Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henryk Sienkiewicz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026828167
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blieb und mit erhobener Stimme kühn also zu sprechen anhub: »Für all die Beschimpfungen, welche Du dem Orden zugefügt hast, sollst Du Dich nun, so lautet der Befehl des Komturs, in diesen härenen Sack hüllen, die Scheide dieses Schwertes an einem Stricke um den Hals hängen, und so lange vor dem Thore wartend stehen, bis es Dir durch die Gnade des Komturs geöffnet werden wird.«

      Kaum waren diese Worte verklungen, so stand Jurand wieder allein in der Dunkelheit und in der nächtlichen Stille. Vor ihm auf dem Schnee lagen das Bußgewand und der Strick. Lange schaute er darauf. Ihm war es, als ob in ihm etwas entzwei gegangen, als ob etwas in ihm vernichtet und erstorben sei, ihn dünkte, er sei nicht mehr der gewaltige Ritter, nicht mehr Jurand aus Spychow, sondern ein armseliger Sklave ohne Namen, ohne Ruhm, ohne Ehre.

      Erst nach Verlauf einiger Minuten machte er etliche Schritte vorwärts, indem er laut sagte: »Was soll ich thun? Du, Christus, Du weißt es: mein unschuldiges Kind erwürgen sie, wenn ich nicht alles ausführe, was sie befehlen. Und Du weißt es auch, daß ich um des eigenen Lebens willen mich niemals zu einem solchen Thun verstanden hätte! Bitter ist’s, Schmach und Schande auf sich zu nehmen! Schmerzlich ist es! Doch auch Du hast vor dem Kreuzestode Schmach und Schande erlitten. Es sei denn … Im Namen des Vaters und des Sohnes.«

      Rasch beugte er sich nieder, hüllte sich in den Sack, in dem Löcher für den Kopf und die Arme eingeschnitten waren, schlang sich den Strick mit der Scheide des Schwertes um den Hals und schleppte sich an das Thor.

      Doch nach wie vor blieb dasselbe geschlossen. Was kümmerte es aber nun noch den Gebieter von Spychow, ob das Thor ihm früher oder später geöffnet werde! In nächtlichem Schweigen lag die Burg. Dann und wann nur zeigte sich die Wache auf der Brustwehr. Ein einziges, hoch oben gelegenes Fenster des am Thore stehenden Turmes war erhellt, aus keinem der andern erstrahlte auch nur der geringste Lichtschein.

      Langsam schwanden die Stunden dahin. Am Himmel stieg die Mondsichel empor und warf ihren silbernen Schimmer auf die finstere Burg. Eine solche Stille herrschte, daß Jurand das Klopfen des eigenen Herzens hätte hören können. Allein er schien wie erstarrt, wie versteinert zu sein. Ueber nichts vermochte er sich Rechenschaft zu geben, ihm war, als ob seine Seele schon entflohen sei. Ein Gedanke allein verfolgte ihn … Nein, er war nicht mehr der gewaltige Ritter Jurand aus Spychow – zu was er aber herabgesunken war – darüber konnte er nicht klar werden … Zuweilen kam es mich über ihn, als ob von jenem Galgen her der Tod leise, leise über den Schnee zu ihm heran schleiche …

      Plötzlich indessen erbebte er am ganzen Körper und fuhr aus seiner Erstarrung empor: »O allbarmherziger Christus! Was ist das?«

      Aus dem erleuchteten Fenster des Turmes ertönte der anfänglich kaum vernehmbare Klang einer Laute. Auf seinem Ritte nach Szczytno war Jurand der festen Ueberzeugung gewesen, Danusia befinde sich nicht in der Burg, doch dieser Lautenklang in der Stille der Nacht erschütterte ihn aufs höchste. Nur zu gut kannte er diese Weise. Wer sollte sie denn sonst spielen als sein Kind, sein einziges, geliebtes Kind! … Wie in Fieberhitze zitternd, stürzte er auf die Knie, faltete die Hände zum Gebete und lauschte und lauschte.

      Inzwischen hub eine halb kindliche, halb sehnsüchtig klingende Stimme zu singen an:

      Wie wär’ ich gerne

       Ein Gänslein klein,

       Ich flög’ in die Ferne

       Zu Jasio mein!

