»Ja, gut.«
Normalerweise hätte Corinna gefragt, was sie vorhabe. Daß sie es nicht tat, war ebenfalls ein Alarmzeichen für Melanie.
Sie kannte die Telefonnummer, unter der Corinna früher mit Bernd Kontakt aufgenommen hatte und wußte auch, daß dessen ehemalige Verlobte ganz hilfsbereit war. Also rief sie diese am Abend an, als sie wieder zu Hause war.
»Ich bin eine enge Freundin von Corinna Schmale. Frau Thomsen, es tut mir leid, wenn ich Sie belästigen muß, aber ich komme morgen nach Berlin und will unbedingt mit Bernd sprechen. Können Sie mir sagen, wo ich ihn erreiche?«
»Ja, das kann ich. Aber was versprechen Sie sich davon? Wenn er sich bis jetzt nicht bei Corinna gemeldet hat, wird er das auch dann nicht tun.«
»Ich muß ihm sagen, daß ich Angst um Corinna habe. Sie benimmt sich sehr merkwürdig.«
»Wie meinen Sie das?«
Melanie war angenehm überrascht, daß Julia Thomsen wirklich ernsthaftes Interesse zu haben schien.
»Ich habe Angst, daß sie sich etwas antut.«
Jetzt, wo sie es endlich einmal ausgesprochen hatte, wurde ihr eiskalt vor Schreck. Genau das war es, was sie befürchtete.
»Mein Gott, das ist Bernd doch gar nicht wert!«
»Corinna tut zwar so, als ob es ihr egal ist, aber ich glaube es nicht. Ich muß es ihm sagen. Vielleicht kann es ihn erweichen, wenigstens einmal mit ihr zu sprechen und ihr zu sagen, daß es ihm leid tut.«
»Kommen Sie zu mir, ja? Vielleicht sollten wir zusammen hingehen. Ich glaube, er will mich noch immer zurück. Kein Wunder, er weiß ja auch, was er gewonnen hätte, wenn wir verheiratet wären. Möglicherweise kann ich helfen.«
»Das würden Sie tun?«
»Ich liebe ihn nicht mehr. Er hat mein Vertrauen verloren.«
»Ja, gut, dann komme ich zu Ihnen. Ich treffe morgen um elf in Berlin ein.«
»Ich hole Sie am Flughafen ab, dann verlieren wir keine Zeit. Ich werde am Lufthansa-Schalter auf Sie warten.«
Melanie war erleichtert. Sie fühlte sich nicht wohl bei ihrer Mission, hielt sie aber unbedingt für nötig. Wenn sich Corinna tatsächlich etwas antäte, wenn das Kind geboren war, würde sie sich das nie verzeihen. Sie mußte alles versuchen, was in ihrer Macht stand, um ihrer Freundin zu helfen.
*
Julia und Melanie verstanden sich gut. Beide waren tatkräftige Frauen, die wußten, was sie wollten. Außerdem war Julia längst über Bernds Verrat hinweg, denn Sven und sie waren jetzt ein Paar und sehr verliebt. Sogar ihr Vater hatte sich anerkennend geäußert, obwohl Sven zumindest vom Äußeren nicht seinen Vorstellungen entsprach. Sein BWL-Studium würde ihn jedoch für die Firma sehr wertvoll machen…
»Bernd ist zu Hause. Ich habe ihn angerufen und ihm erzählt, daß ich vorbeikomme«, teilte sie Melanie mit.
»Gut. Ich muß sagen, daß ich ganz schönen Bammel habe.«
»Das brauchen Sie nicht. Er ist leicht zu durchschauen.«
Bernd öffnete ihnen und machte ein ziemlich verblüfftes Gesicht, als er Melanie sah. Er hatte sie nur einmal mit Corinna zusammen getroffen, wußte aber, daß er in ihr nicht gerade eine Bewunderin hatte.
»Was machen Sie denn hier?«
»Ich komme, um Sie an ein paar Pflichten zu erinnern.«
So hatte Melanie nicht anfangen wollen, doch es reizte sie, ihn wiederzusehen. Er machte nicht den Eindruck eines Menschen, der ein schlechtes Gewissen hatte oder dem gar etwas leid täte.
»Oh, wenn Sie meinen, daß Sie das können.«
»Bitte, Bernd, es ist zu ernst. Melanie meint, daß sich Corinna etwas antun könnte«, mischte sich Julia ein.
