MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2). Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия: Matthew Corbett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353299
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wie sie von früher her gewohnt sein musste. Und doch hatte dieselbe Person sich die Mühe gemacht, die Initialen der Möbelbauer zu entfernen, damit niemand herausfinden konnte, wer sie war.

      Warum?

      Hatte sie in dem verschlossenen Raum, in dem sich ihr Verstand befand, tatsächlich Devericks Namen erkannt? Wenn ja, warum hatte der Name sie zum Weinen gebracht?

      Von Deverick zum Maskenschnitzer und vom Maskenschnitzer zu Deverick. Aber verlief die richtige geometrische Linie tatsächlich von der Königin der Verdammten zum Maskenschnitzer, zu Dr. Godwin, zu Pennford Deverick, zu Eben Ausley?

      »Darf ich fragen, was Ihr denkt?« Es war Ramsendell, der sprach.

      »Ich denke, dass ich vielleicht ein Fünfeck vor mir habe«, gab Matthew zurück.

      »Was?«, fragte Hulzen und ein Rauchfaden glitt ihm über das Kinn.

      Matthew antwortete nicht, denn er war noch mit seinen Kalkulationen beschäftigt. Diesmal nicht über die Entfernungen zwischen den verschiedenen Bedeutungen, sondern ob es eine Chance gab, dieses Rätsel zu lösen. Wo sollte man anfangen? Wie sollte man anfangen?

      »Also.« Greathouse sprach das Wort wie ein Omen aus. »Hält sie sich für Queen Mary? Sie wartet auf eine Botschaft von King William?« Er kratzte sich das Kinn, das einer Rasur bedurfte. »Mag sich denn niemand trauen ihr zu sagen, dass William tot ist?«

      Matthew war zu einer Schlussfolgerung gekommen. »Ich denke, dass wir uns dieses Problems annehmen werden, Sirs.«

      »Jetzt aber mal langsam!«, brauste Greathouse auf, bevor die Ärzte antworten konnten. »Ich habe dem nicht zugestimmt!«

      »Und?« Matthew betrachtete ihn mit kühlem Blick. »Was sollte Euch davon abhalten?«

      »Dass … dass wir erst mal darüber reden sollten, das hält mich davon ab!«

      »Gentlemen, wenn Ihr morgen früh mit einer Antwort zu uns zurückkommen wollt, wären wir Euch sehr verbunden«, sagte Ramsendell. »Zimmer könnt Ihr im Constant Friend finden, doch ich muss sagen, dass das Essen in Mrs. DePauls Gaststube besser schmeckt.«

      »Aber nur, damit ich ein sehr großes und sehr starkes Getränk zu mir nehmen kann«, knurrte Greathouse. Und lauter, an Ramsendell gewandt: »Unser Lohn würde sich auf drei Kronen plus Spesen belaufen. Eine Krone ist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zahlbar.«

      Ramsendell sah Hulzen fragend an, der die Schultern zuckte. »Teuer«, meinte Ramsendell. »Aber ich glaube, dass wir das verkraften können, solange Eure Spesen sich in Grenzen halten.«

      »Das werden sie vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Es kommt darauf an.«

      Matthew wusste, dass Greathouse versuchte, das Zustandekommen einer Vereinbarung zu verhindern. Die Dunkelheit der Tollheit verunsicherte das degenschwingende Raubein – schließlich war das etwas, gegen das er sich weder mit den Fäusten, der Pistole, noch dem Degen wehren konnte.

      Ramsendell nickte. »Wir vertrauen darauf, dass die Spesen den Umständen entsprechend ausfallen. Schließlich seid Ihr Fachmänner.«

      »Ja.« Greathouses Brust schwoll vielleicht etwas an, aber Matthew war klar, dass man sich über die Bezahlung geeinigt hatte. »Ja, das sind wir.«

      Bevor sie das Zimmer verließen, blieb Matthew kurz stehen, um sich nochmals das vornehme Ambiente und die eleganten Möbel anzusehen. Wer war der Gatte dieser Frau?, fragte er sich. Hier war eine Menge Geld zu sehen. In welchem Beruf war es verdient worden?

      Er warf noch einen Blick auf die italienischen Masken und das unbewegliche Profil der Frau. Sie trug ihre eigene Maske, dachte er. Dahinter mochte alles leer sein – oder ein gequältes Gedächtnis liegen.

       Junger Mann, ist die Antwort des Königs inzwischen eingetroffen?

      »Einen angenehmen Abend noch«, wünschte Matthew der schweigenden Königin der Verdammten und folgte den anderen aus dem Zimmer.

