Der Texaner stand da wie ein Baum. Kein Muskel zuckte in seinem gegerbten Gesicht. Spott – das war genau das, was der wilde rücksichtslose Bill Thompson nicht ertragen konnte.
»Ich habe leider keine Zeit mehr für dich, Bill. Du siehst, meine Gäule sind eingeschirrt. So long!« Er wollte sich umwenden, sah aber noch im Abdrehen, wie der Texaner auf ihn zuhechtete.
Es wurde kein großer Kampf.
Der weithergeholte pfeifende Schwinger Bills zischte über den abgeduckten Kopf seines Gegners.
Dafür saß der steifangewinkelte, knallharte linke Haken Wyatt Earps genau im Ziel.
Der schwere Mann wurde so durchgeschüttelt, daß er benommen dastand und erleben mußte, wie ihm die Arme kraftlos herunterfielen. Nur wie durch einen Wasserschleier sah er die sehnige Gestalt des Postfahres vor sich stehen, hörte die Stimme des anderen.
»Ich sagte dir doch, ich habe keine Zeit, Bill. Dein Bruder hat mich in der Stadt schon so lange aufgehalten.«
Dieser Satz riß die Tatkraft und den Kampfnerv des Texaners wieder wach.
»Ben?« röhrte er. »Du verdammter Skunk hast auch einen Gang mit Ben gehabt – und lebst noch? Heavens! Das muß ich sofort bereinigen!«
Er warf beide Arme nach vorn, spreizte seine prankenartigen Finger und warf sie um den Hals des Missouriers.
Das war das letzte, was Bill Thompson für viele Stunden tat.
Die beiden Faustschläge, die kurz hintereinander an seinem Kinn detonierten, schienen ihn regelrecht anzuheben. Sonderbar langsam kippte der Spieler über die Absatzspitzen zurück. Im Fallen streifte sein Schädel hart die Brunnenkante…
Als Bill Thompson wieder zu sich kam, hatte die Sonne schon ein gutes Stück ihres Weges zum Westen hin zurückgelegt. Die Bäume warfen lange Schatten, und der Himmel hatte ein sattes rötlich schimmerndes Blau. Es ging auf Abend zu.
Der Spieler rieb sich das Kinn, schüttelte den Kopf, erhob sich taumelnd und ging auf weichen Knien zu seinem Pferd.
*
Der grauköpfige Jim Duffy hatte der Auseinandersetzung der beiden Männer ziemlich uninteressiert zugesehen.
Als der Fremde still am Boden lag, blinzelte der Alte und schneuzte sich die Nase. Dann kam er langsam auf seinen sichelkrummen Beinen auf Wyatt zu. »Das war ganz unmißverständlich, Mister Earp.«
Wyatt nickte. »Und leider war es auch nötig.«
Er nahm den Hut ab, wischte über das Schweißband, zog eine lange schwarze Zigarre aus der Westentasche und riß ein Zündholz an der Stiefelsohle an.
Der Alte schnupperte den Tabaksduft mit Wohlbehagen ein.
Ohne ihn anzusehen, reichte Wyatt ihm eine Zigarre.
»Sie könnten mir einen Gefallen tun, Duffy.«
Der Alte biß die Zigarrenspitze ab, riß ebenfalls ein Zündhoz an, sog den Rauch tief ein und fragte durch die tiefblauen Rauchwolken: »Ja –?«
»Fahren Sie die Kutsche weiter nach Russel.«
Der Alte hob überrascht den Kopf. »Ich?«
»Ja, Sie.«
»Aber…«
»Was aber? Sind Sie etwa zu alt dazu, die Schaukel über die Prärie zu bringen? Jeff Collins hat mir erzählt, daß Sie siebzehn Jahre auf dem Kutschbock gesessen hätten und einer der besten Fahrer gewesen wären…«
»Siebzehn Jahre?« unterbrach ihn der Alte polternd, während seine Augen aus ihren Höhlen zu treten schienen. »Der Boß kann wohl schlecht zählen, Mister Earp! Es waren neunzehn Jahre!«
»Good. Ich weiß, daß Sie die Pferdewechsel-Station nur bekommen haben, weil der Boß Ihnen mehr Ruhe gönnen wollte. Wir müssen die Plätze für zwei Tage tauschen, Jim. Sie bringen die Kutsche nach Russel. Und ich bleibe auf der Station. Das heißt, ich werde beim nächsten Pferdewechsel wieder hier sein. Die abgetriebenen Gäule stiehlt bestimmt inzwischen niemand.«
Der alte Jim Duffy feixte. Er schob die Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen und stemmte die von einer dünnen faltigen Haut bedeckten Hände in den Rücken.
