Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni Behrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Серия: Leni Behrendt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916930
Скачать книгу
dem Gatten, der in ihrem Wohnzimmer den Schritt verhielt.

      »Möchtest du noch mit mir plaudern?« fragte sie, nicht wissend, was sie von seiner eisigen Haltung zu erwarten hatte.

      »Ja. Das heißt nur, wenn du es nicht als Pflicht auffaßt.«

      Sie errötete bis zur Stirn hinauf und wies ihm stumm einen Sessel zu, während sie ihm gegenüber Platz nahm. Sie war so unbeholfen und verlegen, wie er sie noch nie gesehen hatte, und errötete und erblaßte in raschem Wechsel unter seinem unentwegten Blick.

      »Swen, ich weiß nicht…«, begann sie endlich ratlos. Da lachte er kurz auf: »Nein, du weißt nicht, selbstverständlich nicht. Ich sitze eigentlich hier, um dir endlich für den Jungen zu danken, weiß aber nicht, wie ich meine Worte wählen soll, ohne von dir mit der Bemerkung, daß du nur deine Pflicht erfüllt hättest, zurückgewiesen zu werden.«

      »Ist es aber nicht so, Swen? Ich gebe mir doch alle Mühe, meine Pflichten zu erfüllen und mich nicht zu beklagen wie – du. Ich bin…«

      »Das Vorbild einer Herrin und Mutter«, warf er hart ein. »Nur das einer Gattin bist du nicht. Und das ist es, worüber ich mich beklagen muß.«

      »Swen, ich bitte dich, wohin soll das führen, wenn du mit deinem Leben unzufrieden bist?« stellte sie ihm eindringlich vor. »Es nützt dir doch alles nichts, und wenn du noch so sehr an deinen Ehefesseln zerrst. Du kannst ja doch nicht loskommen.«

      »So. Und das sagst du mir so ganz ruhig ins Gesicht? Und wenn ich doch loskomme, was dann?«

      »Dann kann ich dich natürlich nicht halten«, entgegnete sie müde. »Es muß jeder sein Tun selbst verantworten. Glaube nur nicht, daß mir das Leben so leicht fällt. Ich sage mir aber, daß alles Murren und Aufbegehren mir doch nichts nützen würde und sehe daher zu, mir mein Los so erträglich wie möglich zu gestalten.«

      »Ach, sieh mal einer an! Ich hätte nicht geglaubt, daß du eine so große Lebenskünstlerin bist«, spottete er. »Natürlich, wer so wenig temperamentvoll ist wie du, der kann alles von der hohen Warte der Ruhe und Gelassenheit aus betrachten.«

      »Swen, du mußt nicht über Menschen urteilen, die du so wenig kennst wie mich«, sagte sie wohl immer noch ruhig, aber an den ruckartigen Bewegungen, mit denen sie die Hände in dem Schoß verkrampfte, sah er, daß sie lange nicht so ruhig war, wie sie scheinen wollte.

      »Du kannst ja gar nicht wissen, ob es nicht auch für mich Stunden gibt, in denen ich trotz aller Vernunft, die ich mir immer wieder predige, an den Ehefesseln so sehr zerre, daß sie nicht nur ins Fleisch, sondern auch ins Herz schneiden. Glaube doch nicht, daß es leicht für mich zu ertragen ist, an einen Mann gefesselt zu sein, der noch immer mit jeder Faser seines Herzens an seiner ersten Frau hängt. Der an ihrem Bild Trost und Halt sucht, wenn die Fesseln seiner Pflichtehe ihn gar zu sehr drücken. Ich – ich habe doch schließlich auch ein Herz und das Recht auf Glück und auf…«

      Ihre Stimme brach. Mit einer unendlich verzweiflungsvollen Gebärde drückte sie ihr Gesicht in die Polster des Sessels. Ein so hemmungsloses Schluch­zen erschütterte ihren Körper, daß Swen zu Tode erschrocken aufsprang und die weinende Frau umfaßte. Er merkte, wie sie unter seiner Berührung zusammenzuckte, umschloß sie jedoch nur noch fester mit beiden Armen und richtete die haltlose Gestalt vorsichtig auf.

      »Dumme kleine Frau«, schalt er zärtlich. »Sich so zu erregen.«

      Er wischte ihr behutsam die Tränen vom Gesicht, drückte sie tiefer in den Sessel hinein und schob ihr ein Kissen in den Nacken. Mit tiefer Unruhe beobachtete er, wie sie immer wieder zusammenschauerte. Las nur zu deutlich tiefe Qual aus dem marmorweißen Antlitz.

