Als der Pater Wyszoniek der Fürstin diesen Brief vorgelesen hatte, vermochte sie einige Zeit kein Wort hervorzubringen. Sie hatte die Hoffnung gehegt, Jurand, welcher fünf-oder sechsmal im Jahre seine Tochter besuchte, werde zu den nahen Festtagen kommen, und könne dann sie durch ihren eigenen Einfluß und durch des Fürsten Janusz Fürbitte seine Zustimmung zu einer baldigen Hochzeit erlangen. Aber dieser Brief vereitelte nicht nur ihre Absichten, sondern raubte ihr zugleich auch Danusia, die wie ein eigenes Kind von ihr geliebt wurde. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, daß Jurand vielleicht das Mädchen mit einem seiner Nachbarn vermählen wolle, um dann den Rest seiner Tage bei seiner Tochter zu verleben. Daß Zbyszko sich nach Spychow begeben konnte, daran war gar nicht zu denken, denn seine Wunden fingen erst jetzt an zu heilen, und zudem, wer vermochte vorauszusagen, wie er in Spychow aufgenommen werde? Wußte doch die Herrin, daß Jurand ihm früher rundweg die Tochter verweigert, erinnerte sie sich doch, wie er ihr selbst gesagt hatte, aus Gründen, die Geheimnis bleiben müßten, werde er niemals in die Verbindung willigen. So gebot sie denn mit schwerem Herzen, den ältesten der Boten herbeizurufen, um Näheres über das Unglück in Spychow und zugleich auch etwas über Jurands Absichten von ihm zu erfahren.
Doch wunderte sie sich, als auf ihren Befehl hin ein Mann erschien, der ihr völlig unbekannt war, nicht aber der alte Tolima, welcher den Schild hinter Jurand herzutragen pflegte und gar häufig mit ihm gekommen war. Jener Abgesandte erzählte ihr indessen, daß Tolima, der beim letzten Kampfe mit den Deutschen furchtbar verletzt worden sei, in Spychow mit dem Tode ringe, daß Jurand von schweren Leiden heimgesucht sei und um unverzügliche Rückkehr der Tochter bitte, da er immer weniger sehe und binnen kurzem vielleicht gänzlich erblinden werde. Der Bote bat sogar inständig, daß er sogleich, sobald die Pferde verschnauft hätten, mit dem jungen Mädchen aufbrechen dürfe, aber da der Abend schon angebrochen war, erhob die Fürstin Einsprache dagegen, vornehmlich um Zbyszko und Danusia, sowie sich selbst durch einen voreiligen Abschied das Herz nicht noch schwerer zu machen.
Zbyszko, den man von allem benachrichtigt hatte, lag wie betäubt da, und als die Fürstin eintrat und auf der Schwelle schon händeringend ausrief: »Da giebt es keinen Rat, denn er ist ihr Vater!« wiederholte er wie ein Echo: »Da giebt es keinen Rat!« und schloß die Augen gleich einem Menschen, welcher hofft, daß ihn der Tod bald von jeder Qual befreie.
Aber der Tod kam nicht, wennschon Zbyszkos Leid immer größer ward und ihm immer traurigere Gedanken durch den Sinn zogen, gleich den Regenwolken, welche, vom Sturm getrieben, den Sonnenschein verhüllen. Denn wie die Fürstin begriff auch Zbyszko, daß Danusia, einmal in Spychow angelangt, für ihn so gut wie verloren war. Hier am Hofe waren ihm alle gewogen, während Jurand sich vielleicht weigerte, ihn bei sich aufzunehmen, zumal wenn er sich durch ein Gelübde oder durch irgend einen andern nicht minder wichtigen Grund gebunden fühlte. Und schließlich, wie hätte er sich nach Spychow begeben können, da er krank war und sich kaum auf seinem Lager bewegen konnte? Vor einigen Tagen, als ihm durch des Fürsten Gnade der Rittergürtel und die goldenen Sporen unverhofft zuteil geworden waren, hatte er geglaubt, die übermächtige Freude werde ihn gesund machen, und er hatte inbrünstig gebetet, sich bald erheben und sich mit den Kreuzrittern messen zu dürfen, aber jetzt verlor er wieder alle Hoffnung, denn er sagte sich, wenn Danusia ihm fehle, werde ihm auch die Lust am Leben und die Kraft fehlen, gegen den Tod anzukämpfen. Wenn nun der nächste Tag kam und der übernächste, wenn der heilige Abend und die Festtage herannahten, war er allein, ob die Glieder ihn auch schmerzten, ob ihn auch ein Schwächeanfall überkam, war er allein, und die sonnige Helle, welche von Danusias Wesen ausging und wodurch sie jedes Auge erfreute, war auf einmal verschwunden. Welch süßer Trost war es, sagen zu können: ›Hast du mich lieb?‹ und dann zu sehen, wie Danusia lachend und doch verschämt ihr Gesicht mit den Händchen bedeckte, oder sich zu ihm herabbeugte und erwiderte: ›Dich, Dich Zbyszko, liebe ich allein!‹ Von jetzt an konnten nur Krankheit, Schmerz und bange Sehnsucht seine Gefährten sein, das Glück aber wandte sich von ihm und kehrte nimmer zurück.
