescheidenen Küche so richtig aufatmen und endlich nach Herzenslust schlemmen.
Die Lieben essen einfach alles, was man ihnen vorsetzt.
Ob Blutwurststrudel, gebackene Milz oder Lammbeuschel, die lästigen Familienmitglieder sind einfach nicht zu vertreiben.
Jedes Jahr wieder stieren verhungerte und erwartungsvolle Augen aus verwandten, verschwägerten oder befreundeten Familien in die Töpfe auf meinem Herd und beobachten mein kreatives Treiben in der Küche.
Ihre Gaumen sind einfach nicht zu erschüttern.
Sogar, als ich ihnen eine blutige Schweineleber, kurz angeröstet mit Honigäpfeln servierte, waren sie von meinen Kochkünsten dermaßen überwältigt, dass sie sich gleich zu den nächsten Feiertagen einluden.
Stets bedankte ich mich, wie man so schön sagt, durch die Blume und sann mir bereits bei der Verabschiedung neue Speisefolgen aus, die zu den angesagten, aber wenig geschätzten Gästen passten.
Spezialitäten aus der norddeutschen Küche standen für meine Schwester und deren italienische Schwiegerfamilie auf dem Menüplan. Milzschnitten als Amuse-Gueule, danach Hirnsuppe vom norddeutschen Hammel, gehackter Aal in Bier-Soße (ihren Schwiegervater, ein anonymer Alkoholiker, konnte ich partout nicht leiden) und als Nachtisch, und auch nur dann, wenn niemand vorher schon erbrochen hatte, eine ostfriesische Knüppeltorte.
Ihre Schwiegereltern sah ich nach diesen kulinarischen Ergüssen nie wieder.
Aus der österreichischen Tradition eines Vielvölkerstaates heraus hatte ich auch keine Bedenken, als ich dem französischen Teil meiner Familie Brennnesselsuppe zur Vorspeise, als Zwischengang Dorscheier in Aspik und zum Hauptgericht gebackene Stierhoden servierte.
Immerhin glauben Franzosen, begnadete Liebhaber zu sein und dass Lebensmittel, speziell tierische Eiweiße in Form von Eiern, unmittelbar Einfluss auf die männliche Libido nehmen, bewies mir stets Cousine Francoise. Jedes Jahr zur österlichen Familienfeier trank ein neugeborener Säugling an ihrer Brust.
Während sich Odysseus und die Kinder in diesen kulinarisch aufwendigen Zeiten nur von Fertigpizzas und tiefgekühlten Fischstäbchen ernährten, quoll das Wohnzimmer und der Garten mit Gästen über, die zitternd auf die exotischen Überraschungen warteten. Die aphrodisierende Wirkung meiner Speisen hatte sich bei den männlichen Familienmitgliedern herumgesprochen, so war ich auch einigermaßen gefasst, als mir die erotisch Ausgehungerten in der Küche flehend ins Ohr flüsterten, ob es denn nicht wieder etwas von diesen wunderbaren Eiern gäbe.
Nach einigen Jahren ging mir die Kraft, besser gesagt die Kochrezepte aus meinen Büchern aus, nachdem ich mich durch die skandinavische, baltische bis zur afghanischen – unser lieber katholischer Pater und Freund des Hauses liebte sie besonders – Küche durchgekocht hatte.
Ich saß vor Einladungslisten und dazugehörigen Kochbüchern, das Osterfest stand vor der Türe – bald auch meine geliebten Verwandten – und war verzweifelt.
»Was ist mir dir?«, fragte mich Odysseus besorgt.
»Ich hab zu viel gekocht, ich bin ausgebrannt!«, schluchzte ich ihn an.
»Dir fällt nichts Gehässiges mehr ein?«
»Nein, rein gar nichts. Nichts für die senile Tante Luise, nichts für meine magersüchtige Freundin!«
»Keine Schlagoberstorte?«
»Hab ich ihr letztes Jahr gemacht.«
»Gott, erinnere mich nicht daran! Sie hat danach die ganze Toilette angekotzt.«
»Ich glaube, ich bin krank. Meine Ideen sind weg, ich bin leer und hohl«, seufzte ich.
»Vielleicht bist du endlich vernünftig geworden und hörst auf, dich ständig an deiner Familie zu rächen, gerade