15.Hesiod, Werke und Tage, Vers 291 ff.
16.Mit enzyklischen Schriften sind vielleicht dieselben Schriften des Aristoteles gemeint, die er anderwärts die exoterischen Schriften nennt, wahrscheinlich darum, weil sie die philosophischen Stoffe in mehr populärer Form behandelten; cf. Bonitz, Index Aristotelicus sub voce Aristoteles 104b sq.
17.Man vergleiche bezüglich der Ideenlehre Plato's Metaphysik I, 6 u. 9 und die Anmerkung 17 in unserer Übersetzung der Metaphysik I, 184.
18.Der erste ist der Wille, an sich eine blinde Seelenkraft, die erst vom Verstande die rechte Leitung empfängt; der zweite der Verstand oder die Vernunft. In der Tätigkeit oder dem Aktus des Verstandes, das ist Aristoteles Meinung, liegt das spezifisch Menschliche mehr als in der des Willens. Daher ist auch seine Tätigkeit genußreicher und seliger. Den Gedanken einer spezifisch menschlichen Tätigkeit und Tugend oder Tüchtigkeit hat schon Plato, Staat, I, 352f.
19.Aktuell tätig, πρακτικὴ κατ ενέργειαν, im Gegensatze zu habituell tätig, wie z. B. das Leben des Handwerkers ein tätiges ist, ohne daß er deshalb immer arbeitet. Es ist also nicht an den Gegensatz von Verstandes- und Willenstätigkeit zu denken, als wäre die erste Selbsttätigkeit, die zweite, als abhängig von der ersten, es nicht.
20.Die genauere Bestimmung der Glückseligkeit folgt am Schlusse des ganzen Werkes, X, 6–9.
21.Im Proömium, siehe Kapitel 1 Anm. 9.
22.Ein solcher Fehler würde z. B. gemacht werden, wenn in dieser praktischen Disziplin der Moral eigens und weitläufig Fragen der Psychologie, die eine theoretische Disziplin ist, behandelt würden.
23.Wollte man von jedem, auch der Ursache, die Ursache wissen, so nähme das Fragen kein Ende. In der Gotteslehre hat seit Kant die Außerachtlassung der aristotelischen Warnung viel Verwirrung angerichtet und Unheil gestiftet. Gott, als höchste und letzte Ursache, hat nicht wieder eine Ursache. Er ist auch nicht im positiven Sinne sich selbst Ursache. So darf auch in der Glückseligkeitslehre, nachdem einmal festgestellt sein wird, was die Glückseligkeit ist, nicht noch weiter gefragt werden, warum wir sie denn begehren. Aristoteles sagt, »bei einigem«, έν τισι, genüge es, das »daß« anzugeben, d. i. bei den letzten Zwecken. Das »daß«, gewisse Definitionen und Grundsätze, sind Prinzipien jeder Wissenschaft.
24.Durch Induktion kann man z. B. in der Mathematik finden, daß alle Zahlen grade oder ungrade Zahlen sind; durch Wahrnehmung in der Physik, daß alles Lebendige der Nahrung bedarf; durch Gewöhnung in der Moral, daß die Begierde durch Widerstand geschwächt wird; noch auf andere Weise, durch Erfahrung nämlich, findet man im Handwerk die Prinzipien, d. h. hier die Regeln, nach denen das Handwerk auszuüben ist. Nach Thomas von Aquin.
25.Das Prinzip enthält, wie der Keim den ausgebildeten Organismus, so virtuell die Folgesätze. Hier handelt es sich besonders um die Frage nach der Glückseligkeit als menschlicher Endbestimmung. Denn von dieser Bestimmung hängt alles, was der Mensch zu tun und zu lassen hat, also der ganze Inhalt der Sittenlehre und auch der Staatslehre, ab.
26.Vgl. Kapitel 2 Anm. 13.
27.So wird denn die Glückseligkeit besser als tugendgemäße Tätigkeit oder Betätigung der Tugend und Tüchtigkeit definiert, denn als Tugend.