Das schien ihn doch ein wenig zu treffen. Sie setzten sich und Julia fuhr gleich fort.
»Du weißt, daß mein Vater das persönlich übelnehmen würde, wenn du deinen Ruf auf diese Weise schädigst. So etwas spricht sich schnell herum. Es ist schon keine Ruhmestat, daß du Corinna überhaupt nicht antwortest. Aber wenn sie sich umbringen würde, wäre es die Katastrophe schlechthin. Außerdem wärest du als Vater dann für das Kind verantwortlich. Und was willst du damit anfangen?«
»Ich… hatte ja vor zu zahlen.«
Melanie fand Julias Vorgehen sehr geschickt, aber jetzt mußte sie auch wieder etwas sagen. Es ging schließlich um ihre Freundin.
»Das genügt nicht mehr. Sie müssen mit ihr sprechen und ihr zumindest sagen, daß es Ihnen leid tut und Sie sie leider doch nicht genug lieben, obwohl Sie das geglaubt hatten. Irgend etwas in der Art, damit sie endlich loslassen kann.«
»Ich… will sie nicht sehen.«
»Du mußt, mein Lieber. Das ist doch wohl selbstverständlich. Ich dachte, du würdest schneller begreifen. Wenn du es nicht tust, werde ich meinem Vater wohl doch die wahren Gründe für unsere Trennung nennen müssen. Ich kann dich nicht decken, wenn ich damit das Leben dieser Frau riskiere.«
»Du erpreßt mich?« fragte Bernd jetzt fassungslos.
»Ja, das hast du doch Corinna gegenüber sowieso von mir behauptet. Daß ich das tun könnte. Nun, jetzt tue ich es.«
Melanie war begeistert. Julia war wirklich total ruhig und wirkte ausgesprochen selbstsicher. Hätte Corinna nur ein wenig von dieser Frau…
»Soll ich einfach hinfahren und vor ihrer Tür stehen, oder wie stellt ihr euch das vor?« wollte er in bissigem Ton wissen.
»So ungefähr. Ich werde dann gerade bei ihr sein, damit sie nicht so allein ist, wenn Sie kommen. Sie müssen mir also sagen, wann Sie eintreffen.«
»Das ist ja wirklich reizend. Meinen Sie, Sie müssen Corinna vor mir schützen?«
»Ja, das meine ich! Was ich von Ihnen halte, möchte ich nicht näher ausführen.«
»Und wenn sie sich dann wieder Hoffnungen macht?«
»Das wird sie nicht, wenn Sie überzeugend genug sind. Sie soll nur hören, daß es Ihnen leid tut. Immerhin bekommt sie Ihr Kind. Benehmen Sie sich wenigstens einmal so, daß sie nicht das Gefühl haben muß, daß der Vater ihres Kindes ein Schuft ist. Darauf kommt es mir an.«
Bernd wurde rot vor Ärger, aber er schluckte diese Bemerkung. Melanie stand auf. Sie wollte keine Sekunde länger mit ihm verbringen, als nötig war.
Auf der Straße wandte sich Julia an Melanie.
»Kann ich Sie noch zum Essen einladen, bevor Sie zurückfliegen?«
»Ja, gern. Puh, das war hart.«
Julia lachte kurz auf.
»Mit Bernd kann man immer auf allerhand gefaßt sein. Er ist im Grunde ein Schwächling. Ich bin froh, daß ich es noch herausgefunden habe, bevor ich ihn geheiratet hätte.«
Während des Essens beschlossen sie, in Verbindung zu bleiben. Julia brachte Melanie zum Flughafen zurück.
»Und rufen Sie mich unbedingt an, wenn Bernd da war. Und natürlich auch, wenn das Baby kommt.«
»Ja, das mache ich. Vielen Dank, Julia, für alles.«
Erst als Melanie wieder in ihrer Wohnung war, kamen ihr Bedenken, ob ihre Einmischung richtig gewesen war. Doch um sie zu korrigieren, war es zu spät. Wenn sie bei Corinna wäre, wenn Bernd kam, konnte wohl auch nicht allzuviel schiefgehen.
*
»Stell dir vor, Bernd will morgen abend kommen und mich besuchen. Er sagt, wir hätten wohl doch einiges zu besprechen.«
Corinna sah immer noch erstaunt