Thränen traten in Zbyszkos Augen und rollten langsam über seine Wangen, während er, zu der Fürstin gewendet, sagte: »Allergnädigste Herrin, verläßt Danusia mich jetzt, so werde ich sie in meinem ganzen Leben niemals wiedersehen.«
Und die tief erschütterte Fürstin antwortete: »Wahrlich, es wäre kein Wunder, wenn Du aus Kummer sterben würdest. Doch unser Herr Jesus ist barmherzig.«
Um ihn einigermaßen zu trösten, fügte sie jedoch nach einer Weile hinzu: »Wenn aber Jurand vor Dir stürbe, so würde die Vormundschaft dem Fürsten und mir übertragen, und dann bekämst Du das Mädchen sofort.«
»Wenn er vor mir stürbe!« wiederholte Zbyszko.
Aber plötzlich kam ihm offenbar ein neuer Gedanke, denn er richtete sich auf und begann mit völlig veränderter Stimme: »Allergnädigste Herrin …«
Doch er wurde von Danusia unterbrochen, welche weinend hereinkam und schon an der Schwelle rief: »Weißt Du es schon, Zbyszko? O wie jammert mich mein Vater, aber wie jammerst auch Du mich, Du Armer!«
Als sie nun zu Zbyszko herantrat, da umschlang er sie mit dem gesunden Arm und sagte in schmerzlichem Tone: »Wie kann ich ohne Dich leben, geliebtes Mädchen! Nicht darum habe ich über Flüsse gesetzt, bin ich durch weite Wälder gedrungen, nicht darum gelobte ich mich Dir an und diente Dir, damit ich Dich jetzt verliere. Ach, was helfen Kummer, was helfen Thränen! Doch selbst mit dem Tod ist meine Liebe nicht zu Ende, denn wenn auch der Rasen sich über mir wölbte, so würde doch meine Seele Deiner nicht vergessen, auch nicht im Reiche unseres Herrn Jesu, auch nicht bei unserem himmlischen Vater in der ewigen Ruhe … Ich weiß, hier ist schwer Rat schaffen, und doch müssen wir Rat schaffen, müssen wir etwas wagen. Meine Glieder sind wie gelähmt, und ich leide furchtbare Schmerzen, aber falle Du der Herrin zu Füßen, weil ich es nicht vermag – und bitte um Erbarmen für uns.«
Als Danusia des Geliebten Worte vernahm, sank sie vor der Fürstin nieder und deren Knie umfassend, verbarg sie ihr helles Köpfchen in der Herrin dunklem Gewande. Diese aber richtete einen mitleidigen und zugleich verwunderten Blick auf Zbyszko.
»Wie kann ich Euch helfen?« fragte sie. »Lasse ich das Kind nicht zu dem kranken Vater, so lade ich Gottes Zorn auf mich.«
Zbyszko sank wieder in die Kissen zurück und vermochte einige Zeit nichts zu erwidern, weil ihm der Atem ausgegangen war. Langsam schob er dann auf der Brust eine Hand zu der andern heran und faltete sie wie zum Gebete.
»Ruhe ein wenig,« sagte die Fürstin, »und sobald Du kannst, erkläre mir, um was es sich handelt. Du aber, Danuska, erhebe Dich.«
»Ja, ich muß ruhen, aber Du erhebe Dich nicht, Danusia, und bitte zugleich mit mir!« ließ sich Zbyszko vernehmen. Dann begann er mit schwacher Stimme und in abgerissenen Worten: »Allergnädigste Herrin! … Schon in Krakau war ja Jurand gegen mich … er wird auch jetzt noch gegen mich sein, aber wenn Pater Wyszoniek mich mit Danusia trauen würde – dann mag sie nach Spychow ziehen, weil keine Macht der Welt mir sie dann mehr rauben kann.«
Diese Worte kamen der Fürstin so unerwartet, daß sie von ihrem Sitze aufsprang, sich dann wieder niederließ und wie wenn sie nicht recht begriffen hätte, wovon die Rede war, ausrief: »Bei den Wundenmalen unseres Herrn! … Der Pater Wyszoniek …«
»Allergnädigste Herrin! … Allergnädigste Herrin!« bat Zbyszko in eindringlichem Tone.
»Allergnädigste Herrin!« flehte auch Danusia, abermals der Fürstin Knie umfassend.
»Wie wäre dies möglich, ohne die Einwilligung des Vaters?«
»Gottes Gebote sind die mächtigsten!« antwortete Zbyszko.
»Man muß diese Gebote ehren!«
»Wer ist denn der Vater, wenn es der Fürst nicht ist? … Wer ist denn die Mutter, wenn Ihr es nicht seid, gnädigste Herrin!«
»Mein gütiges Mütterchen!« setzte Danusia hinzu.
»Daß