      Jurand wollte aufschreien, wollte den geliebten Namen rufen, allein die Worte erstarben ihm in der wie von einer eisernen Klammer zusammengepreßten Kehle. Der plötzlich mit aller Macht hervorbrechende Schmerz, die Thränen, die Sehnsucht, der Jammer drohten ihm die Brust zu zersprengen. Sich mit dem Gesichte auf den Schnee werfend, rief er mit der leidenschaftlichen Inbrunst, mit der man ein Dankgebet spricht: »O Jesu! So höre ich denn noch einmal die Stimme meines Kindes! O Jesu! …«

      Ein heftiges Schluchzen erschütterte den gewaltigen Körper Jurands. Aus dem Turme aber ertönte wiederum der sehnsüchtige Gesang in die Stille der Nacht hinaus:

      In Schlesien flög’ ich nieder

       Auf grünem Rain,

       Die Waise sieh wieder,

       O Jasienko mein!

      Da plötzlich erhielt der vor dem Thore liegende Ritter von der rohen Hand eines bärtigen deutschen Kriegsknechtes einen heftigen Stoß in die Seite.

      »Auf die Beine, Hund! … Das Thor ist offen, der Komtur befiehlt Dir, vor ihm zu erscheinen.«

      Jurand fuhr wie aus einem Traume empor. Doch er ergriff weder den Söldner an der Kehle, noch zermalmte er ihn mit seinen eisernen Händen, nein, mit einem ergebenen, fast demütigen Gesichtsausdrucke erhob er sich und folgte, ohne ein Wort zu sprechen, seinem Führer durch das Thor.

      Gleich darauf vernahm er hinter sich das Klirren von Ketten, die Zugbrücke wurde in die Höhe gezogen, das schwere, eiserne Gitter des Thores fiel herab.

      – – – – – –

      Fünfter Teil.

      Erstes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Im Vorhofe der Burg angelangt, wußte Jurand anfangs nicht, wohin er sich wenden solle, da der Kriegsknecht, welcher ihn durch das Thor geführt hatte, ihn dann verließ und sich den Stallungen zuwandte. Allüberall auf den Zinnen standen Söldner, da und dort befand sich ein einzelner, an andern Stellen waren mehrere beisammen, allein ihre Mienen waren so frech, ihre Blicke so höhnisch, daß der Ritter sich sagen mußte, sie würden ihm den Weg nicht zeigen, und wenn sie seine Fragen überhaupt beantworteten, dies nur auf grobe und verächtliche Weise thun.

      Manche lachten, indem sie mit den Fingern auf ihn zeigten, von andern ward er mit Schnee beworfen, gerade wie am Tage zuvor. Er aber, der jetzt eine Thüre gewahrte, die höher und breiter war als alle andern und über der ein Christusbild aus Stein angebracht war, schritt darauf zu, weil er dachte, wenn der Komtur und die Aeltesten sich in einem anderen Teile der Burg befänden, müsse ihn doch jemand über seinen Irrtum aufklären und auf den richtigen Weg weisen.

      Und so geschah es auch. Im Augenblick, da Jurand sich jener Thüre näherte, öffneten sich plötzlich die beiden Thürflügel, und ein Jüngling trat hervor, dessen Haupt wie das eines Klerikers geschoren war, der aber weltliche Kleidung trug.

      »Seid Ihr Jurand, der Herr aus Spychow?« fragte er.

      »Ich bin es!«

      »Der Komtur befahl mir, Euch zu geleiten. Folget mir!«

      Und er führte ihn durch den gewölbten Gang der Treppe zu. An den Stufen blieb er indessen stehen und Jurand mit dem Blicke messend, fragte er: »Ihr tragt doch keine Waffen bei Euch? Man befahl mir, Euch zu durchsuchen.«

      Da richtete sich Jurand hoch auf, so daß der Jüngling seine kraftvolle Gestalt so recht ins Auge fassen konnte, und entgegnete: »Gestern habe ich alle ausgeliefert.«

      Jetzt dämpfte der Führer die Stimme und sagte beinahe im Flüstertone: »Dann hütet Euch, Euerem Zorn die Zügel schießen zu lassen, denn einer mächtig waltenden Hand seid Ihr anheim gegeben!«

      »Aber durch den Willen Gottes!« antwortete Jurand.

      Bei diesen Worten betrachtete er seinen Führer aufmerksam, und da er in dessen Antlitz etwas wie Mitgefühl wahrnahm, fügte er hinzu: »Offenheit und Redlichkeit schauen Dir aus den Augen, o Jüngling! Willst Du mir daher aufrichtig das beantworten, was ich Dich frage?«

      »Sprecht schnell!« sagte der Führer.

      »Werden sie nun, da ich gekommen bin, mein Kind freigeben?«

      Der Jüngling zog verwundert die Brauen zusammen.

      »Euer Kind ist es also, das sich hier befindet?«

      »Meine Tochter.«

      »Die