Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henryk Sienkiewicz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026828167
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gewesen, daß sie zur Biberjagd an den Ostapange-See gingen, damals hatte er ja nicht bemerkt, wie sie sich des Bibers wegen mutwillig in Gefahr begab, jetzt aber dünkte ihn, daß er sie vor sich sehe – und wieder überkam ihn ein Zittern, gerade wie vor einigen Wochen, als Jagienkas Gewand im Winde flatterte. Dann gedachte er auch des Tages, da sie sich prächtig gekleidet zur Kirche nach Krzesnia begeben hatte, er erinnerte sich, wie er sich gewundert hatte, daß solch ein Mädchen, das ihm anfangs so einfach erschienen war, jetzt gleich einem Hoffräulein aus vornehmem Geschlechte daherritt. All dies bewirkte, daß ein eigentümlicher Schwindel ihn erfaßte, daß ein seliges Wonnegefühl, Trauer und Verlangen sein Herz erfüllten, und während er noch darüber nachsann, daß sie vollständig in seiner Gewalt gewesen war, während er darüber nachsann, wie sie sich zu ihm hingezogen gefühlt, wie sie ihm in die Augen geblickt hatte, und wie sie ihm vollständig zu eigen gewesen war, konnte er kaum auf dem Pferde bleiben. »Wenn ich sie jetzt irgendwo träfe und wenigstens Abschied nehmen und sie mit meinen Armen umfassen könnte, würde mir leichter ums Herz werden,« sagte er sich, aber alsbald empfand er auch, daß er sich täusche, denn schon bei dem Gedanken an einen derartigen Abschied lief es wie Feuer durch seine Adern, obwohl die Nacht kalt war.

      Schließlich erschrak er über seine eigenen verwegenen Gedanken, und er suchte sie von sich abzuschütteln, wie man Schneeflocken vom Mantel schüttelt. »Zu Danusia begebe ich mich ja, zu meiner geliebten Herrin!« sagte er sich.

      Und zugleich erkannte er, daß dies eine andere Liebe war, eine ruhigere Liebe, die weniger sein ganzes Sein und Wesen durchdrang. Allmählich, je mehr seine Füße in den Steigbügeln erstarrten und der rauhe Wind ihm das Blut kühlte, wendeten sich seine Gedanken Danusia zu, ihr – ja ihr war er in der That Dank schuldig. Wäre sie nicht gewesen, so hätte ja sein Haupt auf dem Markte zu Krakau fallen müssen, da sie in Gegenwart der Ritter und Bürger ausrief: »Mein bist Du!« entriß sie ihn den Händen des Henkers, und seitdem gehörte er ihr an, wie der Sklave seinem Herrn. Nicht er hatte sie erwählt, sondern sie hatte ihn erkoren, daran konnte selbst Jurand nichts ändern. Sie allein hätte ihn verabschieden können, wie die Herrin den Diener verabschieden kann, gleichwohl hätte er sie aber auch dann nicht verlassen, weil ihn sein eigenes Gelübde band. Auch wußte er, sie werde ihn nicht von sich scheuchen, sondern eher den masovischen Hof verlassen und ihm folgen bis ans Ende der Welt. Und während er darüber nachsann, verherrlichte er sie unwillkürlich in seinem Innern, Jagienkas Bild hingegen ward in den Hintergrund gedrängt, als ob es ausschließlich ihre Schuld gewesen wäre, daß ihn zuweilen ein süßes Verlangen nach ihr überkam, und daß sein Herz sich im Zwiespalt befand. Daß Jagienka den alten Macko geheilt hatte, daß ohne ihr Dazwischenkommen der Bär ihm selbst in jener Nacht vielleicht die Haut vom Leibe gerissen hätte, kam ihm jetzt gar nicht in den Sinn. Absichtlich redete er sich in einen gewissen Zorn gegen Jagienka hinein, weil er meinte, daß er sich auf diese Weise Danusia gegenüber verdient mache, und weil er sich in seinen eigenen Augen rechtfertigen wollte.

      Ein Reitersmann, der ein zweites, reichbeladenes Pferd am Zügel führte, weckte ihn aus seinen Gedanken. Es war der Böhme Hlawa.

      »Gelobt sei Jesus Christus!« sagte er, sich tief verneigend.

      Zwar hatte ihn Zbyszko schon in Zgorzelic gesehen, doch er erkannte ihn jetzt nicht und erwiderte: »Von Ewigkeit zu Ewigkeit! Wer bist Du denn?«

      »Euer Knecht, edler Herr!«

      »Wieso mein Knecht? Dies sind meine Knechte!« entgegnete Zbyszko, auf die beiden Türken, die er von Sulimczyk Zlawisza zum Geschenk erhalten, und auf zwei kräftige Bursche zeigend, die zu Roß saßen und die Hengste des Ritters am Zügel führten, »Wer hat Dich hierher geschickt?«

      »Die Jungfrau Jagienka Zych aus Zgorzelic!«

      »Die Jungfrau Jagienka?« Zbyszko, der sich soeben erst im Innern förmlich gegen sie aufgelehnt hatte, dessen Herz noch von Groll gegen sie erfüllt war, versetzte: »Kehre nach Hause zurück und danke Deiner Herrin in meinem Namen für ihre Gewogenheit, denn Du kannst nicht bei mir bleiben.«

