»Wie kommst du dazu, Ella zu entlohnen?!« schrie sie wütend. »Du hast mich damit bloßgestellt!«
»Nun, mehr als du selbst es tust, kann es wohl kaum noch geschehen«, bemerkte er mit einem Blick auf ihr mehr als »offenherziges« Negligé.
»Zieh dich zuerst einmal an, dann können wir weiter reden.«
Damit schob er sie aus der Tür, schloß ab und steckte in aller Gelassenheit eine Zigarette in Brand, während draußen die Fäuste der Erbosten wie rasend gegen das Holz trommelten. Doch da das zarte Händchen mitzunehmen pflegt, hielten sie bald inne. Türen krachten – und dann herrschte Ruhe nach dem Sturm.
Mit einem Gefühl des Ekels drückte Eike Hadebrecht die halbgerauchte Zigarette in die Aschenschale. Dann verließ er das Ankleidezimmer und ging nach unten, wo man von dem Toben seiner Frau nichts gemerkt zu haben schien.
Man lachte gerade über eine drollige Bemerkung der kleinen Ute, die zwischen den Knien des Großvaters stand; dieser warf über das Kinderköpfchen hinweg einen forschenden Blick auf den Sohn, dessen Gesicht hart und blaß war. Doch bevor es zu einer Frage kommen konnte, trat das Ehepaar Nargitt ein.
»Natürlich ist Anka wieder bei euch!« klagte Thea. »Obwohl sie es wirklich gut bei uns hat, zieht es sie doch immer zum alten Nest zurück.«
»Hier ist es auch viel schöner als bei euch«, maulte die Kleine. »Ihr seht mich ja gar nicht, immer nur euch.«
»Was bei einem Flitterwochenpaar wohl so üblich ist«, schmunzelte der Großvater gleich den anderen. »Aber jetzt scheint ihr ja eurer Mitwelt wiedergegeben zu sein. Und wie es euch geht, brauche ich erst gar nicht zu fragen. Ihr seht beide so recht zufrieden aus.«
»Sind wir ja auch, Papa«, bestätigte Thea, während sie nebst dem Gatten in der Runde Platz nahm. »Wir sind sehr glücklich, nicht wahr, Herzensmännchen?«
»Sehr, Thealieb.«
»Kinder, hört auf!« sagte Philipp lachend. »Mir scheint, ihr habt euch zu früh unter uns nüchterne Menschen gewagt.«
»Aber Papa, wie kannst du nur so reden!« war die junge Frau nun gekränkt. »Ist es nicht schöner, wenn ein Ehepaar sich liebreich begegnet, als wenn es sich ewig zankt, wie zum Beispiel Ilona und Eike? Die war übrigens vor einigen Tagen bei uns und klagte Stein und Bein über die Lieblosigkeit ihres Mannes.«
»Laß das unerquickliche Thema«, winkte der Vater kurz ab. »Erzähle uns lieber, wie du es fertiggebracht hast, in den drei Wochen deinem Mann so dicke Backen anzunudeln.«
»Ich koche auch mit Liebe«, erklärte die junge Frau stolz. »Jeder Bissen, den mein Feinschmeckerlein in den Mund steckt, ist mit Liebe gewürzt. Wir haben eben einen herrlichen Spaziergang gemacht und kamen nur her, um euch kurz guten Tag zu sagen. Jetzt müssen wir aber gehen, weil ich noch die letzte Hand ans Mittagsmahl zu legen habe. Es gibt junge Hähnchen mit Gurkensalat, danach eine ganz delikate Speise. Die wird – auch unserm Ankalein munden, nicht wahr, mein Süßes?«
»Nein«, kam die Antwort kurz und bündig. »Ich esse hier zu Mittag.«
»Aber Liebes, wie undankbar von dir! Was machen wir da nur, Reinischatz?«
»Wir lassen sie hier, mein Häschen.«
»Ja, wenn du meinst…«
Damit verabschiedeten sie sich. Und kaum, daß sie gegangen waren, blies der Senior die Backen auf und verdrehte die Augen.
