DIE REGELN DER RACHE (Black Shuck 2). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352964
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hat gelogen, Mr. Thom, und ich glaube Ihnen. Dennoch dürfen wir es auf keinen Fall darauf ankommen lassen, dass irgendjemand, der außer uns hiermit zu tun haben wird, das anders sieht. Abteilung B soll all ihre Daten über O'Reilly auf den neuesten Stand bringen. Ich verlange eine Zusammenstellung und Beschreibung all seiner Tätigkeiten – ob beruflich oder privat – während der vergangenen sechs Monate. Verfolgen und dokumentieren Sie auch seine Finanzbewegungen. Ich will alles!«

      Thom blickte ihn kurz argwöhnisch an, bestätigte das Ganze aber mit einem Nicken.

      »Wir werden ihn finden«, sagte Dennis und ging. »Ich glaube nicht, dass man ihn umbringen wird. Er ist schließlich ihr einziges Druckmittel. Kann sein, dass sie sich auf andere Weise dafür rächen werden, was wir heute getan haben, aber Officer O'Reilly wird kein Haar gekrümmt – ausgeschlossen.«

      »Die Vorstellung, dass sie sich auf andere Weise rächen, ist aber auch nicht gerade erbaulich«, rief Thom ihm hinterher, »aber hoffen wir, dass Sie richtigliegen, was Shane angeht.«

      Kapitel 7

       15:17 Uhr Ortszeit, Landstraße 1402 – Mullaghmore County Monaghan, Irland

      Declan wahrte einen gleichmäßigen Rhythmus, während er die ruhige Straße entlang zum Landsitz der Familie McGuire lief. Da es sich um die frühere Basis der IRA-Einheit handelte, der er einstmals angehört hatte, war er mit gemischten Gefühlen zurückgekehrt – nach Irland ganz allgemein – hatte sich aber letzten Endes doch eingelebt. Das Landschaftsbild war seit seiner Ausreise drastischen Wandlungen unterworfen gewesen. Wo man einst nichts als baufällige Bauernhöfe und Weideland gesehen hatte, standen nun große Familienhäuser aus der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs Mitte der 1990er, der bis wenige Jahre zuvor angehalten hatte. Obwohl jetzt doppelt so viele Menschen in der unmittelbaren Umgebung lebten als vor zwei Jahrzehnten, lag das Gut nach wie vor so weit weg vom Schlag, dass es ihm jene Privatsphäre bot, die er so dringend brauchte.

      Nach dem Joggen, als Declan das Letzte von vier Viehgattern in der Haupteinfahrt passiert hatte, beugte er sich vornüber und stützte seine Hände auf die Oberschenkel, um kurz zu verschnaufen. Das Haus stand in einer Art Senke, die durch die Gefälle ringsherum bedingt war, und fügte sich mit seinen ummauerten Gärten harmonisch in die umgebende Landschaft ein. Den Weg hinunter zogen sich zwei schmale, geschotterte Fahrspuren mit einer breiten Grasfläche dazwischen, im Südwestwinkel der Einfahrt gegenüber kräuselte sich das dunkelblau funkelnde Wasser eines kleinen Sees im lauen Wind, und Efeu rankte an der Steinfassade sowie an den Geländern der zahlreichen Balkons des festungsartigen Gebäudes hoch. Declan richtete sich wieder auf und schaute hinaus auf den weitläufigen Rasen, wo seine Frau gerade mit ihrem Beagle spielte. Constance gefiel es hier offenbar. Sie schien sich wohlzufühlen, was man an ihrer vergnügt federnden Gangart erkannte, als sie Shelby mit einer lindgrünen Tennisballkanone beschoss, um sich nicht allzu sehr anzustrengen. Der Hund jagte den gelben Projektilen durch den gesamten Vorgarten hinterher.

      Nachdem sich Declan mit dem unteren Saum seines T-Shirts den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, warf er noch einen besorgten Blick zurück und setzte dann seinen Weg fort. Shelby fühlte sich von seiner Ankunft zu einem leisen Kläffen bewogen, bevor sie ihn erkannte und ihn wie gewohnt begrüßte: Sie sprang an ihm hoch und schnappte nach einem Zipfel seines Shirts, um ihn zu sich hinunterzuziehen, damit er sie streichelte. Dies tat er auch pflichtschuldigst, weil er genau wusste, dass jeder Versuch, ihr den Stoff abspenstig zu machen, zu Rissen führte, die schon viele seiner Kleider davongetragen hatten.

      »Hallo, altes Mädchen.« Er tätschelte den Beagle mehrmals, während sich seine Frau ihnen näherte. Dann erhob er sich und empfing sie mit einem Kuss auf die Wange, die sie ihm hinhielt, obwohl er sie eigentlich auf den Mund küssen wollte. »Und hallo, kleines Mädchen.« Er legte seine Hände auf ihren Bauch.

