»Der Ausdruck stammt von Ralf, nicht von mir.«
»Das klingt verflixt trotzig, Nore.«
»Tante Traude, hab’ doch Nachsicht mit mir – nach diesem erschütternden Brief!«
»Das habe ich wahrlich, mein Herzchen«, strich sie zärtlich über den geneigten goldflimmernden Kopf. »Wenn dir die Rosen da nichts zu sagen haben, dann nützen auch tausend eindringliche Worte nichts.«
»Wie weißt du denn, daß die Rosen von Ralf sind?«
»Na, hör mal, wer sonst würde es wohl wagen, einer jungen Ehefrau so einen Liebesgruß zu senden? Lag kein Glückwunsch dabei?«
»Nein. Außer der Karte des beauftragten Blumengeschäftes fand ich nur diese gedruckten Zeilen.«
Nachdem Gertraude sie gelesen hatte, nickte sie bestätigend.
»Das sollte sich jedes junge Paar zur Warnung dienen lassen. Steckte übrigens der Brief deiner Mutter allein in dem Umschlag da?«
»Ich weiß nicht.«
»Dann sieh mal nach. Da ein Notar dir den Brief übersandte, wird er ein Begleitschreiben beigefügt haben.«
Das zog Lenore denn auch aus dem Umschlag. Der Notar teilte mit, daß er auf Wunsch seiner Klientin, Frau Melanie Ingwart geb. Höveking, ihrer Tochter Frau Skörsen, geb. Ingwart, am Tage ihrer Volljährigkeit beiliegenden Brief nebst beiliegenden Papieren überreiche. Die Empfängerin wolle recht bald Bescheid geben, wie sie über das deponierte Geld verfügen möchte.
»Großer Gott, was soll ich bloß mit dem vielen Geld anfangen?« Lenore zeigte erschrocken auf die hohe sechsstellige Zahl, und da mußte Gertraude denn doch lachen.
»Wird dir schon noch einfallen, du kleiner Krösus. Doch nun mal hopp, zieh dich an! Deine Gratulanten warten mit Schmerzen auf dich.«
*
Der Frühling verging, der Sommer kam und brachte Mitte August als Gast Schwester Agathe, die sich in dem harmonischen Kreis äußerst wohl fühlte.
»Das kann Ihnen hier so passen«, brummte ihr Vorgesetzter, als er wieder einmal die Verwandten besuchte. »Leben hier herrlich und in Freuden, während ich schwer schuften muß.«
»Auch im Urlaub, Herr Professor?«
»Natürlich nicht. Den pflegt ein Arbeitstier wie ich geruhsam zu verleben.«
»Sehen Sie, das tue ich mit meinem hier auch.«
»Na, geruhsam?« lachte der Hausherr. »Dafür dürfte es bei uns wohl zu munter zugehen. Hauptsächlich unsere beiden Marjellchen haben Sie straff am Bändel, Frau Oberin. Die gönnen Ihnen kaum eine Stunde Ruhe, wenn sie nicht gerade in Wald und Flur umherschweifen, wie zum Beispiel jetzt.«
»Mir sehr recht, daß sie nicht da sind«, sagte der Professor. »Da kann ich wenigstens ungeniert über das sprechen, weswegen ich eigentlich hier bin. Doktor Skörsen war heute bei mir.«
»Was?« war Hermann Hollgart gleich den beiden Damen so überrascht, daß er die geliebte Pfeife anzuzünden vergaß, was er gerade vorhatte. »Seit wann ist er denn wieder im Lande?«
»Seit ungefähr einer Woche.«
»Will er denn wieder zu uns zurück?« fragte die Oberschwester interessiert.
