Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claudia Torwegge
Издательство: Bookwire
Серия: Mami Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740926427
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du willst der Kleinen doch wohl nicht die Tour vermasseln?« fragte sie alarmiert. »Ich weiß, deine spießige Mutter hat was gegen den Gig, aber Mike hat wirklich Connections. Der bringt Sandy groß raus. Aber bloß, wenn sie nicht ständig ihre Sippe an den Hacken hat.«

      »Nee, nee, ich wollte Sandy bloß abholen«, log Dennis rasch. »Wir wollen ins Kinopolis, weißte.«

      Maggy fiel auf den Trick rein.

      »Okay, ich geb’ dir die Adresse«, erklärte sie bereitwillig. »Aber das kann dauern, weißte. Also richte dich auf ’ne längere Wartezeit ein.«

      Dennis versicherte, daß ihm das nichts ausmachen würde und er die Aufnahmen auch bestimmt nicht stören wollte.

      Dann nannte Maggy ihm endlich die Adresse ihres tollen Freundes, und Dennis konnte das Gespräch beenden.

      »Ich fahre da hin«, verkündete Clemens, während er Dennis den Zettel mit der Adresse des Fotografen förmlich aus den Händen riß. »Ihr bleibt am besten bei den Kindern und paßt auf, daß Steffi nichts mitkriegt. Sie ist schon enttäuscht genug darüber, daß ihr Vater ihr weder gratuliert noch ein Geschenk mitgebracht hat.«

      Niemand widersprach seinem Vorschlag. Dennis eilte bereits davon, um die Würstchen zu retten, die auf dem Grill vor sich hinbrutzelten, während Nathalie und Clemens zum Auto rannten.

      »Mach dir keine Sorgen«, sagte Clemens noch, bevor er einstieg. »Ich finde Sandy und bringe sie dir heil und gesund zurück, das verspreche ich dir.«

      Nathalie nickte stumm. Die Tränen, die wie ein Kloß in ihrem Hals steckten, machten ihr das Sprechen unmöglich. Aber sie war dennoch irgendwie gefaßt.

      Ganz tief in ihrem Herzen war sie davon überzeugt, daß Clemens’ Worte keine leeren Floskeln waren, um sie zu beruhigen. Sie glaubte ihm.

      *

      Sandy kam sich ziemlich albern vor in dem Schulmädchenoutfit, das Mike ihr zurechtgelegt hatte. Besonders die Zöpfe und die weiße Bluse waren blöd. Ehrlich, wie ein Star kam sie sich damit nun wirklich nicht vor.

      »Aber die Kunden mögen das«, behauptete Mike, während er die Kameras für die nächsten ›Schüsse‹ vorbereitete. »Du wirst sehen, die werden dir’n Supervertrag anbieten. Die suchen für ihre Produktion genau so’n Typ wie dich.«

      Sandy ergab sich in ihr Schicksal. Mit dämlichen Kleinmädchenlächeln hüpfte sie durch die Kulissen, spielte mal die Schüchterne, mal die kleine Freche und dann wieder die Brave, die unschuldig in die Gegend blickte.

      Mike gefiel es. Immer wieder rief er »Toll, Baby, du bist echte Klasse, Süße, komm, gib mir mehr, gib mir alles, ja, ja, ja, Süße, du bist einfach Spitze!«

      »So, nun zieh mal die Bluse aus!«

      Sandy hielt mitten in der Bewegung inne und starrte in die Dunkelheit, dorthin, wo sie Mike mit seinen Kameras vermutete.

      »Nun mach schon!« kommandierte er. »Zieh die Bluse aus. Die Typen wollen ein bißchen mehr von dir sehen.«

      »Warum?« Die grellen Scheinwerfer, die auf die gerichtet waren, blendeten Sandra.

      »Glaubst du, die kaufen die Katze im Sack?« lautete die Antwort. »Zieh die Bluse aus und dann nach und nach den BH und alles andere. Und dann setzt du den Schulranzen auf. Los, nun mach schon.«

      Sandra begann zu frieren, obwohl es im Atelier sehr heiß war. Die Scheinwerfer verströmten eine geradezu unerträgliche Hitze.

      »Ich soll mich ganz…?« Sandy konnte das Wort nicht aussprechen. »Alles?«

      »Na klar, alles«, erwiderte Mike ungeduldig. »Nun mach schon. Ich hab’ nicht ewig Zeit.«

      Sein Ton machte Sandra Angst. Langsam begann sie, die Bluse aufzuknöpfen. Sie fühlte sich plötzlich schrecklich schutzlos und ausgeliefert. War das normal, daß man sich ganz nackt ausziehen mußte, um einen Auftrag zu bekommen!

