Und schon war ich wieder weg. Das Babygeschrei wurde jetzt noch lauter. Als ich mich in meiner Verzweiflung entschloss das Kind sofort unter die kalte Dusche zu halten, hörte die Schreierei auf einmal auf. Ich blieb vor der Tür stehen, dann machte ich sie vorsichtig auf und das Baby hat sofort angefangen zu schreien.
Ich machte schnell die Tür wieder zu.
Stille.
Tür auf.
Geschrei.
Tür zu.
Stille.
Dieses Spielchen wiederholten wir noch einige Male. Dann sprang ich mit einem langen Satz ins Zimmer. »Jetzt hör mal gut zu, du kleiner Scheißer! Willst mich frotzeln?! Glaubst du, es ist alles in Ordnung?! Da täuschst du dich gewaltig, mein Junge. Es ist überhaupt nix in Ordnung! Und der Papa ist gor net da! Ich bin nicht der Papa! Ich bin der Teufel persönlich. Also du solltest dir jetzt ordentliche Sorgen machen, weil jetzt bist du wirklich im Arsch! Außer du schläfst! Und zwar sofort! Auf der Stelle!!! Und noch was – ich gehe jetzt, dann kommt die Mama, da wirst was erleben!!!«
Ich ging mit einem Türknall aus seinem Zimmer raus. Plötzlich – schlechtes Gewissen. Das arme Kind kann sich doch nicht anders ausdrücken. Ich ging also wieder zurück ins Kinderzimmer und nahm den Buben aus dem Bettchen. Während ich mit ihm spazierte, hat der Kleine ein Bäuerchen gemacht, gefurzt, gepupst und ist dann sofort herrlich, ohne zu schreien, eingeschlafen.
Da schau her. Deswegen hat er geschrien. Armer Bub. Und ganz der Papa. Danach war ich so erledigt, dass ich gleich ins Bett gefallen bin. Ich hab nur noch mal schnell gerülpst, einen Schas gelassen und bin sofort eingeschlafen.
Ganz der Bub.
Ich hatte ihn zum Fressen gern.
In seiner Pubertät hab ich mir dann gewünscht, ich hätte es getan!
Übrigens – ich hab ein Weltwunder gezeugt, danke lieber Gott. Er konnte dann noch jahrelang immer wieder stundenlang wie am Spieß schreien, ohne heiser zu werden. Wenn ich nur drei Minuten so schreien würde, hätte ich das Gefühl, mit Glasscherben gegurgelt zu haben, und müsste danach wochenlang Ingwertee mit Honig von kolumbianischen Bienen trinken, Eibischzuckerl bis zum Erbrechen lutschen und dürfte nur mehr Mentholzigaretten rauchen.
Evolution gegen Sex
Zuerst glaubt man ja noch, dass dieses ewige »In der Nacht aufwachen und nicht einschlafen können« nur mit Nahrungsaufnahmen und Verdauung zu tun hat. Dass das nach ein paar Jahren besser wird. Aber für die Kleinen geht es gar nicht um das körperliche Wohlempfinden. Ich habe lange gebraucht, um ihn zu verstehen und zu erkennen. Wen? Na den schmutzigen Krieg der Evolution gegen die Monogamie. Darum geht es. Jeder Trick und jede Waffe ist ihr recht, wenn es darum geht, treue Männer auf Abwege zu führen. Und die schlimmste Waffe dieses Krieges sind Kinder. Sie sind von Natur aus darauf gedrillt, uns in den ersten Jahren zuerst den Schlaf und dann mit der gleichen Methode das Sexleben zu rauben. Bisher hat niemand verstanden, warum dieses nahezu telepathische Talent unserer Kinder von der Natur geschaffen und über Jahrtausende perfektioniert wurde. Aber für diese fast übernatürliche Fähigkeit der Kinder, deren einziges Ziel die Verhinderung des sexuellen Vollzugs der Eltern ist, kann es nur einen Grund geben.
Vor ein paar Jahren ist mir plötzlich die Erleuchtung gekommen. Der Mechanismus diente schon immer der Erhaltung und Verbreitung unserer Art. Will sich eine Spezies gegenüber allen Widrigkeiten wie zum Beispiel Velociraptor, Säbelzahntiger, Seuchen, Umweltkatastrophen, Hungersnöte, IKEA, Volksmusik u.v.a. durchsetzen, müssen die Männchen dazu verleitet werden, ihre Samen möglichst flächendeckend zu verbreiten. Ist doch klar.
Je mehr Weibchen ein Männchen findet und befruchtet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Spezies, trotz natürlicher Selektion, überlebt. Daraus ergibt sich völlig logisch, dass die Monogamie der Natur und auch den Zielen der Evolution widerspricht. Um also nicht zu viele Männchen an die Monogamie zu verlieren und damit den Fortbestand der Spezies zu gefährden, entwickelte die Natur das Konzept »Kind«.
