Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: О. Генри
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788075834942
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also – hm?«

      »O, ganz und gar nicht!« versicherte der kleine Kritiker höflich. »Natürlich hätte ich mich ja gefreut, wenn du wie mein Papa wärest, aber jedes Kind ist doch ganz zufrieden damit, wie sein Großvater aussieht, auch wenn es ihn sich anders gedacht hat. – Du weißt ja, Verwandte bewundert man immer.«

      Der Graf lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah einigermaßen verblüfft drein. Er hatte im Bewundern seiner Verwandten leider wenig Erfahrung; er hatte seine Mußestunden meist dazu verwendet, sich mit ihnen zu zanken, sie aus dem Hause zu jagen und allerhand schmeichelhafte Benennungen für sie zu erfinden, weshalb er auch bei allen gründlich verhaßt war.

      »Jedes Kind hat seinen Großvater lieb,« fuhr Lord Fauntleroy fort, »besonders einen, der so gut ist, wie du es gegen mich gewesen bist.«

      Wieder flog ein seltsamer, rascher Blick aus den tiefliegenden Augen zu ihm hinüber.

      »Ach so,« sagte er, »ich bin also gut gegen dich gewesen, meinst du?«

      »Freilich,« erwiderte Cedrik fröhlich, »und ich bin dir auch so dankbar wegen Bridget und der Apfelfrau und Dick.«

      »Bridget?« wiederholte der Graf, »Dick, die Apfelfrau?«

      »Ja natürlich,« erläuterte Cedrik, »alle die, für welche du mir das viele Geld gegeben hast – das Geld, das Mr. Havisham mir zu meinem Vergnügen von dir gebracht hat.«

      »Ach so! Davon ist die Rede! Das Geld, das du ausgeben durftest. Nun, was hast du dir dafür gekauft? Ich möchte gern etwas darüber erfahren.«

      Er zog die dichten Augenbrauen in die Höhe und faßte den Knaben scharf ins Auge; er war wirklich neugierig, in welcher Weise derselbe seine kleinen Launen befriedigt haben mochte.

      »O,« begann Lord Fauntleroy, »am Ende hast du gar nichts von Dick und Bridget und der Apfelfrau gewußt. Ich habe gar nicht daran gedacht, wie weit weg du wohnst. Die sind nämlich besondre Freunde von mir und, mußt du wissen, Michael hat das Fieber gehabt.«

      »Wer ist denn Michael?« fiel ihm der Graf ins Wort.

      »Michael? Ach, das ist Bridgets Mann und die waren in großer Not. Wenn ein Mann krank ist und nicht arbeiten kann und zwölf Kinder hat, kannst du dir ja denken, wie das ist.«

      Nun folgte die ausführliche Schilderung aller Leiden der armen Bridget und ihres Jubels, als er ihr das Geld »von dir, Großvater!« hatte geben dürfen, und »deshalb bin ich dir so dankbar,« schloß er seinen Bericht.

      »So so!« bemerkte der Graf mit seiner tiefen Stimme, »das war also eins von den Dingen, die du zu deinem Vergnügen thatest. Nun, und was hast du sonst mit deinem Reichtum angefangen?«

      Dougal hatte sich, nachdem Cedrik Platz genommen, neben dessen Stuhl gesetzt und hatte ihm mehrmals, wenn er so lebhaft sprach, ernsthaft ins Gesicht geblickt, als ob ihm diese Unterredung höchst interessant wäre. Dougal war ein würdevoller, feierlicher Hund, viel zu ernst und zu groß, um das Leben leicht zu nehmen. Der alte Graf, der ihn genau kannte, hatte ihn insgeheim aufmerksam beobachtet. Es war sonst nicht des Tieres Art, rasch Bekanntschaften zu schließen, und sein Herr war überrascht, wie ruhig er sich unter dem Druck der Kinderhand verhielt, nun aber sah sich Dougal den kleinen Lord noch einmal prüfend und würdevoll an, um gleich darauf seinen gewaltigen Löwenkopf auf das schwarze Samtknie des Jungen zu legen, der den neuen Freund gelassen streichelte, indem er dem Grafen zur Antwort gab: »Ja, da war dann die Geschichte mit Dick. Dick, der würde dir gefallen, der ist ein famoser Bursche.«

      Der alte Herr sah etwas verwundert drein.

      »Er ist so ehrlich,« fuhr Ceddie mit Wärme fort, »und er greift nie einen Jungen an, der kleiner ist, als er, und die Stiefel macht er so blank, daß sie wie ein Spiegel sind: er ist nämlich Schuhputzer,«

      »Und auch ein Bekannter von dir – hm?«

      »Ein alter Freund von mir,« versetzte der Enkel, »kein so alter wie Mr. Hobbs, aber wir kennen uns auch schon sehr lange. Gerade ehe das Schiff abgefahren ist, brachte er mir ein Geschenk,« dabei zog er einen sorgfältig zusammengelegten Gegenstand aus der Tasche und entfaltete mit zärtlichem Stolze das pompöse rotseidene Tuch mit den geschmackvollen Hufeisen.

