Seewölfe - Piraten der Weltmeere 55. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954393725
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waren zu fünft!“

      „Du bist ein Feigling“, sagte Pereda voll Verachtung. „Du hättest um jeden Preis Lärm schlagen und dich opfern müssen. Für das Fort, für die Krone.“

      Der Waffenmeister war weit davon entfernt, jemals als Märtyrer für sein Vaterland aufzutreten, aber das äußerte er natürlich nicht. Er fuhr fort: „Sie bewaffneten sich selbst bis an die Zähne, diese Teufel. Dann verkleideten sie sich als Spanier.“

      „Ja!“ schrie der Sargento. „Und dann, um fünf? Du gabst die Musketen an das Hinrichtungskommando aus. War das nicht die Gelegenheit, die Sache zum Platzen zu bringen?“

      „Nein“, beteuerte der Waffenmeister verzweifelt. „Diese Eindringlinge haben mir zugesetzt, die ganze Nacht über. Sie haben mich so eingeschüchtert, daß ich gar nicht an Widerstand dachte. Außerdem hielt einer von ihnen aus seinem Versteck heraus die Pistole auf meinen Rücken gerichtet, als die Füsiliere eintraten.“

      Einer der Soldaten lachte. „Ich weiß, daß die Männer des Kommandos sagten, der Waffenmeister habe gezittert. Er habe wohl Schiß wegen der bevorstehenden Exekution, hieß es.“

      Sargento Fausto Pereda nickte grimmig. „Und er hat die Hosen noch voll. Du wirst dich für deine Dämlichkeit rechtfertigen müssen, Freundchen. Es herrscht Alarmzustand in ganz Cadiz. Hier ist die Hölle ausgebrochen. Der Stadtkommandant hat den Ausnahmezustand verhängt, und ich kann bloß hoffen, daß er die Lage in den Griff kriegt.“

      Er hatte kaum ausgesprochen, da erschien ein Bote unter dem Türrahmen. „Sargento, Sie werden dringend vom Teniente verlangt.“

      Pereda warf dem Waffenmeister noch einen vernichtenden Blick zu, dann marschierte er hinter dem Boten her und meldete sich oben im Hauptgebäude der Festung bei dem Teniente, der hier vorläufig die Einsatzführung übernommen hatte.

      „Anordnung vom Stadtkommandanten“, sagte der Teniente. „Sie gelten als der beste Reiter der Garnison Cadiz, Sargento Pereda. Statt hier wertvolle Zeit zu vergeuden, brechen Sie sofort nach Algeciras auf. Lassen Sie sich vom Stallmeister das schnellste Pferd geben. Im übrigen haben Sie Sondervollmacht und können das Reittier wechseln, wo und sooft Sie wollen.“ Er reichte ihm ein zusammengerolltes Dokument.

      Pereda nahm es entgegen und steckte es zu sich. Er fühlte sich geehrt. Stolz warf er sich in die Brust und erwiderte: „Gut, Teniente. Und in Algeciras?“

      „Dort alarmieren Sie die Marinestation und veranlassen, daß unsere Kriegsschiffe auslaufen und die Meerenge von Gibraltar blockieren.“

      Pereda zog überrascht die Augenbrauen hoch.

      „Wir haben Grund zu der Annahme, daß die als irisches Handelsschiff getarnte Zweimastkaravelle dieses Spions Killigrew ins Mittelmeer durchbrechen will.“

      „Warum das? Für diesen Schurken läge doch weiß Gott nahe, sich sofort auf die Flucht nach England zu begeben“, sagte der Sargento verdutzt.

      „Dies ist nicht der Moment, dumme Fragen zu stellen“, erklärte der Teniente ärgerlich. Nach dem tollkühnen Handstreich der Engländer befand auch er sich in einer inneren Verfassung, die durch den kleinsten Funken zur Explosion gebracht werden konnte.

      Pereda lief blutrot an, salutierte und antwortete: „Natürlich nicht, Teniente. Zu Befehl, Teniente. Ich reite sofort los.“

      Der Teniente bereute seine barsche Entgegnung und bequemte sich nun doch zu einer Erläuterung. „Es wurde beobachtet, wie die Karavelle Kurs nach Süden nahm. Unsere Vorgesetzten wissen, warum sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, Killigrew könne den Durchbruch ins Mittelmeer versuchen. Ich glaube, im Prozeß gegen ihn hat sich herauskristallisiert, daß er irgendwo in Nordafrika noch einen Verwandten hat. Genaues weiß ich aber auch nicht. Der Stadtkommandant hat natürlich bereits drei Kriegsgaleonen von hier auslaufen lassen, um die Karavelle zu verfolgen, aber ...“

      „... aber doppelt hält besser“, erwiderte Pereda. Er nahm wieder stramme Haltung ein. „Ich fliege, Teniente. Dieser falsche Ire wird sich noch wundern. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Noch können wir das Urteil – wenn auch mit Verspätung – vollstrecken.“

      Er meldete sich ab, lief nach unten in den Hof und schrie innerhalb der nächsten Minuten mit dem Stallmeister und dessen Knechten herum. Reichlich verärgert zäumten und sattelten sie ihm „Aurora“, einen hochbeinigen braunen Andalusier-Hengst. Aurora übertraf an Schnelligkeit alle, auch den schönsten Rappen im Stall von Fort San Sebastian.