      Er faßte nach der verkrampften Hand in ihrem Schoß, und als sie sie ihm widerstandlos ließ, griff er auch nach der andern. Er sprach kein Wort, wollte ihr erst Zeit lassen, sich zu beruhigen. Eine unsinnige Angst schnürte ihm Herz und Kehle zusammen. Ihm war zumute wie ein Verbrecher, der sein Urteil erwartet. Was würde er in den nächsten Minuten zu hören bekommen? Denn er wollte jetzt Klarheit schaffen um jeden Preis! Mochte eine restlose Aussprache das Ende seiner Hoffnungen bringen, er hielt dieses zermürbende Hangen und Bangen nicht länger aus.

      Jetzt schlug Gerswint die Augen auf und sah ihn mit einem Blick an, der ihn erschütterte.

      »Swen, ich benehme mich wie ein ungezogenes Kind«, verspottete sie sich selbst und wandte ihren Kopf unter seinem rätselhaften Blick zur Seite; sie versuchte ihre Hände aus den seinen zu ziehen; doch er hielt sie eisern fest.

      »Gerswint, heute entschlüpfst du mir nicht!« sagte er mit schwerem Ernst. »Heute will ich endlich Klarheit zwischen uns schaffen. Denn soeben ist mir mit erschütternder Deutlichkeit klargeworden, daß nicht nur ich an dieser Ehe langsam aber sicher zugrunde gehe, sondern daß es dir auch so geht. Deine straffe Selbstbeherrschung hat mich bisher so täuschen können, daß ich dich für eine gefühlsarme Natur gehalten habe. Daß du das aber nicht bist, das habe ich in dieser Stunde erkennen müssen.

      Gerswint«, bat er warm und eindringlich, »sieh bitte in mir den Menschen, der es von allen auf der Welt am besten mit dir meint. Laß mich einen Blick in dein Herz, in dein Gefühlsleben tun, damit ich doch weiß, woran ich bin. Und sollten mich deine Offenbarungen auch noch so vernichtend treffen, ich werde mich so oder so mit ihnen abfinden.«

      Da ging ein unsäglich bitteres Lächeln über ihr bleiches Gesicht.

      »Gut, Swen«, sagte sie entschlossen und richtete sich aus ihrer haltlosen Stellung auf. »Ich soll dir mein Herz erschließen? Das ist doch so einfach, Swen. Es ist mir trotz aller erbitterten Fehde, in der ich mit meinem Herzen lag, nicht gelungen, es zu besiegen. Ich bin nun kampfesmüde geworden. Lache mich aus, nenne mich einen Schwächling, aber ich – ich…«

      Weiter kam sie nicht; denn Swen riß sie in seine Arme und preßte seine Lippen auf ihren zuckenden Mund. Lachte wie ein übermütiger Junge in ihre entsetzten Augen hinein.

      »Gerswint, liebe kleine Frau, du brauchst nichts mehr zu sagen. Ich will ja nichts weiter, als daß du mich liebhast – nur einen Teil so lieb, wie ich dich liebe.«

      »Ja, aber Ilse?«

      »Werde ich stets ein liebevolles Gedenken bewahren«, fiel er ihr ernst ins Wort. »Aber mein Herz, mein ungestümes heißes Herz, das hat sich schon längst von ihr gelöst. Eigentlich schon in dem Augenblick, da ich dich zum erstenmal in meinen Armen hielt. Und als du dann die Schranke zwischen uns errichtetest, da litt ich, litt bis zum Wahnsinn.«

      »Oh, mein Gott, Swen, da habe ich mich ja schwer versündigt«, bekannte sie voll tiefer Scham und ließ den Kopf an seine Schulter sinken.

      »Das hast du auch, du grausame, kleine Person! Aber wie ich hoffe, wirst du das nun doppelt gutmachen.«

      »Und wie gern, Swen. Ich wußte zuletzt nicht mehr aus noch ein. Wie sehr ist es mir da zustatten gekommen, daß meine Mutter mich seit frühester Kindheit an die Kunst der Selbstbeherrschung gelehrt.«

      »Mir wäre weniger Selbstbeherrschung lieber gewesen«, bekannte er trocken. »Dann hättest du dich nicht so zusammennehmen können, und ich hätte dich früher durchschaut. Nun ist doch aber alles restlos geklärt, Liebste?«

      Sie preßte ihren Kopf an seine Brust, und er zog sie fest an sich.

      »Gerswint, du mein Herzliebstes«, sagte er mit verhaltener Stimme. »Jetzt erst soll unser Leben schön werden; denn es wird von heißer Liebe durchflutet sein. Jetzt haben wir es nicht mehr nötig, unsere Herzen zu befehden, sondern können die Liebe darin walten lassen.

      Und jetzt erst kann ich Onkel Leopold für sein Erbe von ganzem Herzen dankbar sein und voll Verehrung und Liebe seiner gedenken.«

Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

      Vor sich hin brummend, stieg der Mann die langen Treppen des großen Mietshauses empor. Du lieber Himmel, wo bekamen die Menschen, die hier im vierten Stock wohnten, bloß die Puste her, um diese unbequemen, ausgetretenen Stiegen tagtäglich erklimmen zu können! Die mußten ja Lungen wie die Rennpferde und