      Aber der Böhme schüttelte den Kopf: »Ich kehre nicht zurück, Herr! Euer bin ich jetzt, und ich habe geschworen, Euch zu dienen bis zum Tode.«

      »Wenn ich Dich von ihr zum Geschenk erhalten habe, bist Du mein Diener!«

      »Euer Diener, Herr!«

      »Und ich befehle Dir, zurückzukehren.«

      »Ich aber habe geschworen, und wennschon ich bei Boleslawicz zum Gefangenen gemacht wurde, wennschon ich als Knecht dienen muß, bin ich doch auch ein Edelmann.«

      Nun geriet Zbyszko in Zorn: »Packe Dich fort! Wie, Du kannst mir doch nicht gegen meinen Willen dienen? Packe Dich fort, sonst lasse ich die Armbrust spannen.«

      Der Böhme band ruhig einen mit Wolfspelz gefütterten Mantel auf, überreichte ihn Zbyszko und sagte: »Die Jungfrau Jagienka sendet Euch auch dies.«

      »Willst Du, daß ich Dir die Knochen entzwei schlage?« fragte Zbyszko, seine Lanze aus der Hand eines Knechtes nehmend.

      »Und hier ist auch eine Geldkatze, die Euch zu Gebot steht!« fügte der Böhme hinzu.

      Zbyszko hatte schon die Lanze angelegt, doch nun erinnerte er sich, daß dieser Mann wohl ein Gefangener, aber aus adeligem Geschlechte war, und daß er offenbar nur deshalb hatte bei Jagienka bleiben müssen, weil er nichts besaß, um sich loszukaufen, daher ließ er die Lanze wieder sinken. Der Böhme aber neigte sich tief bis zu seinen Füßen herab und sagte: »Erzürnt Euch nicht, Herr! Da Ihr mir nicht befehlt, bei Euch zu bleiben, will ich einige hundert Schritte oder noch etwas mehr hinter Euch reiten, aber begleiten werde ich Euch, denn dies habe ich bei meinem Seelenheil geschworen.«

      »Und wenn ich Dich totschlagen oder fesseln lasse?«

      »Wenn Ihr mich totschlagen laßt, wird es nicht meine Sünde sein, und wenn Ihr mich fesseln laßt, werde ich es aushalten, bis gute Leute mich befreien oder die Wölfe mich auffressen.«

      Zbyszko gab keine Antwort – er trieb sein Pferd an, und auch seine Leute setzten sich in Bewegung. Mit der Armbrust auf der Schulter, dem Beile im Arm, ritt der Böhme hinter ihnen her. Er hatte das zottige Fell eines Auerochsen um sich geschlagen, denn ein scharfer Wind wehte und führte dichte Schneeflocken mit sich.

      Das Unwetter nahm mit jedem Augenblick zu. Trotz ihrer Schafpelze waren die Türken wie erstarrt vor Kälte, Zbyszkos Diener schlugen sich in die Hände, und da er selbst nicht warm genug gekleidet war, warf er hie und da einen verstohlenen Blick auf den mit Wolfspelz gefütterten Mantel, der ihm von Hlawa gebracht worden war, und schließlich gebot er einem der Türken, ihm den Mantel zu reichen. Und als er sich dicht hineingehüllt hatte, fühlte er bald eine wohlthuende Wärme, welche den ganzen Körper durchdrang. Den besten Dienst leistete ihm die Kapuze, welche seine Augen und einen großen Teil seines Gesichtes bedeckte, so daß er den Wind kaum mehr spürte. Nun sagte er sich unwillkürlich, daß Jagienka doch ein seelengutes Mädchen sei – und er hielt sein Pferd an, weil ihn die Lust überkam, den Böhmen nach ihr und nach allem auszuforschen, was sich mittlerweile in Zgorzelic zugetragen hatte.

      Er winkte daher dem Boten Jagienkas und richtete an ihn die Frage: »Weiß denn der alte Zych, daß Dich die Jungfrau zu mir gesandt hat?«

      »Er weiß es!« entgegnete Hlawa.

      »Und er hat sich nicht widersetzt?«

      »Ja, er hat sich widersetzt!«

      »Erzähle mir ganz genau, wie es gewesen ist.«

      »Der Herr rannte in der Stube herum und die Jungfrau hinter ihm her. Er war sehr ärgerlich und schrie, aber das Mädchen gab keinen Laut von sich – doch als er sich zu ihr umwandte, fiel sie zu seinen Füßen nieder, ohne ein einziges Wort zu äußern. Schließlich sagte der Herr: ›Du bist wohl taub geworden, daß Du gar nichts auf meine Vorstellungen erwiderst? Sprich Dich wenigstens aus, denn am Ende muß ich es ja doch gestatten. Aber wenn ich es gestatte, reißt mir der Abt den Kopf herunter!‹ Als nun die Jungfrau sah, daß sie ihren Willen durchsetzen werde, dankte sie unter Thränen. Der Herr machte ihr Vorwürfe, daß sie ihn überredet hatte, und klagte darüber, daß sie in allem ihren