28.Weil die Ursache der Glückseligkeit anders bestimmt werden muß, je nachdem man diese selbst in die Tugend oder in das äußere Wohlergehen setzt.
29.Je höher ein Ziel ist, desto höher muß die Ursache sein, durch die man zu diesem Ziele geführt wird. So ist denn anzunehmen, daß der Mensch zu seinem letzten Ziele mit Hilfe der höchsten Ursache, d. i. Gottes, gelangt. Diese Frage gehört aber mehr in die Metaphysik. In dem gleichnamigen Werke, XII, 10, führt Aristoteles aus, daß alles Gute in der Welt von Gott kommt, der in der Welt dieselbe Stellung einnimmt wie der Feldherr im Heere und der Hausvater in der Familie. Man vergleiche auch de gener. animal. II, 1, 731b 24, wo Aristoteles im Anschluß an Plato folgendermaßen über die letzte Zweckbestimmung der Zeugung philosophiert: »Da die Dinge teils ewig und göttlich sind (wie nach des Philosophen Ansicht die inkorruptibeln und von Gott ähnlichen Wesen, den Sphärengeistern, bewegten Himmelskörper), teils vergänglich, dem Gesetz des Werdens und Vergehens unterworfen, und da das Schöne und das Göttliche (die Gottheit) seiner Natur entsprechend allezeit die Ursache des Besseren in den vergänglichen Dingen ist, da ferner die nichtewigen Dinge mehr oder minder gut sein und mehr oder minder am Guten teilhaben können – wiederum, da die Seele etwas Besseres ist als der Körper, und das Beseelte als das Seelenlose, eben wegen der Seele, und das Sein als das Nichtsein, und das Leben als das Nichtsleben, so ist es auf diese Ursachen zurückzuführen, daß es im Bereich des sinnlich Belebten eine Zeugung gibt. Da nämlich die Natur der Wesen, die da werden und wieder vergehen, keine Ewigkeit zuläßt, so sind sie insoweit ewig, als sie es vermögen. Nun vermögen sie aber der Zahl nach, d. h. als Einzelwesen, nicht, ewig zu sein – denn das Wesen der Dinge ist nur in den Einzelwesen wirklich da, und wären diese so, so wären sie ewig –, wohl aber vermögen sie, der Art nach ewig zu sein. Deswegen gibt es eine immer sich wiederholende Geschlechtsfolge von Menschen, Tieren und Pflanzen. Da aber das Prinzip dieser Wesen das Weibliche und das Männliche ist, so ist dieser Unterschied der Geschlechter der geschlechtlichen Zeugung wegen da«. Man vergleiche Plato's Gastmahl 207f. Zu der Stelle der Ethik, die wir kommentieren, vergleiche man ferner in eben unserer Ethik weiter unten X, 9 Schluß. – Daß die Tugend (und Tüchtigkeit) und somit auch das Lebensglück in gewisser Hinsicht auch göttlicher Schickung oder Fügung, θεία μοίρα, zu danken ist, lehrt schon Sokrates am Schlusse des Dialogs Meno.
30.Man sieht hieraus, daß Aristoteles die Natur und den Menschen für das Werk einer schöpferischen Weisheit hält und Gott als Urheber der Dinge und insbesondere der menschlichen Natur mit einem weisen Künstler vergleicht. Das liegt auch in dem ihm geläufigen Spruch, daß die Kunst die Natur nachahmt, vgl. z. B. Physik, II, 2. Denn dies setzt voraus, daß die Natur selbst das Werk einer höchsten Kunst ist, die Leistung der besten Ursache, τη̃ς αρίστης αιτίας, wie Aristoteles sich ausdrückt. Auch von Plato im Timäus wird die Welt bekanntlich als Kunstwerk des höchsten Meisters, des Demiurgen, beschrieben. An der vorliegenden Stelle der Ethik interessiert noch der Umstand, daß die Anschauung, wonach gewissermaßen jeder nach unserem deutschen Sprüchwort seines Glückes Schmied ist, zur unerläßlichen Voraussetzung die menschliche Willensfreiheit hat, von der Aristoteles noch im folgenden ausführlich handeln wird.
31.Anspielung