»Leider nicht. Er will die Praxis des kürzlich verstorbenen Arztes Blonky übernehmen.«
»Wie will er die bezahlen, etwa vom Geld seiner Frau?«
»Er wußte bisher noch gar nichts von diesem reichen Segen, Traude. Wer hätte es ihm auch mitteilen sollen?«
»Seine Mutter zum Beispiel.«
»Weiß die denn von Lenores Erbschaft?«
»Und ob! So was spricht sich schnell herum. Jedenfalls erhielt Nore von ihrer Schwiegermutter kürzlich einen Brief, in dem diese sie ganz unverblümt anbettelte. Erst einmal um fünftausend Mark, die sie zur Aussteuer der Tochter benötigte, die in nächster Zeit zu heiraten gedächte.«
»Alle Wetter«, sagte der Professor verblüfft. »Die Frau ist bestimmt nicht schüchtern. Und wie hat Lenore darauf reagiert?«
»Sie riß den Wisch mittendurch, tat ihn in einen Umschlag und ließ ihn an den Absender zurückgehen.«
»Bravo! Anders hätte sie mich auch enttäuscht. Jedenfalls erwähnte Skörsen von der Erbschaft seiner Frau nichts, auf die er übrigens gar nicht angewiesen ist. Denn wie er mir kurz erklärte, kehrt er nicht mit leeren Händen zurück. Es ist ihm nämlich gelungen, das einzige Kind eines sehr reichen Australiers von einer Krankheit zu heilen, an der bisher vergebens herumgedoktert wurde. Da hat der überglückliche Vater den Retter seines Kindes natürlich fürstlich belohnt. Nun will er sich von dem Geld eine Praxis erwerben und seine Frau wiederhaben, das ist sein Entschluß, den er wahrscheinlich in die Tat umsetzen wird, auf Biegen oder Brechen. Der Mann hat sich in dem halben Jahr nämlich sehr verändert, äußerlich wie charakterlich. Er ist irgendwie hart geworden, hart und unnachgiebig.«
»Mein Gott, da kann man ja Angst kriegen!« sagte Gertraude unbehaglich. »Will er etwa hierherkommen?«
»Ja, morgen, vielleicht auch heute schon, um sich mit seiner Frau auszusprechen.«
»Na, prost Mahlzeit!« kratzte der Tierarzt sich den Kopf. »Das wird ja ein guter Tanz werden. Denn soweit ich Lenore kenne, wird sie sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben, zu ihrem Mann zurückzukehren. Armes Marjellchen!«
Wie auf ein Stichwort trat Lenore, gefolgt von Ilga, hinzu, sprühend vor Lebensfreude und Gesundheit. Sie trug einen bunten Waldblumenstrauß, den sie lustig schwenkte.
»Hier, Tante Traudeleinchen, für dich, weil du diese Sträuße doch so liebst. – Nanu, wer kommt denn da?« Sie zeigte durch das Fenster auf den Wagen, der eben durchs Tor fuhr.
Nun wurden auch die anderen aufmerksam, und Gunther, der sich wie alle Jungen seines Alters für Autos brennend interessierte, brummte anerkennend: »Schicke Karre. Wer sich so eine leisten kann, muß ganz nett in der Wolle sitzen. Will doch mal nachsehen.«
An der Tür stieß er mit dem Hausmädchen zusammen, das wichtig meldete: »Herr Doktor Skörsen wünscht seine Aufwartung zu machen.«
Und schon wurde dieser sichtbar, ging unbeirrt auf die Hausherrin zu und verharrte vor ihr in tadelloser Verbeugung. »Verzeihung, gnädige Frau, daß ich hier so unformell eindringe.«
»Von Eindringen kann gar keine Rede sein«, entgegnete sie rasch gefaßt. »Seien Sie uns willkommen, Herr Doktor Skörsen. Das ist mein Mann, das meine Tochter Ilga, das mein Sohn Gunther. Alle anderen sind Ihnen ja bekannt.«
Nachdem die Begrüßung erfolgt war, stand der Mann vor Lenore, die ihn anstarrte wie etwas Grausiges. Erst als er nach ihrer Hand faßte, kam Leben in sie. Ganz fremd klang ihre Stimme, die nun schroff fragte: »Was willst du hier?«
»Lenore!« mahnte Gertraude. »Du bist ja ungezogen. So begegnet man doch nicht seinem Mann.«
Da schluchzte sie hart auf, eine rasche Wendung. Und ehe noch jemand sie zurückhalten konnte, war sie auch schon hinausgestürmt.
»Na, so ein kleiner Feigling«, sagte der Tierarzt genauso perplex wie die anderen alle. »Geh ihr nach, Traudchen, und bring sie mal ein bißchen zur Raison!«
»Wird nicht einfach sein«, setzte sie sich seufzend in Bewegung. Ilga folgte, und der Professor lachte.
»Echt weiblich, sein Heil in der Flucht zu suchen.«
»Es