Klar, logisch, denn Kinder ermöglichen als solches überhaupt erst den Fortbestand. Aber das tun sie eben nicht nur durch ihre reine Existenz. Der Mechanismus ist noch viel raffinierter. Je öfter und länger ein Kind die Eltern vom Sex abhalten kann, desto größer wird der Frust, vor allem beim Mann. Und der ist dann emotional belastet, schwach, frustriert und wehrlos. Wehrlos gegen die Reize, die von anderen Weibchen ausgehen – den lauernden Raubkatzen.
Er wird quasi durch die eigenen Kinder, instrumentalisiert von der Evolution, in die Arme und in sexuelle Abenteuer mit anderen Frauen getrieben. Er ist ein hilfloser Spielball brutaler Naturgesetze, die ihn seit Millionen von Jahren vorantreiben. Denn seine naturgegebene Aufgabe war es immer, sein Genmaterial so weit und vielfältig wie möglich zu streuen, um dem Überleben und Fortbestehen der eigenen Art zu dienen.
Wenn einem selbst dieser – seit Jahrmillionen dauernde – Kampf zwischen Evolution und Monogamie einmal bewusst wird, versteht man plötzlich sehr gut, dass monogame Beziehungen im Widerspruch zur Evolution und der Natur überhaupt stehen. Mit den telepathisch ausgestatteten Tugendwächtern, die wir verharmlosend »Kinder« nennen, hat die Evolution jeder monogamen Beziehung den Krieg erklärt. Einen schmutzigen Krieg. Einen Krieg, der immer die Unschuldigsten zu den ärmsten Opfern macht: uns Männer.
Wie immer hat die Evolution alles getan, um das System zu perfektionieren. Dieses kindliche Alarm-System zur Verhinderung sexueller Aktivitäten der Eltern funktioniert immer, egal in welcher Topographie oder geographischen Ausdehnung – besser als jedes NASA-Funksystem. Auch wenn das Kinderzimmer durch mehrere Zimmer vom Schlafzimmer der Eltern getrennt ist, es im Nebenbungalow der Ferienanlage liegt oder mehrere Straßen weiter in einem anderen Hotel.
In dem Moment, in dem der Vater die Hose fallen lässt, um sich in ein erotisches Abenteuer mit seiner Frau zu stürzen, geht der Alarm im Kopf des Kindes los: »Uuiiiiiii, Uuiiiiii, Achtung! Achtung! Kopulationswahrscheinlichkeit bei 75 Prozent. Konkurrenzgefahr für elterliche Liebe! Du wirst das Kinderzimmer mit einem Neuankömmling teilen müssen! Du wirst auch nicht den 5er-BMW zur Matura bekommen! Und überhaupt wird deine, von deinen Eltern finanzierte, Studienzeit gerade halbiert!!! Uuiiiii!«
Und schon ist der kleine Racker auf dem Weg ins Schlafzimmer der Liebeshungrigen. Philosophen behaupten, der Mensch unterscheide sich auch deshalb von anderen Lebewesen auf diesem Planeten, weil wir unseren Geist und unseren freien Willen haben und eben auch gegen evolutionäre Gesetze handeln können. Das genau versuchen wir Menschen ja nun schon seit Jahrhunderten. Dazu nutzen wir jenes Werkzeug, das wir »Heirat« bzw. »Hochzeit« nennen. Die Zeremonie und auch die Eheschwüre sind nichts anderes als eine feierlich verpackte Kriegserklärung an die Natur. Nicht umsonst träumen viele naive Paare im Rausch der Gefühle von diesem großen Tag, an dem sie gemeinsam versprechen ihr Leben nur mehr miteinander zu teilen. Sie tun das, obwohl sie instinktiv spüren, dass das gegen die Natur ist. Inzwischen auch gegen jede Logik, wie sämtliche Scheidungsstatistiken weltweit beweisen. So erklärt sich auch das Phänomen, dass viele nach ihrer Trauung vom schönsten Tag in ihrem Leben sprechen. Denn sie wissen in ihrem tiefsten Inneren, dass es von nun an bergab gehen wird.
In dem Wissen um diese Tatsache fragt man sich auch, warum bei so vielen Trauungen ein nahezu irrsinniger organisatorischer und finanzieller Aufwand getrieben wird. Je perfekter und außergewöhnlicher man den Tag der Hochzeit plant und umsetzt, desto härter wird der unweigerliche Absturz in die Realität und der sofort beginnende Kampf gegen die Natur. Wer auf einer karibischen Insel, beim schönsten Sonnenuntergang der Welt, am romantischsten Strand umgeben vom besten Buffet aller Zeiten, die Ehe schließt, der spricht völlig zu Recht vom schönsten Tag im Leben. Das ist nicht mehr zu übertreffen.