      Die Zugbrücke senkte sich unter dem Rasseln der Ketten. Sargento Fausto Pereda trieb den Hengst bereits hinüber, als sie noch nicht ganz aufgesetzt hatte. Im Galopp jagte das Tier in östlicher Richtung auf die Stadt zu. Pereda sah nur Soldaten. Die Bürger hatten sich in ihre Häuser verkrochen und drückten sich hinter den Fenstern die Nasen an den Scheiben platt. Pereda sah im Vorbeireiten in den kleinen, ineinander verschachtelt wirkenden weißen und grauen Gebäuden Männer mit verzerrten, schadenfrohen, aber auch angsterfüllten Gesichtern. Er sah Frauen, die ihre Kinder von den Fenstern wegrissen.

      Zweimal wurde er von Patrouillen kontrolliert. Jedesmal sorgte er für einen Heidenaufstand und verschaffte sich Respekt. Er war der Sonderbeauftragte des Stadtkommandanten von Cadiz, ein Kurier der Krone mit hochbrisanten Meldungen für Algeciras. Man hatte vor ihm zu kuschen. Er wünschte sich, die ganze Welt möge ihn bei der Ausführung seines Auftrages beobachten.

      An der Kathedrale wandte er sich nach Südosten und ritt nun auf der schmalen Landzunge, dem Ausläufer der Insel Leon, auf San Jose und Puntales zu. Er ließ Fort Cortadura hinter sich. In rasendem Galopp jagte er bis nach San Fernando und gönnte sich und dem Pferd keine Unterbrechung, bis sie das Ufer der Insel erreicht hatten.

      Pereda ließ sich übersetzen. Danach ging der wilde Ritt weiter. In Ciclana de la Frontera preschte er durch den Ort, ohne abzustoppen. Die Menschen schüttelten die Fäuste und wetterten hinter ihm her. Pereda kümmerte sich nicht darum. Er war bereit, das Äußerste seiner Energien zu liefern, um so schnell wie möglich in Algeciras zu sein. Er wußte, daß nach gelungenem Abschluß dieser Mission die Aussicht auf Beförderung wartete.

      Vielleicht würde man ihn sogar zum Teniente ernennen. Der Stadtkommandant von Cadiz war ein umsichtiger Mann voll strategischer Fähigkeiten, und es war bekannt, daß er die Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit seiner Ungergebenen gern großzügig honorierte.

      Um die Mittagsstunde hatte er fast Conil erreicht. Grell stach die Sonne auf seinen Kopf und seinen Rücken. Er nahm den Helm ab, ohne das Tempo zu verringern. Aurora hielt sich immer noch gut. Pereda war froh, den Andalusier-Hengst gewählt zu haben. Oft gingen die Meinungen darüber auseinander, welches das wertvollste Pferd im Stall des Forts San Sebastian war, aber ein Mann mußte sich strikt nach seiner Überzeugung richten. Und er, Pereda, war nun einmal felsenfest davon überzeugt, daß es keinen besseren Renner als diesen Braunen gab.

      Aurora stand der Schaum vor Maul und Nüstern. Pereda kümmerte sich nicht darum. Er nahm es erst richtig zur Kenntnis, als Aurora einen röchelnden Laut von sich gab, vorn in den Knien einbrach und ihn aus dem Sattel katapultierte.

      Der Sargento landete im Straßenstaub. Er überschlug sich zweimal, blieb auf der Seite liegen und krümmte sich. Etwas stach schmerzhaft in seine rechte Körperseite. Es war das Wehrgehänge des Degens. Fluchend brachte er sich in eine günstigere Lage, schüttelte sich und richtete sich wieder auf.

      Aurora rappelte sich nicht auf. Er war auch in den Hinterläufen eingeknickt, streckte jetzt alle viere von sich und gab eine Reihe klagender Laute von sich. Ein Mann, der sein Tier liebt, hätte sich besorgt darum bemüht, ja, er hätte es gar nicht erst zum Zusammenbruch getrieben.

      Aber für Pereda gab es nur Disziplin und Karriere. Er schrie den Hengst an: „Willst du wohl aufstehen? Soll ich dir Beine machen?“

      Das nutzte nichts. Pereda zerrte an dem Hengst, um ihm hochzuhelfen, aber auch das fruchtete nichts. Wütend ließ er die Zügel schließlich sinken. Er war verzweifelt, die Zeit rann ihm zwischen den Fingern davon. Aber er sah ein, daß Aurora keinen Schritt mehr schaffte.