»Aber was war das »Mehr«, von dem Du sprachst?« fragte der Mausekönig.
»Ja,« sagte die kleine Maus, »das ist, glaube ich, Das, was man den Effekt nennt!« Und darauf kehrte sie den Wurstspeiler um, und siehe, keine einzige Blume war mehr an demselben zu erblicken, sie hielt nur den nackten Speiler, und diesen hob sie, wie man den Taktstock hebt.
»Veilchen,« – sagte mir der Elf, »sind für den Anblick, für den Geruch und das Gefühl, es bleibt demnach noch übrig, auch auf das Gehör und den Geschmack Bedacht zu nehmen!« – Nun schlug das Mäuschen den Takt; das war eine Musik, nicht wie sie im Walde beim Feste der Elfen erklang, nein, wie sie in der Küche zu vernehmen ist. Das war ein Gekoche und Gebrate! Es kam plötzlich, als wenn der Wind durch alle Essen brause, als wenn Kessel und Töpfe überkochten. Die Feuerschaufel hämmerte auf den messingenen Kessel, und dann, – plötzlich wurde es wieder still: man vernahm das leise, gedämpfte Gesinge des Theekessels, und wunderlich war das anzuhören, man konnte nicht recht unterscheiden, ob der Kessel zu kochen beginne, oder aufhöre; der kleine Topf brodelte und der große Topf brodelte, einer kümmerte sich nicht um den andern, es war, als sei keine Vernunft im Topfe. Und die kleine Maus schwang ihren Taktstock immer wilder, – die Töpfe schäumten, warfen große Blasen, kochten über, der Wind brauste und pfiff durch den Schornstein – huha! es ward dermaßen entsetzlich, daß die kleine Maus selbst den Stock verlor.
»Das war eine schwere Suppe!« sagte der Mausekönig; »kommt nun nicht bald die Anrichtung?«
»Das war das Ganze!« erwiderte die kleine Maus und verneigte sich.
»Das Ganze! – Nun dann möchten Wir vernehmen, was die Nächste zu berichten hat!« sprach der König.
III.
Was die zweite kleine Maus zu erzählen wußte.
»Ich bin in der Schloßbibliothek geboren,« sagte die andere Maus; »ich und mehrere unserer Familienglieder haben nie das Glück gekannt, in den Speisesaal, geschweige in die Speisekammer zu gelangen; erst auf meiner Reise und heut hier erblickte ich eine Küche. Wir mußten in der That oft Hunger leiden in der Bibliothek, aber wir bekamen viele Kenntnisse. Zu uns hinauf gelangte das Gerücht von dem königlichen Preise, ausgesetzt für Denjenigen, der Suppe auf einem Wurstspeiler zu kochen verstehe, und da war es denn meine alte Großmutter, die ein Manuscript hervorsuchte, das sie zwar nicht lesen konnte, das sie jedoch hatte vorlesen hören, und in welchem geschrieben stand: »»ist man ein Dichter, so kann man Suppe auf einem Wurstspeiler kochen.«« Sie fragte mich, ob ich Dichter sei. Ich fühlte mich in der Beziehung unschuldig, und sie sagte, alsdann müsse ich hinaus und machen, daß ich es werde; ich fragte wiederum, was wohl dazu erforderlich sei, denn es hatte für mich gerade so viel Schwierigkeit das herauszufinden, als die Suppe zuzubereiten; doch die Großmutter hatte Vieles vorlesen hören, sie sagte, es seien drei Haupttheile erforderlich; »»Verstand, Phantasie, Gefühl, – kannst Du machen, daß Du diese drei für Dich kriegst, so bist Du Dichter, und dann wird es Dir schon ein Leichtes mit dem Wurstspeiler sein.««
Ich ging ab und schritt gegen Westen in die weite Welt hinaus, damit ich ein Dichter werde.
Verstand ist in jedem Dinge das Wichtigste, das wußte ich, die beiden anderen Theile genießen lange nicht die Achtung! und ich ging demnach zuerst nach dem Verstande aus. Ja, wo wohnt der wohl? Geh' zur Ameise und lerne Weisheit! hat ein großer König der Juden gesagt, das wußte ich von der Bibliothek her, und ich hielt nicht an bis ich an den ersten großen Ameisenhaufen gelangte, dort legte ich mich auf die Lauer, um weise zu werden.
