Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henryk Sienkiewicz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026828167
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er auf eine Antwort Jurands warte, als dieser aber nach wie vor schwieg, fuhr er also fort: »Unser Herr und Gott verlieh mir die Kraft, die Herrin und Danusia auf der Jagd vor einem Auerochsen zu retten. Da sagte die Fürstin sofort zu mir: ›Nun wird Jurand nicht mehr gegen Dich sein, denn wie sollte er Dir nicht für eine solche That danken?‹ Allein mir kam selbst damals nicht in den Sinn, ohne Eure väterliche Zustimmung mich mit dem Mädchen zu vermählen. Freilich mir war es auch nicht darnach! Das Tier hatte mich so schlimm zugerichtet, daß nicht viel fehlte, und es wäre mit mir vorbei gewesen. Doch bald darauf – seht Ihr – kamen die Boten, um Danusia nach Spychow zu geleiten, und ich lag noch immer auf dem Krankenlager. Da dachte ich, traun, nicht anders, als daß ich sie niemals wiedersehen werde, da dachte ich nicht anders, als daß Ihr sie nach Spychow zurückberufen hättet, um sie einem andern zum Weibe zu geben. In Krakau seid Ihr doch gegen mich gewesen. Auch glaubte ich, dem Tode verfallen zu sein. Hei, bei dem allmächtigen Gotte, was war das für eine Nacht! Nichts wie Jammer, nichts wie Schmerz! Mich dünkte, die Sonne scheine mir nicht mehr, wenn ich sie von mir lassen müsse! Ihr wißt doch auch, was Leid, was Schmerz heißt …«

      Zbyszko vermochte nicht weiter zu reden. Thränen erstickten seine Stimme. Doch er faßte sich rasch wieder und fügte hinzu: »Es war schon Abend geworden, als die Boten eintrafen und erklärten, Danusia gleich mit sich nehmen zu müssen, davon wollte jedoch die Fürstin nichts hören. Sie befahl ihnen, den andern Morgen abzuwarten. Da gab mir der Herr Jesus den Gedanken ein, daß Danusia der Fürstin zu Füßen fallen und diese um ihre Einwilligung zur Trauung bitten möge. Wenn ich dann doch sterben muß, dachte ich, so ist mir wenigstens noch dieses Glück zu teil geworden. Bedenkt, das Mägdlein sollte von mir gehen, und ich lag schwer krank, dem Tode nahe, darnieder. Blieb mir da noch Zeit, erst Euere Einwilligung einzuholen? Der Fürst hatte den Jagdhof schon verlassen, die Fürstin schwankte unschlüssig hin und her, konnte sie sich doch bei niemand Rats erholen. Doch zuletzt fühlte sie, sowie Pater Wyszoniek Erbarmen mit mir – und Pater Wyszoniek gab mich und Euere Tochter zusammen … Im Namen Gottes, kraft der göttlichen Gesetze.«

      Jurand aber fügte dumpf hinzu: »Das ist nun die Strafe Gottes!«

      »Für wen soll dies eine Strafe sein?« fragte Zbyszko. »Erwägt doch, daß die Boten vor der Trauung anlangten, und daß, einerlei ob die Trauung stattgefunden haben würde oder nicht, Danusia mit ihnen hätte ziehen müssen.«

      Aber Jurand erwiderte kein Wort. In sich gekehrt, finster und mit einem solch versteinerten Gesicht ritt er dahin, daß Zbyszko in tiefster Seele erschrak. Wohl fühlte letzterer eine gewisse Erleichterung, wie dies immer zu sein pflegt, wenn man ein langgehegtes Geheimnis offenbart hat, allein er fürchtete jetzt, der alte Ritter könne in seinem Groll verharren, und ihr Verhältnis werde sich noch fremder und unfreundschaftlicher als früher gestalten.

      Und so bemächtigte sich denn plötzlich eine große Niedergeschlagenheit des jungen Ritters. Niemals zuvor, selbst damals nicht, als er sich von Bogdaniec aus auf den Weg machte, war ihm so schlimm zu Mute gewesen. Ihn dünkte jetzt, er dürfe weder auf eine Aussöhnung mit Jurand, noch auf die Rettung Danusias hoffen, alles erschien ihm in trübem Lichte, und mehr und mehr erfüllte ihn die Gewißheit, die Zukunft werde noch größeres Leid, noch größeres Unheil über ihn bringen. Doch diese verzweifelte Stimmung währte nicht lange. Seine kraftstrotzende Natur gewann bald wieder die Oberhand, und nur Kampf und Streit lagen ihm noch im Sinn. »Will er sich unversöhnlich zeigen,« sagte er sich, an Jurand denkend, »mag er es thun, was kümmert es mich!« Und er wäre in diesem Augenblicke sogar bereit gewesen, Jurand entgegenzutreten. Ihn drängte es, den Kampf mit irgend jemand aufzunehmen, es war ihm, als müsse er irgend etwas vollbringen, als müsse er sich Erleichterung verschaffen, indem er seinem Schmerz, seinem Grimme und seiner Erbitterung Ausdruck verlieh.

