Wyatt hatte es schon in den frühen Morgenstunden bemerkt. Oben auf den Berggipfeln, weit über dem Tal, stiegen winzige Rauchsäulen in den Himmel.
Gegen neun Uhr bemerkte es Hal McLean. Er rief Wyatt an. »He, was ist das?«
»Indianer!« brüllte der alte Vormann, der den Ruf gehört hatte.
Rooper, der nicht weit weg war, hielt erschrocken inne.
»Indianer?«
Die Männer sammelten sich um den Missourier.
»Ist es wahr?« fragte der Rancher nur.
Wyatt nickte.
»Und?« krächzte Mac. »Was sind es für Halunken?«
»Cheyennes.«
Der alte Vormann blickte Wyatt groß an.
»Können es nicht auch Sioux sein?«
»Leider nicht.«
»Leider?« forschte Rooper. »Wollen Sie damit etwa sagen, daß die Cheyennen noch schlimmer sind?«
»Ja, viel schlimmer, jedenfalls als die Sioux, die südlich von hier wohnen. Die Sioux-Ogellala sind allerdings wenigstens ebenso schlimm wie die Cheyennes.«
»Was wollen sie von uns?«
Wyatt zog die Schultern hoch. Ein schwaches Lächeln stand um seine Mundlippen.
Rooper wurde blaß.
»Sie glauben, daß die Roten die Herde wollen?«
»Ich weiß es nicht, Mister Rooper.«
»Die Herde?« knurrte der Alte. »Ja, die auch.«
Rooper und der junge McLean wurden weiß im Gesicht.
Mac schluckte.
Da brüllte der Rancher plötzlich. »Aber das haben Sie doch alles gewußt, Earp!«
Wyatt blickte ihn kühl an.
»Yeah, Rancher – ich habe gewußt, daß Indianer in den Bergen sind. Und sie haben es auch gewußt.«
»Ich habe nicht gewußt, daß sie unseren Weg kreuzen!«
»Das konnte niemand wissen.«
Hal Mclean zog unwillkürlich den Kopf tiefer zwischen die Schultern und blickte zu den Bergen hinauf.
»Und was soll jetzt geschehen?« brummte Rooper.
»Wir ziehen weiter.«
Die Rauchfeuer folgten ihnen.
Bis zum Abend.
Da erloschen sie mit der sinkenden Sonne.
Wyatt sorgte dafür, daß er die Wache nach Mitternacht bekam.
Hal McLean weckte ihn. Seine Stimme zitterte, als er auf die dräuenden Gipfelsilhouetten der Bergriesen wies.
»Da oben stecken Sie, die Halunken. Ich habe sie gesehen, Earp. Ich habe sie genau gesehen.«
Wyatt blickte den Cowboy an. »Legen sie sich hin, Hal.«
Er dachte nicht daran, nach zwei Stunden Mac Ferguson zu wecken. Er wachte bis zum Morgen durch.
Gegen fünf Uhr erwachte der Vormann. Dann sprang er hoch.
»Männer! Auf!« brüllte er.
Taumelnd und schlaftrunken fuhren Rooper, McLean und Ferguson hoch.
»Wo ist Wyatt?« rief Ferguson.
Da kam der Missourier um eine Felsecke gebogen. In seiner Linken hatte er das Gewehr und in der Rechten eine große weiße Feder, deren Spitze blutrot war.
Die vier Männer blickten ihm benommen entgegen.
»Was ist das?« stotterte der Rancher.
»Eine Feder von einem Cheyennepfeil«, versetzte Wyatt ruhig.
»Von einem Pfeil?« stieß McLean hervor. »Haben Sie ihn gefunden.«
»Leider nicht.«
»Er wurde also auf Sie abgeschossen?«
»Yeah.«
Von dieser Stunde an wußten die Männer, daß der unheimliche Feind nicht mehr weit oben hinter den Kämmen der großen Bergrücken lauerte, sondern daß er dicht bei ihnen war, daß sie von ihm aus nächster Nähe verfolgt und ständig beobachtet wurden.
Die große Herde erlaubte es den fünf Reitern nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Sie mußten bei den Rindern bleiben. Hier in den felsigen Hochebenen verlief sich viel schneller ein Rudel und verschwand in irgendeiner Schlucht als unten in der offenen Ebene. Die Treibarbeit verdoppelte sich also noch.
Aber der große Staub hörte allmählich auf. Auch die Hitze ließ nach. Dafür umfing sie die Kühle der Berge. Das Geräusch der zwölftausend stampfenden Rinderhufe brach sich an den Steilwänden der Schluchten und verdichtete sich zeitweise zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen.
Als Wyatt am späten Nachmittag auf eine ziemlich enge Schlucht zuhielt, kam Rooper nach vorn.
»Was haben Sie vor, Earp?«
»Das sehen Sie doch.«
»Sie wollen auf diese Schlucht zu?«
»Ja.«
»Was soll das? Der Eingang ist kaum zwanzig Yards breit. Wir haben keine Bewegungsmöglichkeit. Die Roten können uns von oben wegputzen wie die Fliegen…«
»Sicher. Aber wir müssen weiter.«
»Nein. Es ist meine Herde!« In den Augen des Ranchers stand heller Zorn. Und aus seiner Stimme sprach die Angst.
Ferguson und der Vormann kamen auch heran.
»Wir nehmen einen anderen Kurs«, sagte der Rancher rauh.
Die beiden Cowboys blickten den Missourier an.
»Nein«, versetzte Wyatt. »Wir müssen durch die Schlucht.«
»Ich habe schon gesagt: Es ist meine Herde!« entschied der Rancher. »Und wer gegen mich ist, kann ja umkehren.«
Wyatt schüttelte langsam den Kopf.
»Ich bin nicht gegen Sie, Mister Rooper. Aber ich bestehe darauf, daß wir durch diese Schlucht trailen. Die Indianer können uns überall angreifen. Und drüben in der Schlucht können wir uns an die überhängende linke Wand halten. Da sind wir von oben überhaupt nicht zu treffen. Aber wir können unmöglich wegen der Indianer einen so gewaltigen Umweg machen, wie sie es vorhaben.«
Rooper blickte seinen Vormann an.
»Was meinen Sie, Rake?«
Der Alte kratzte sich das Kinn.
»Wyatt hat recht.«
Der Rancher nickte düster.
»Yeah – es geht also weiter.«
In vier Stunden hatte die Herde die Schlucht passiert.
Es war alles glattgegangen.
Wyatt spürte, daß ihm das Hemd am Leibe klebte. Er wußte, daß es den anderen nicht besserging.
Sie hatten diese Enge überwunden, aber noch stand ihnen das Ärgste bevor.
Hinter der Schlucht weiteten sich die Felsen zu einem breiten Kessel, der von einer grünen Büffelgrassohle bedeckt war.
Wyatt ließ das Lager aufschlagen.
Nach dem Essen losten sie die Waffen aus.
Wyatts Wache sollte um drei Uhr beginnen.
Als er die Augen aufschlug, standen die Sterne flimmernd am tiefschwarzen Firmament. Die Silhouetten der Bergrücken schnitten das leuchtende