      »Den BH«, erinnerte Mike sie, nachdem sie die Bluse abgestreift hatte. »Und dann den Rock. Himmel, Mädchen, steh nicht da wie ein Stock, beweg dich. Mach mich an, mach mich scharf. Du wirst nie vor eine Filmkamera kommen, wenn du dich so zierst.«

      Mit zitternden Händen begann Sandy, ihren BH aufzuhaken.

      *

      Die junge Frau musterte Clemens abweisend.

      »Herr Lambsdorf ist beschäftigt«, erklärte sie schnippisch, während sie sich demonstrativ in ihren Stuhl zurücklehnte und seelenruhig ihre langen Nägel weiterlackierte. »Lassen Sie sich einen Termin geben.«

      »Ich denke nicht daran«, erwiderte Clemens mühsam beherrscht. »Ich will jetzt sofort zu Mike. Wo finde ich ihn?«

      Die junge Frau zuckte nur die Schultern und tauchte den Pinsel erneut in den grellgrünen Nagellack. Als sie wieder aufblickte, hatte der Besucher das Vorzimmer verlassen.

      Alarmiert sprang sie auf und rannte in die Diele hinaus. Sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Clemens die Tür zum Atelier aufriß.

      Sandy schnappte erschrocken nach der Bluse, als die Tür aufgerissen wurde. Ein heller Lichtstreif fiel in den Raum und beleuchtete Mike, der mit gezückter Kamera ein Bild nach dem anderen schoß.

      Bei Clemens’ unverhofften Eindringen fuhr er herum und starrte den Besucher wütend an.

      »Raus!« Seine Stimme überschlug sich vor Zorn. »Verdammt, ich hab’ gesagt, daß ich nicht gestört werden will. Was zum Teufel tun Sie hier?«

      Clemens hatte bereits genug gesehen. Sandy, die spärlich bekleidet in den lieblos zusammengenagelten Kulissen stand. Ihre großen, ängstlichen Augen, der ganze billige Aufzug, den Mike um sie herum arrangiert hatte.

      Bevor der Fotograf auch nur einen Ton sagen konnte, hatte Clemens ihn am Kragen seines billigen Nylonhemdes gepackt und schüttelte ihn wie ein junges Obstbäumchen.

      »Rück sofort die Filme raus!«

      »Spinnen Sie?« kreischte Mike empört. »Wer sind Sie überhaupt?«

      »Ich bin der Vater dieser jungen Dame«, klärte Clemens ihn auf. »Und wenn Sie mir nicht augenblicklich sämtliche Filme geben, breche ich Ihnen sämtliche Knochen im Leibe.«

      Die Frage, ob diese Drohung ernst gemeint war, brauchte sich Mike nicht erst zu stellen. Er sah es an den Augen dieses Verrückten, daß er nicht zögern würde, ihm den Garaus zu machen, wenn er sich den Wünschen des Irren widersetzte.

      Trotzdem, so ganz kampflos wollte Mike nicht aufgeben. Immerhin ging ihm ein lukrativer Auftrag durch die Lappen, wenn er die Fotos nicht lieferte. Das Geschäft mit Kinder und Jugendlichen lief prächtig. Der Typ, der die Bilder bestellt hatte, zahlte wahre Traumhonorare für die Akte. Je jünger die Modelle waren, desto mehr Geld floß.

      »Zieh dich an!« forderte Clemens, während er Mike am Kragen gepackt festhielt. »Und dann mach’, daß du hier rauskommst. Mein Wagen steht unten. Warte dort auf mich.«

      Sandra gehorchte umgehend. Froh, dem merkwürdigen Fotografen entkommen zu können, raffte sie ihre Sachen zusammen, zerrte alles hastig über ihren Körper und raste aus dem Atelier.

      Die Tür fiel gerade hinter ihr ins Schloß, da bekam Mike Lambsdorf Clemens’ Faust zu schmecken. Der Kinnhaken reichte aus, ihn das Honorar vergessen zu lassen. Zitternd grabschte er nach der Kamera, die um seinen Hals baumelte und zerrte die Filmrolle heraus.

      Aber Clemens war noch lange nicht zufrieden. Er versetzte dem Fotografen einen zweiten Hieb, der den untrainierten Mann glatt auf die Matte schickte, und begann, auch die restlichen Filme, die in einer Tasche lagen, an sich zu nehmen.

      Clemens machte sich nicht die Mühe, eine Auswahl zu treffen. Er raffte einfach alles, was er an Filmmaterial im Atelier fand, an sich und stopfte es in die Leinentasche, die er irgendwo zwischen den Utensilien fand.

      Mike, der inzwischen wieder zu sich gekommen war, kreischte und zeterte zwar, wollte jetzt