»Eike, gib mir einen Kognak, mir ist ganz schwiemelig im Magen. O Gott, Quark mit Himbeersaft ist ja gar nichts gegen das süßliche Gesäusel!«
Es klang so verzweifelt, daß die anderen hellauf lachten. Doch nachdem er zwei Gläschen von dem belebenden Getränk intus hatte, wurde ihm wieder wohl. Schmunzelnd meinte er: »Da hat ein gütiges Geschick wenigstens einmal ein Paar zusammengebracht, das sich gegenseitig beturteltäubelt. Stell dir mal vor, Muttchen, wenn ich dich mit Schweineschwänzchen betiteln wollte!«
»Na, du, das möchte ich mir wohl ernstlich verbitten«, entrüstete sie sich, fiel dann aber in das Gelächter der anderen ein, das noch zunahm, als Anka ernsthaft sagte: »Mäuseschwänzchen hat der Papi zur Mami auch schon gesagt.«
»Na, siehst du, Muttchen, da ist Schweineschwänzchen doch appetitlicher. Und nun verschwindet mal, ihr Görchen. Ihr sperrt mir zu sehr die kleinen Ohren auf.«
»Das tu ich doch so gern«, bekannte Anka eifrig, mußte jedoch abtrollen, weil der Großvater nicht mit sich verhandeln ließ.
Und das war gut so. Denn kaum, daß die Kinder gegangen waren, trat Ilona ein – und schon war die Gemütlichkeit futsch.
Als sie sich an Silje vorbeizwängte, um zum nächsten Sessel zu gelangen, trat sie ihr empfindlich auf die Füße. Dachte aber nicht daran, sich zu entschuldigen, ließ sich ins Polster fallen, griff nach einer Zigarette und kommandierte: »Feuer!«
»Nanu, aus welcher Kanone denn?« fragte Philipp so verdutzt, daß die anderen Tränen lachten.
Das gefiel der ungnädigen Dame nun ganz und gar nicht. Sie warf die Zigarette in die Gegend und wurde aggressiv: »Na ja, dieses alberne Lachen kenne ich nun schon an euch – ihr – ihr…
Aber ich glaube, es ist wohl besser, wenn ich gehe, bevor ich mich noch zu etwas hinreißen lasse!«
»Ich glaube wirklich, daß es besser ist«, grollte die Stimme des Schwiegervaters gefährlich dazwischen. »Laß dich hier erst wieder blicken, wenn du dich in Gesellschaft wohlerzogener Menschen benehmen kannst. Und nun befreie uns bitte von deiner Gegenwart.«
Das war in aller Ruhe gesagt. Doch wer den Mann kannte, der wußte, daß er sich nur noch mit Aufbietung aller Energie beherrschte. Die Augen drohten unter den buschigen Brauen hervor, das Gesicht lief rot an, das Kinn schob sich vor…
Da sprang Ilona auf und hastete davon, um sich erst einmal in Sicherheit zu bringen. An der Tür aber blieb sie stehen und schrie wütend: »Spießer seid ihr – jawohl, Spießer! Ich verabscheue euch!«
Dann erst verschwand sie endgültig.
Unter den Zurückbleibenden herrschte peinliches Schweigen, das der Senior nun unterbrach: »Jetzt ist es Zeit, daß du die Scheidungsklage einreichst, mein Sohn.«
»Das ist ganz meine Ansicht, Vater. Ich warte nur noch ab, bis llona wieder auf Reisen geht, um mich und euch alle Widerwärtigkeiten zu ersparen. Daher noch ein wenig Geduld bitte. Denn ohne ›ihre große Welt‹ hält sie es bestimmt nicht mehr lange aus. Dann werde ich handeln und ihr gleichzeitig unser Haus verbieten.«
*
Es war nach dem Mittagessen, bei dem haum etwas genossen wurde, weil allen fast der Bissen im Halse stecken blieb.
Silje lag in ihrem Zimmer auf dem Diwan und las, weil es draußen in Strömen regnete. Es kam gerade zur Zeit dieses kostbare Naß, um der Natur Erquickung zu bringen, die förmlich nach ihm lechzte.
Silje gab sich alle Mühe, um das, was im Buch geschrieben stand, zu erfassen, aber immer wieder schweiften die Gedanken ab. Und dann kam Philchen, setzte sich zu ihr auf den Diwan und seufzte: »Daß du es nur weißt, ich mache Feierabend. Denn was sich jetzt im Hause zuträgt, ist selbst für meine Nerven zu viel, die eigentlich ganz gut intakt sind. Ich verreise. Kommst du mit?«
»Dazu müßte ich erst einmal wissen, wohin die Reise gehen soll, geliebtes Philchen.«
»Dorthin, wo es schön ist, wo es keinen Streit und Hader gibt.«
»Dann müßtest du schon in die Gefilde der Seligen überwechseln«, bemerkte das Mädchen trocken. »Denn wo sich unsere liebe Erde dreht, gibt es auch Hader und Streit.«
»Das mußt du Grünschnäbelchen ja wissen. Aber wirklich, Silje, es ist nicht mehr schön im Hadebrecht-Haus, in dem ich