      Sie hatten inzwischen die an einem Scheideweg gelegene und »Swietlik« genannte Schenke erreicht, wo Jurand gewöhnlich auf seiner Heimkehr von dem fürstlichen Hofe nach Spychow mit Leuten und Pferden Rast zu machen pflegte. So geschah denn dies auch jetzt wieder, und bald darauf befand sich Zbyszko mit Jurand in einer besonderen Stube. Plötzlich wandte sich letzterer zu dem jungen Ritter, schaute ihn durchdringend an und fragte: »Also hast Du Dich nur ihretwegen aufgemacht?«

      »Glaubt Ihr, daß ich es leugne?« antwortete Zbyszko in unwirschem Tone, während er Jurand mit dem Entschlusse fest in die Augen blickte, dessen Zornesausbruch nicht geduldig über sich ergehen zu lassen. Doch siehe da, auf dem Antlitz des alten Kriegers malte sich kein Groll, sondern nur grenzenloser Schmerz.

      »Und mein Kind hast Du gerettet?« fragte er nach wenigen Minuten wieder, »und aus dem Schnee hast Du mich ausgegraben?«

      Voll Staunen, ja mit einer gewissen Angst blickte Zbyszko auf den Redenden, fürchtete er doch, Jurand sei seiner Sinne nicht mehr ganz mächtig, weil er die gleiche Frage wiederholte, die er zuvor schon gestellt hatte.

      »Setzt Euch,« bat er daher den alten Ritter, »mir will scheinen, daß Ihr noch recht schwach seid.«

      Allein Jurand streckte die Arme aus, umfaßte Zbyszko und zog ihn stürmisch an die Brust. Dieser hingegen, von Verwunderung ergriffen, umschlang den Hals des alten Kriegers und so lange hielten sich die beiden fest umschlossen, als ob das gemeinsame Leid, der gemeinsame Schmerz sie aneinander gefesselt hätten.

      Als sie sich aber endlich trennten, da umfaßte Zbyszko die Knie Jurands und küßte mit thränenfeuchten Augen dessen Hände.

      »So seid Ihr nicht mein Widersacher?« fragte er.

      »Ich war Dein Widersacher,« entgegnete Jurand, »denn ich wollte sie Gott dem Herrn weihen!«

      »Ihr gedachtet sie Gott zu weihen, Gott der Herr aber schenkte sie mir. Sein Wille muß geschehen.«

      »Sein Wille geschehe!« wiederholte Jurand; »nur sei er jetzt uns gnädig.«

      »Wem sollte Gott der Herr beistehen, wenn nicht dem Vater, der sein Kind sucht, wenn nicht dem Manne, der sein Eheweib sucht? Den Räubern wird Er doch keinen Beistand leisten!«

      »Und doch ist sie hinweggeführt worden!« erklärte Jurand.

      »Gebt ihnen de Bergow zurück!« bemerkte hierauf Zbyszko.

      »Ich gebe ihnen alles, was sie wünschen.«

      Bei dem Gedanken an die Kreuzritter erwachte in ihm jedoch sofort wieder ein solch glühender Haß, daß er gleich darauf zähneknirschend hinzufügte: »Dann aber sollen sie von mir etwas zu hören bekommen, was sie sich nicht träumen lassen.«

      »Das gelobe ich auch mit einem Eide,« ergriff nun Zbyszko das Wort, »doch jetzt laßt uns vor allem Spychow erreichen.«

      Sofort wurde der Befehl erteilt, die Pferde bereit zu halten. Nach einem kurzen Imbiß und nachdem sich die Leute ein wenig in den warmen Stuben erwärmt hatten, machte man sich wieder auf den Weg, trotzdem die Dämmerung schon anbrach. Da aber noch eine sehr weite Strecke zurückgelegt werden mußte, und da stets heftiger Frost in der Nacht einzutreten pflegte, fuhren Jurand und Zbyszko, die noch immer nicht ganz bei Kräften waren, in einem Schlitten. Zbyszko sprach von seinem Ohm, den er von ganzem Herzen herbeiwünschte, war doch Macko einer der wenigen, die sich eben so großer Schlauheit wie Tapferkeit rühmen durften, und Schlauheit war in einem Kampfe gegen einen Feind wie die Kreuzritter fast noch von größerer Bedeutung als Tapferkeit.

      »Versteht Ihr es, klug vorzugehen oder irgend welche List zu gebrauchen? Ich vermag es nicht!«

      »Ich ebenso wenig,« entgegnete Jurand. »Nicht mit List gedachte ich gegen sie zu kämpfen, sondern mit der Faust, gestählt durch den in mir tobenden Schmerz.«

      »Nur zu gut begreife ich das,« meinte der junge Ritter. »Wie sollte ich es auch nicht begreifen, da ich Danusia liebe, die mir von jenen entrissen ward? Wenn Danusia, was Gott der Herr verhüten möge …«

      Hier brach er plötzlich ab. Kummer und Sorge schnürten ihm die Kehle zu. Geraume Zeit hindurch fuhren sie schweigend die von dem fahlen Mondlicht übergossene Straße dahin, bis Jurand wie zu sich selbst zu sprechen begann: »Wenn sie noch Ursache hätten, sich an mir zu rächen, wollte ich nichts sagen! Aber bei Gott im Himmel, das haben sie nicht! Wohl stritt