      »Das hat er mir gegeben, das soll ich immer tragen. Man kann's als Halstuch benutzen oder auch als Taschentuch. Er hat's von dem ersten Gelde gekauft, das er verdient hat, nachdem Jack ausbezahlt war und er die neuen Bürsten von mir bekommen hatte – 's ist ein Andenken. In die Uhr für Mr. Hobbs hab ich einen Vers schreiben lassen: ›Die Uhr, sie spricht: Vergiß mich nicht,‹ und ich werde Dick auch nicht vergessen; so oft ich das Tuch sehe, werde ich an ihn denken.«

      Die Empfindungen Seiner Herrlichkeit des Grafen Dorincourt waren nicht leicht zu schildern. Ein gut Stück Welt und Menschen aller Art hatte er gesehen und war eben nicht leicht zu verblüffen; aber hier trat ihm etwas so Neues und Unerhörtes entgegen, daß es ihm fast den Atem benahm und die merkwürdigste Erregung in dem alten Edelmanne hervorrief. Er hatte sich nie mit Kindern beschäftigt; seine Passionen und Vergnügungen hatten ihm dazu nie Muße gelassen, und seine eignen Jungen waren ihm nie sehr interessant gewesen – höchstens erinnerte er sich dunkel, daß Cedriks Vater ein hübscher, kräftiger Knabe gewesen war. Im allgemeinen war ihm ein Kind immer wie ein höchst lästiges kleines Tier vorgekommen, gefräßig, egoistisch und lärmend, wenn man es nicht in strenger Zucht hielt. Seine beiden Aeltesten hatten ihren Erziehern und Lehrern stets Grund zu Klagen und Verdruß gegeben, und von dem Jüngsten glaubte er nur deswegen weniger Schlimmes gehört zu haben, weil derselbe als solcher für keinen Menschen von Bedeutung war. Daß er seinen Enkel lieb gewinnen könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen – er hatte ihn in sein Haus bringen lassen, weil er seinen Namen dereinst nicht durch einen unerzogenen Lümmel wollte lächerlich machen lassen und er überzeugt war, daß der Junge in Amerika nur ein Halbnarr oder ein clownartiges Geschöpf werden konnte. Er hatte an seinen Söhnen so viel Demütigungen erlebt und war über Kapitän Errols amerikanische Heirat so entrüstet, daß er etwas Erfreuliches bei seiner Nachkommenschaft nicht mehr vermutete, und als der Diener ihm Lord Fauntleroy gemeldet, hatte er sich fast gefürchtet, den Jungen anzusehen. Das war auch der Grund, weshalb er ihn hatte allein sehen wollen; seinem Stolz war der Gedanke eines Zeugen seiner Enttäuschung unerträglich. Aber selbst in den Stunden, wo er mit mehr Hoffnung in die Zukunft geblickt, hatte er sich nie träumen lassen, daß sein Enkel so aussehen könnte, wie die entzückende Kindergestalt, die, das Händchen auf dem Kopfe seines etwas gefährlichen Lieblings, so zuversichtlich und vertrauensvoll vor ihn trat. Diese Ueberraschung brachte den harten alten Mann schier um seine Fassung.

      Und dann begann ihre Unterhaltung, in deren Verlauf sein Erstaunen sich mehr und mehr steigerte. Erstens einmal war er seiner Lebtage gewöhnt, die Leute in seiner Gegenwart scheu und verlegen zu sehen, und hatte deshalb von seinem Enkel auch nichts andres erwartet; statt dessen sah der kleine Junge in ihm offenbar nichts als einen Freund, dessen Liebe ihm von Gott und Rechts wegen gehörte, und behandelte ihn als solchen. Wie der kleine Bursche so dasaß in dem großen Stuhle und mit seiner weichen Stimme herzlich und fröhlich plauderte, ward es ihm ganz klar, daß der Gedanke, der große, grimmig dreinschauende alte Mann könnte ihn nicht lieb haben oder sich nicht freuen, ihn bei sich zu sehen, nie in des Kindes Sinn gekommen war, und daß Cedrik seinerseits ebenso kindlich und zuversichtlich bestrebt war, dem Großvater zu gefallen. Hart, grausam und hochfahrend, wie der alte Graf war, konnte er sich doch einer heimlichen Freude bei dieser neuen Empfindung nicht entschlagen und fand es, bei Lichte besehen, recht angenehm, einmal jemand zu begegnen, der ihm nicht mißtraute, nicht vor ihm zurückschreckte und die schlimmen Seiten seiner Natur nicht ahnte, jemand, der ihn mit hellen Augen vertrauensvoll ansah – und wär's auch nur ein kleiner Junge in einem schwarzen Samtanzuge!

      So lehnte sich der alte Mann behaglich in seinen Stuhl zurück und ermunterte seinen jungen Gefährten zum Plaudern, wobei es immer seltsam um seine Mundwinkel zuckte. Lord Fauntleroy entfaltete sein ganzes Konversationstalent und schwatzte unbefangen und vertraulich; die ganze Geschichte von Dick und Jack, die Verhältnisse der Apfelfrau aus altem Geschlecht und seine Freundschaft mit Mr. Hobbs wurden dem Großvater anvertraut, woran sich dann eine begeisterte Schilderung