»Na, na«, meinte Nina, »davon habe ich aber nichts gemerkt, lieber Friedhelm!«
»Ich bin eben ein zurückhaltender Typ – und mein Vetter Matthias ist der Draufgänger«, gab er mit einem Grinsen auf seinem offenen Gesicht zurück und wollte wissen: »Aber nun erzählt mal, wie ist das eigentlich alles gekommen?«
»Zuallererst hat er mich für deine Putzfrau gehalten«, sagte Nina lachend. »Doch dann…«
Sie sah Matthias an, und ihre Blicke sanken voll Liebe ineinander.
»Doch dann haben wir sehr schnell gemerkt, daß wir uns unsagbar gern haben«, sagte er zärtlich. »Amelie war erst gar nicht damit einverstanden, aber…«
»… aber jetzt bin ich schon damit einverstanden!« warf die Kleine ein. Sie hatte sich zwischen Nina und Matthias auf das Sofa gesetzt, als wollte sie damit zeigen, daß auch sie den jungen Mann gern hatte. Sie war noch ein wenig blaß nach der langen Zeit im Krankenhaus. Auch die Aufregungen im Hause Ulf Tiefenbergs, ihres leiblichen Vaters, hatten ihre Spuren hinterlassen und machten sich noch dadurch bemerkbar, daß sie manchmal des Nachts wie aus bösen Träumen aus dem Schlaf aufschreckte. Um so mehr hatte sie sich an Matthias angeschlossen, der ihr Sicherheit und liebevolle Geborgenheit vermittelte. »Ich habe nichts dagegen, daß er meine Mami liebhat – und sie ihn.«
»Tatsächlich?« sagte Matthias mit gespieltem Erstaunen. »Das ist aber ganz neu! Ich kann mich noch daran erinnern, wie du
mal gesagt hast, ich soll fortgehen!«
»Ach, das ist schon eine Ewigkeit her«, meinte Amelie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Das gilt schon lange nicht mehr.«
»Na, da bin ich aber wirklich froh«, meinte Matthias mit einem erleichterten Aufseufzen. »Dann kann ich ja endlich deine Mami fragen, ob sie meine Frau werden will. Sie müßte dann allerdings mit dir aufs Land kommen als Frau eines einfachen Landarztes. Was sagst du dazu, Amelie? Hast du was dagegen?«
Amelie schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Nein, ich habe nichts dagegen. Und ich habe auch gar nichts dagegen, wenn du mein Vater wirst.«
Sie sah ihn an, schmiegte ihren Lockenkopf an seine Schulter und wiederholte leise, aber deutlich:
»Ich hab nichts dagegen, wenn du mein Vater wirst. Mein echter, richtiger Vater.«
Nina sah ihre kleine Tochter gerührt an, denn sie wußte schließlich am besten, was es mit Amelies Vorstellung von einem »echten, richtigen« Vater auf sich hatte.
Draußen war es inzwischen dunkel geworden, und Amelie stand mit Matthias am Fenster und sah zum Himmel hinauf, an dem schon einzelne Sterne glitzerten.
»Die Erde dreht sich, und wenn bei uns die Sonne aufgeht, dann wird es Nacht auf der anderen Seite der Welt. Dann scheinen dort die Sterne vom Himmel und auch der Mond«, erklärte sie
ihm.
»Nanu, woher weißt du das?« staunte Matthias.
»Das hat mir meine Mami erzählt«, sagte sie. »Auf der anderen Seite der Welt, da ist auch der Urwald. Dort hat früher mal der Mann gewohnt, der gesagt hat, er ist mein Vater. Aber er hat mir nie geschrieben, denn im Urwald gibt es keine Post. Ich möchte auch keinen Brief mehr von ihm haben, denn jetzt – jetzt habe ich ja dich.«
Matthias beugte sich herunter und drückte einen Kuß auf Amelies Lockenkopf.
»Ich werde mir große Mühe geben, dir ein lieber Vater zu sein, meine Kleine«, versprach er. »Und deiner Mami ein guter Ehemann…«
»Genug der Worte! Darauf sollten wir anstoßen«, rief Friedhelm aus. »Wie ich unsere Nina kenne, hat sie sicher noch eine Flasche Wein aus dem Keller ihres Onkels auf Lager. Soll ich die eben mal holen?«
Er wartete die Antwort nicht ab, sondern beeilte sich, das gute Tröpfchen herzubringen.
»Auf uns«, sagte Nina und Matthias fügte hinzu: »Und auf unser Glück.«
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