»Ja, wenn Sie meinen?«
Wyatt nickte.
»Nehmen Sie Ihre Tasche und Ihre Waffen, und rollen Sie los. Die Karre ist leer. Sie brauchen niemanden außer sich selbst zu beschützen.«
»Die Gäule?«
»Die laufen allein. Wo steht Ihr Pferd?«
»Drüben, unter dem Vordach. Es ist ein Tupfschimmel; er liebt die Hitze nicht sehr.«
Wyatt sattelte das Tier des Stationshalters, sah zu, wie die Kutsche davonrollte, riegelte das Blockhaus ab und ritt langsam nach Osten davon.
*
Es war dunkel, als er die ersten Häuser von Ellsworth erreichte. Er hatte es absichtlich so eingerichtet. Die Leute brauchten ihn nicht zu sehen.
Was wollte er eigentlich noch in der Stadt?
Wyatt hätte es selbst nicht ganz genau sagen können. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl im Nacken, wenn er an Ben Thompson und Geg Peshaur dachte. Die beiden hockten nebeneinander in den Zellen im Sheriff-Office und machten fraglos gemeinsame Sache, wenn es um einen Ausbruch ging. Thompson war zwar ein herumziehender Spieler und Peshaur ein Cowboy, aber sie waren beide Texaner, hatten beide Galgenvogelgesichter und Wyatt traute beiden nicht über den Weg. Trotzdem, was gingen ihn die Männer an?
Nichts.
Absolut nichts.
Ben Thompson war ein Mörder und würde gehenkt werden. Darüber konnte es keinen Zweifel geben. Er hatte einen Sheriff ermordet.
Aber Peshaur, der gewalttätige Viehtreiber, war mit ihm befreundet.
Und Bill Thompson mußte inzwischen auch längst in der Stadt eingetroffen sein, er würde nicht ruhen, bis sein Bruder wieder frei war. Und wenn die beiden Thompsons Peshaur klar auf ihre Seite brachten, hatten die Leute in der Stadt nichts zu lachen.
Ben Thompson wäre ohne Wyatts Eingreifen jetzt frei; Jack Norton hätte ihn nie und nimmer verhaftet.
Die Mainstreet war erfüllt von lebhaftem Treiben. Die Cowboys hatten die Stadt geradezu überschwemmt.
Wyatt stieg vom Pferd und schob sich durch die Menge. In einer ruhigen Seitengasse neben Smokys Saloon band er den Tupfschimmel an.
Plötzlich glaubte er, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Durch ein halbgeöffnetes Fenster sah er in einem Nebenraum des Saloons mehrere Männer stehen. Einer von ihnen war Peshaur.
Derselbe George Peshaur, den er am Mittag noch drüben im Jail abgeliefert hatte.
Was war passiert? War der Cowboy allein ausgebrochen? War er von seinen Leuten befreit worden?
Was war mit Ben Thompson, dem Mörder?
Wyatt schlang die Zügelleine um den Querholm und lief die Gasse hinunter, der Mainstreet zu.
Da überquerte ein kleiner Mann die Straße.
Wyatt nahm ihn am Ärmel und zog ihn wie ein Kind zu sich heran.
»Ich bin’s, Wyatt Earp! Was ist passiert?«
Der Mann mit der roten Nase starrte den Postfahrer an.
»Sie sind’s? Ist denn so was möglich? Wo kommen Sie denn her? Ich denke, Sie sind mit der Kutsche weiter nach Russel…«
»Peshaur ist frei«, sagte Wyatt.
»Ja. Der Mayor hat ihn freigeben müssen.«
»Müssen?«
Der Kleine