      »Es wird ein Junge.« Constance entzog sich ihm wieder. »Das haben wir doch schon durchgekaut.«

      »Stimmt, das haben wir. Ich sag's ihr, nachdem sie zur Welt gekommen ist.«

      Seine Frau bedachte ihn mit einem genervten Blick. »Und sollte es aller Abwegigkeit zum Trotz doch ein Mädchen werden, taufen wir sie nicht Caoimhe. Das ist der schrecklichste Name, den ich je gehört habe.«

      »Aber es entspricht unserer Tradition. Nach Lorna nennen die Flynns alle ihre Töchter so.« Er grinste. Lorna Flynn, so lautete der Name seiner Mutter, und er hatte Constance weismachen wollen, dass seine Großmutter Caoimhe geheißen hatte. Dies war ein althergebrachter irischer Name, der vollkommen anders ausgesprochen als geschrieben wurde. Ein schrulligerer war ihm nun mal nicht eingefallen, als er sich den Scherz ein paar Monate zuvor erlaubt hatte.

      »Und was entspricht der McIver-Tradition?«, konterte sie. »Colm?«

      »Fergal«, antwortete er selbstsicher, wohingegen sie ihn mit zusammengekniffenen Augen ansah.

      »Nicolas«, entgegnete sie gefällig lächelnd.

      Declan täuschte Abneigung vor, indem er die Zunge herausstreckte. »Aber das klingt so unmännlich mit dem ›s‹ am Ende. Ich hasse das.«

      Genau genommen mochte er selbst auch keinen der Namen, die er nicht ernst gemeint vorgeschlagen hatte, sondern zog seine Frau lediglich gerne auf, was sie allerdings sofort durchschaute. Er nahm die Namensgebung für ihr erstes Kind keineswegs auf die leichte Schulter, und so ging es in Constances Augen wohl allen angehenden Eltern. Er hoffte auf eine Tochter und konnte sich dieses Gefühls einfach nicht erwehren. Bei einem Mädchen taten sich nicht nur mehr Auswahlmöglichkeiten für den Namen auf; er spürte außerdem, dass er dann der liebevolle Vater sein könnte, der nie um aufbauende Worte verlegen war, ein Förderer und behutsamer Führer, so wie es der umgänglichen Persönlichkeit entsprach, die er sich selbst zuschrieb. Bei einem Sohn hingegen schien die Sache komplizierter zu werden. Zunächst einmal brauchte dieser einen männlichen, ausdrucksstarken Namen, während Constance alles andere als das vorsah. Außerdem musste ein Junge zu Respekt und ausgeprägter Arbeitsmoral erzogen werden, um es mit seiner späteren Familie zu etwas bringen zu können. Declan war sich bewusst, dass er diesbezüglich leicht altmodische Ansichten vertrat, doch das störte ihn nicht. Seines Erachtens nach hatte eine langjährige Verweichlichung zu zahlreichen krankhaft unvorbereiteten und drückebergerischen Erwachsenen geführt, die zumindest einen wesentlichen Teil der aktuellen Schwierigkeiten westlicher Kulturkreise verursachten.

      »Also«, sprach er wieder, während er versuchte seine innere Unruhe zu überwinden und einmal mehr einen langen Blick in die freie Einfahrt warf.

      »Irgendetwas von Shane gehört?«, fragte Constance nun.

      Declan schaute seine Frau erneut an und verneinte kopfschüttelnd. »Noch nichts.«

      Shane O'Reilly hatte zu Besuch kommen wollen, um den Rest des Tages gemeinsam mit ihm die Fußballübertragung zu schauen, hatte sich bislang aber weder blickenlassen noch gemeldet. Da die Mobilfunknetze in dieser Gegend gelinde gesagt zu wünschen übrig ließen, war Declan auf die geringe Wahrscheinlichkeit hin, dass der Mann mit seinem uralten Landrover auf einer der Straßen in der Umgebung liegen geblieben war, zu einem nachmittäglichen Lauf aufgebrochen. In der vergangenen Stunde hatte er die ungefähr fünf Meilen Verkehrsweg zwischen Killyneill und Coolmuckbane zurückgelegt, ihn aber nicht gefunden.

      »Ihm geht es bestimmt gut. Du kennst Shane doch. Ab und zu muss er eben kurzfristig Dienst schieben.«

      Declan legte einen Arm um Constances Rücken, lächelte und führte sie dann auf den Hauseingang zu. »Weißt du, ich denke schon seit einiger Zeit, dass mittlerweile genug Gras über die Sache gewachsen ist und wir uns allmählich wieder ein bisschen weiter ausstrecken können. Wie wär's, wenn wir uns mal mehr von dem Land ansehen, so wie wir es gestern getan haben?«

      Seine Frau schaute ihm hoffnungsfroh strahlend in die Augen. »Oder vielleicht häufiger Besuch einladen?«

      Er schürzte seine Lippen. Ihm war durchaus bewusst, dass sich Constance mehr als alles andere wünschte, ihren Vater und ihre Mutter wiederzusehen. Seine Schwiegereltern standen ihr, dem jüngsten von zwei Kindern, äußerst