      Drei

      »Meiner Meinung nach«, sagte Hudson Greathouse und brach damit das Schweigen, das sich schon über eine halbe Stunde hinzog, »ist das unmöglich zu schaffen, egal, was Ihr darüber denkt. Schließlich habe ich in diesem Beruf etwas mehr Erfahrung als Ihr.«

      Matthew ließ die Bemerkung so stehen. Sie ritten auf der Philadelphia-Straße zurück nach New York. Matthews Uhr zufolge war es kurz nach zehn. Die Sonne sah hinter den grauen Wolken hervor und das Licht brach sich an den nassen Bäumen und Pfützen auf der Straße. Sie hatten Westerwicke am Morgen nach einer Frühstücksbesprechung mit den beiden Ärzten in Mrs. DePauls Gaststube verlassen. Am Abend zuvor, während ein Gewitter heranzog und Regen gegen die Fensterläden des Constant Friend trommelte, hatten Matthew und Greathouse sich über die Erfolgsaussichten, die Identität der Queen zufriedenstellend zu klären, in den Haaren gelegen. Greathouse hatte darauf beharrt, dass Mrs. Herrald es für ein aussichtsloses Unterfangen halten würde, während Matthew darauf bestanden hatte, dass nichts aussichtslos war, solange es nicht aufgegeben wurde. Als Greathouse schließlich merkte, dass Matthew sich von seiner Position nicht abbringen lassen würde, hatte er die Achseln gezuckt und gesagt: »Das ist dann Eure Aufgabe und nicht meine«, und sich mit einer Flasche Rum nach oben in sein Zimmer zurückgezogen. Matthew hatte noch eine Weile dem Sturm gelauscht, eine letzte Tasse Ingwertee getrunken und war dann ins Bett gegangen, um über die Verbindungslinien dieses Fünfecks zu grübeln, bis ihn nach Mitternacht endlich der Schlaf von seinen Gedanken erlöst hatte.

      »Wo wollt Ihr denn anfangen?«, fragte Greathouse, der neben Matthew ritt. »Habt Ihr überhaupt irgendeine Idee?«

      »Habe ich.«

      »Ich bin ganz Ohr.«

      »In Philadelphia«, sagte Matthew. Er lenkte Dante an einer riesigen Pfütze vorbei, die wie ein pferdeverschlingendes Sumpfloch aussah. »Um ganz genau zu sein, in der Kanzlei von Icabod Primm.«

      »Ach, tatsächlich?« Greathouse lachte rau. »Na, das wird unseren Klienten aber sehr gefallen, was? Habt Ihr nicht gehört, wie sie sagten, dass Primm nichts davon erfahren darf?«

      »Ich bin ebenfalls ganz Ohr, aber ich glaube nicht, dass Mr. Primm …« Er suchte nach dem richtigen Wort.

      »Ganz ehrlich ist?«, schlug Greathouse vor.

      »Genau. Wenn Primms Klient das Wohl dieser Dame so sehr am Herzen liegt, wird er – oder vielleicht ist es auch eine sie – die Königin nicht aus diesem Hospital holen lassen. Egal, womit Primm droht. Wo sollte sie denn sonst hin, wo man sie derart königlich behandelt? Primms Klient will zwei Dinge: Die Dame soll versteckt und beschützt werden.«

      »Ich glaube nicht, dass diese Ärzte das gutheißen werden.«

      »Sie müssen ja nichts davon erfahren, oder?«

      Greathouse schwieg. Immer mehr Sonnenschein strömte durch den Wald und die feuchte Luft wurde wärmer. »Diese ganze Sache stinkt, wenn Ihr mich fragt«, fing Greathouse wieder an. »Diese Verrückten, die ohne Ketten an den Füßen frei herumlaufen. Und all dieser Mist über Geistesgestörtheit und Traumzustände und all das. Wisst Ihr, was mein Vater getan hätte, wenn ich mich in einen verdammten Traumzustand versetzt hätte? Ausgepeitscht hätte er mich! Mir scheint, das ist, was manche dieser Leute brauchen. Und nicht verwöhnt zu werden, als wären sie zarte Veilchen.«

      »Dann nehme ich an«, sagte Matthew trocken, »dass Ihr Jacob mit der Peitsche behandeln würdet?«

      »Ihr wisst, was ich meine! Zur Hölle noch mal, man soll einen Verrückten einen Verrückten nennen und fertig!«

      »Ich bin mir sicher, dass es in Englands Tollhäusern sogenannte Ärzte gibt, die Euch beipflichten würden. Aber die würden auch unsere Dienste nicht brauchen.« Matthew warf einen Seitenblick auf Greathouse, um seine Miene zu mustern – mürrisch –, und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße. »Findet Ihr es