Die Ameisen sind ein sehr respectables Völkchen, sie sind lauter Verstand. Alles bei ihnen ist wie ein richtiges Rechenexempel, welches aufgeht. Arbeiten und Eier legen, sagen sie, heißt in der Zeit leben und für die Nachwelt sorgen, und das thun sie denn auch. Sie theilten sich in die reinen Ameisen und die schmutzigen; der Rang wird durch eine Nummer bezeichnet; die Ameisenkönigin ist Nummer Eins und ihre Ansicht die allein richtige, sie hat aller Welt Weisheit inne, und das war für mich zu wissen von Wichtigkeit! Sie sprach so Vieles und es war so klug, daß es mir wie dumm vorkam. Sie sagte, ihr Ameisenhaufen sei das Höchste in der Welt, aber dicht neben dem Haufen stand nichtsdestoweniger ein Baum, welcher höher, viel höher war, das konnte nicht abgeleugnet werden, – und so sprach man nicht davon. Eines Abends hatte sich eine Ameise auf den Baum verirrt, war den Stamm hinangekrochen, nicht einmal bis zur Krone, aber doch höher, als irgend eine Ameise bis dahin gelangt war, und als sie umkehrte und wieder nach Hause kam, erzählte sie nun von etwas weit Höherem, welches sie draußen gefunden habe, aber das fanden alle Ameisen beleidigend gegen die Gesellschaft, und die Ameise wurde deshalb zum Maulkorbe und zu immerwährender Einsamkeit verurtheilt. Allein kurze Zeit darauf gelangte eine andere Ameise an den Baum und machte dieselbe Reise und dieselbe Entdeckung; sie sprach davon mit Bedacht und Undeutlichkeit, wie es hieß, und da sie außerdem eine geachtete Ameise und eine der reinen war, so glaubte man ihr, und als sie starb, errichtete man ihr eine Eierschale als Denkmal, denn man hegte große Achtung vor den Wissenschaften. »Ich sah,« sagte die kleine Maus, »daß die Ameisen immer mit ihren Eiern auf dem Rücken umherliefen; eine verlor einmal ihr Ei, sie gab sich viele Mühe es wieder aufzuheben, allein es wollte ihr nicht gelingen, da kamen zwei andere hinzu, die halfen ihr aus Leibeskräften, so daß sie beinahe ihre eigenen Eier dabei verloren hätten, alsdann ließen sie aber auch augenblicklich in ihrer Hilfe nach, denn man ist sich selbst am nächsten, und die Ameisenkönigin sagte hiervon, es sei so Herz und Verstand an den Tag gelegt worden. »Diese Beiden stellen uns Ameisen auf die höchste Stufe unter allen Vernunftwesen; der Verstand muß durchaus in hervorragender Weise in uns zugegen sein, und ich habe den größten Verstand!« und dabei richtete sie sich auf den Hinterbeinen empor, sie war nicht zu verkennen, – ich konnte mich nicht irren: ich verschlang sie. Geht zu den Ameisen, um Weisheit zu lernen: – ich hatte jetzt die Königin!«
Ich begab mich nun näher an den schon mehrerwähnten großen Baum heran; derselbe war eine Eiche, hatte einen hohen Stamm, eine volle, weit ausgebreitete Krone und war sehr alt; ich wußte, daß hier ein lebendes Geschöpf wohne, ein Weib, Dryade wird es genannt, wird mit dem Baume geboren und stirbt auch mit demselben; ich hatte davon auf der Bibliothek gehört; nun sah ich einen solchen Baum, ein solches Eichenmädchen. Es stieß einen entsetzlichen Schrei aus, als es mich so in der Nähe erblickte; es fürchtete sich wie alle Frauen sehr vor Mäusen; und es hatte denn auch mehr Grund dazu als alle andern, denn ich hätte den Baum durchnagen können, an welchem ja sein Leben hing. Ich sprach dem Mädchen freundlich und innig zu, flößte ihm Muth ein, und es nahm mich in seine zarte Hand, und als ich ihm erzählt, weshalb ich in die weite Welt gegangen sei, versprach es mir, ich sollte vielleicht noch an demselben Abende einen der zwei Schätze haben, die ich noch suchte. Es erzählte mir, daß Phantasus sein sehr guter Freund, daß er so schon wie der Liebesgott sei, und daß er manche Stunde unter den belaubten Zweigen des Baumes ruhe, die dann noch kräftiger über die Beiden rauschten. Er nenne es seine Dryade, sagte es, den Baum seinen Baum, die knorrige schöne Eiche sei gerade nach seinem Sinne, die Wurzel breite sich tief und fest in der Erde aus, der Stamm und die Krone heben sich hoch empor in die frische Luft und kennten den stöbernden Schnee, die scharfen Winde und den warmen Sonnenschein, wie diese gekannt sein müssen. »Ja,« fuhr die Dryade fort und sagte, »die Vögel singen dort oben in der Krone und erzählen von fremden Gefilden, die sie besuchten, und auf dem einzigen dürren Zweige hat der Storch sein Nest gebaut, das putzt schön aus und man bekommt