Balboa: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Heinrich Joseph von Collin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Joseph von Collin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066113834
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— Gott erzieht

      Oft weitentfernt die gleichgestimmten Seelen,

      Und führet sie dann wunderbar zusammen,

      Wenn sie zur Harmonie vollendet sind. —

      War das nicht euer Wort, Jeronimo?

      Jeronimo.

      Ja wohl.

      Maria.

      An mir hat sich das Wort erfüllt.

      Hier, wo ein Grauen mich vor Menschen faßte,

      Wo Mord auf Mord den scheuen Blick entsetzte,

      Wo ringend im Gebet vor Gott ich lag,

      Daß er durch Tod mich vor Verzweiflung rette:

      Hier — fand ich Balboa!

      Jeronimo.

      O großer Gott!

      Maria.

      Hier lernt’ ich erst die hohe Menschheit ehren. —

      Und was ihr einst von ihrer Herrlichkeit,

      In schönen Stunden, lehrend, mir vertrautet:

      In ihm hab’ ich lebendig es erkannt. —

      Wie angestrahlt vom hehren Himmelsglanze,

      Beseligt, hocherhoben, und entzückt,

      Rief ich nun endlich aus: Der Mensch ist gut!

      Jeronimo.

      Vergöttert nicht, was ihr zuvor verachtet!

      Maria.

      Die Tugend lieb’ ich ja, da ich ihn liebe.

      Gibt’s wohl ein Maaß der Liebe für die Tugend? —

      Ihr selbst, Jeronimo, habt einst in Spanien

      Mir Balboa, mit trunkner Rednerlippe,

      Als schönsten Stolz des hohen Vaterlands,

      Als frohe Hoffnung unsrer Christenheit,

      Als einen Helden, mild und groß, gerühmt;

      Und so gerühmt, daß dann mein irrer Blick,

      Auf ihn gewendet, sich gefesselt fand. —

      Macht euch das Alter nun so ernst und kalt,

      Daß ihr, berührt von seines Namens Zauber,

      Zum Psalter nicht den frohen Geist erhebt?

      Jeronimo.

      Die Sorge drücket meinen Geist darnieder. —

      Habt ihr in Liebeswonne schon vergessen,

      Wie euer Vater Balboa gehaßt?

      Maria.

      Das war. Das ist vorüber. Gott sey Dank,

      Daß es vorüber ist! Nichts mehr davon.

      Jeronimo.

      Maria! Nimmer quillt aus einer Ehe,

      Begonnen ohne Vatersegen, Heil. —

      Und hofft ihr ihn zu euerm Ehebund?

      Maria.

      Würd’ ich sonst heiter seyn, Jeronimo?

      Nun seh’ ich wohl, ihr kennt nicht Balboa.

      Was euch dahinriß, war ein Schimmer nur

      Von seiner Größe; nicht sein ganzer Himmel,

      Der strahlend Wonne weit um sich ergießt.

      Wie der Magnet das Eisen an sich zieht,

      Das widerstrebende: so seine Güte

      Des Feindes Herz. — Wer sich dem Hohen naht,

      Der widerstehet nicht dem süßen Zuge:

      Gebannt in seine milden Lebenskreise,

      Fühlt er sich nah’ und näher angezogen,

      Und enger bald, dann ganz mit ihm verbunden. —

      Und so, durch ihn, veredelt, umgeschaffen,

      Ist aus dem Feinde schon ein Freund geworden. —

      Auch meines Vaters strengeres Gemüth

      Ward doch von seiner Güte Strahl durchdrungen.

      Des neuen Bundes freut der Indier sich,

      Und fühlet seine Bande schon erleichtert.

      Er segnet ihn! — Und diesen Einzigen,

      Der mächtig herrschet über alle Herzen,

      Ihn nenn’ ich mein! — Mich schauert’s vor dem Glücke!

      Dich, Balboa, dich nenn’ ich mein! Dich mein!

      Jeronimo.

      O wunderbare Täuschung süßer Liebe!

      Ihr leiht der ganzen Menschheit das Entzücken,

      So still und heimlich eure Brust beglückt.

      Maria.

      Wie könnt’ ich, Guter, eure Sorgen theilen?

      Soll ich des Vaters klarem Wort mißtrauen?

      Jeronimo.

      Was man sich wünscht, erklärt man aus dem Worte,

      Das dunkel oft ganz andern Sinn verbirgt.

      O wollte Gott, daß ich euch glauben dürfte;

      Doch schwere Zweifel dringen auf mich ein!

      Wohl kenn’ ich Balboa und Pedrarias! —

      Wer kann zum Einklang diese Herzen stimmen?

      Maria.

      In eurer Seele walten mächtig noch

      Die schwarzen Wolken der Vergangenheit,

      Und wollen nicht dem frohen Lichte weichen. —

      Wie werd’ ich mich an eurer Wonne freuen,

      Wenn ihr nun bald die schöne Gegenwart

      Im hellen Spiegel eures Geistes schaut!

      Jeronimo.

      Wie innig ihr mich rührt! Ach, eure Unschuld

      Fühlt sich so glücklich, glaubet sich so sicher,

      Sieht noch die Zukunft nur im Rosenlichte. —

      O Kind! — Die Lebenswoge fließt nicht immer

      Im klaren Strome sanft und ruhig hin.

      Weh dem, der dann, wenn wild der Sturm sich hebt,

      Unvorbereitet sich ergreifen läßt!

      Es bricht mein Herz, allein ich muß euch warnen. —

      Der Himmel wache über Balboa!

      Schon rüstet sich — o glaubt dem Vielerfahrnen! —

      Geheim zur Fehde wider ihn der Haß.

      Vom Hinterhalte lauert gift’ger Neid,

      Der Freund verläßt ihn, einsam steht er da,

      Und hundertköpfig immer sich erneuernd

      Umbrüllt an seiner Brust euch rings Gefahr. —

      Werft einen Blick in euer Innerstes!

      Lebt euch die Kraft im zarten Busen nicht,

      An seinem Arm der Hölle Wuth zu trotzen:

      Noch ist es Zeit! — Zieht eure Hand zurück!