Als unserm schwellnden Groll genugzutun,
Nicht einen Tropfen Troerblut mehr wollt ich
Für sie vergeudet sehn. Doch, tapfrer Hektor,
Sie ist ein Gegenstand für Ehr und Ruhm,
Ein Sporn zu tapfrer, hochbeherzter Tat,
Gibt jetzt uns Mut, die Feinde zu vernichten,
Und für die Zukunft Preis, der uns verklärt.
Denn, weiß ich doch, Held Hektor gäbe nicht
So reichen Vorteil der verheißnen Glorie,
Wie sie auf dieses Kampfes Stirn uns lächelt,
Für alles Gold der Welt.
HEKTOR
Wohl hast du recht,
Du tapfrer Sproß des großen Priamus.
Ich sandte schon aufreizend Fehdewort
Den trägen und entzweiten Griechenfürsten,
Das ihre Schlummergeister wecken wird.
Wie ich vernommen, schläft ihr bester Held;
Neid und Parteiung schleichen durch das Feld:
Dies, hoff ich, regt ihn auf.
Sie gehn ab.
DRITTE SZENE
Das griechische Lager . Vor dem Zelt des Achilles
Thersites tritt auf , allein.
THERSITES
Wie nun, Thersites? Ganz verloren im Labyrinth deines Grimms? Solls der Elefant Ajax so davontragen? Er schlägt mich, und ich schimpfe auf ihn: o schöne Genugtuung! Ich wollte, es stände umgekehrt, und ich könnte ihn schlagen, während er auf mich schimpft! – Blitz, ich will Teutel bannen und beschwören lernen, damit ich doch irgendeine Frucht meiner zornigen Verwünschungen sehe. – Dann, dieser Achilles! Der ist mir ein trefflicher Ingenieur! Wenn Troja nicht eher genommen wird, bis diese beiden es untergraben, so mögen die Mauern stehn, bis sie von selbst einfallen. O du großer Donnerschleudrer vom Olymp, vergiß, daß du Jupiter, der Götterkönig, bist; und du, Merkur, verlier alle Schlangenkunst deines Stabes, wenn ihr ihnen nicht das kleine, kleine, weniger als kleine Körnchen Verstand nehmt, das sie haben, von dem die kurzarmige Dummheit selbst einsieht, es sei so übermäßig winzig, daß es nicht so viel Umsicht haben wird, eine Fliege vor einer Spinne zu retten, ohne das plumpe Schlachtschwert zu ziehn und das Gewebe zu durchhauen. Hiernächst wünsch ich dem ganzen Lager die Pestilenz oder besser das napolitanische Knochenweh; denn der Fluch, dünkt mich, sollte denen folgen, welche um einen Unterrock Krieg führen. Das ist mein Gebet, und der Teufel Bosheit spreche das Amen. Heda! Holla! Fürst Achilles!
Patroklus tritt auf.
PATROKLUS
Wer da, Thersites? Lieber Thersites, komm herein und schimpfe!
THERSITES
Hätt ich nur an eine falsche Goldmünze gedacht, du wärst meiner frommen Betrachtung nicht entschlüpft; aber es macht nichts. Dich selbst wünsche ich dir an den Hals! Der allgemeine Fluch der Menschen, Torheit und Unwissenheit, sei dein in reichlicher Fülle! Der Himmel behüte dich vor einem Hofmeister, und gute Zucht komme dir nicht nah! Dein Blut regiere dich bis an deinen Tod! Wenn dich dann die Leichenfrau eine schöne Leiche nennt, so schwöre ich meinen besten Eid, sie hat nie andre als Aussätzige eingekleidet. Amen! – Wo ist Achilles?
PATROKLUS
Was? Gehörst du zu den Frommen? Sprachst du ein Gebet?
THERSITES
Ja; der Himmel erhöre mich!
PATROKLUS
Amen.
Achilles tritt auf.
ACHILLES
Wer ist da?
PATROKLUS
Thersites, Herr.
ACHILLES
Wo, wo? Bist du da? Ei, mein Käse, mein Verdauungspulver, warum hast du dich seit so mancher Mahlzeit nicht bei mir aufgetischt? Sag an, was ist Agamemnon?
THERSITES
Dein Oberherr, Achilles. Nun sage mir, Patroklus, was ist Achilles?
PATROKLUS
Dein Gebieter, Thersites. Nun sage mir, was bist du selbst?
THERSITES
Dein Kenner, Patroklus. Nun sage mir, Patroklus, was bist du?
PATROKLUS
Das mußt du, der mich kennt, am besten wissen.
ACHILLES
O sag doch, sag doch!
THERSITES
Ich will die ganze Frage noch einmal durchgehn. – Agamemnon befiehlt dem Achilles, Achilles ist mein Gebieter, ich bin Patroklus' Kenner, und Patroklus ist ein Narr!
PATROKLUS
Du Schuft!
THERSITES
Still, Narr, ich bin noch nicht fertig.
ACHILLES
Er hat das Privilegium. Nur weiter, Thersites!
THERSITES
Agamemnon ist ein Narr, Achilles ist ein Narr, Thesites ist ein Narr und, wie schon gesagt, Patroklus ist ein Narr,
ACHILLES
Beweise das. Nun?
THERSITES
Agamemnon ist ein Narr, weil er dem Achilles befehlen will; Achilles ist ein Narr, weil er sich vom Agamemnon befehlen läßt; Thersites ist ein Narr, weil er einem solchen Narren dient, und Patroklus ist ein Narr schlechthin.
PATROKLUS
Warum bin ich ein Narr?
THERSITES
Die Frage tue deinem Schöpfer, mir ists genug, daß du's bist. Seht, wer hier kommt?
[Es treten auf Agamemnon, Ulysses, Nestor, Ajax und Diomedes. ]
ACHILLES
Patroklus, ich will mit niemand reden. Komm mit mir herein, Thersites!
Geht ab.
THERSITES
O all die Lumpigkeit, all die Gaukelei, all die Nichtswürdigkeit! Die ganze Geschichte dreht sich um einen Hahnrei und eine Hure; ein hübscher Gegenstand, um Parteiung und Ehrgeiz aufzuhetzen und sich daran zu Tode zu bluten! Daß doch der Aussatz das Gesindel fräße und Krieg und Liederlichkeit alle zusammen verdürbe!
Geht ab. Es treten auf Agamemnon, Ulysses, Nestor, Diomedes, Ajax und Kalchas.
AGAMEMNON
Wo ist Achilles?
PATROKLUS
In seinem Zelt; doch nicht wohlauf, mein Fürst.
AGAMEMNON
Tut ihm zu wissen, ich sei selber hier.
Er höhnte Unsre Boten, und Wir tun
Verzicht auf Unsre Würde, ihn besuchend.
Dies zeigt ihm an; daß er nicht etwa glaube,
Wir sein im Zweifel über Unseren Rang,
Uns selbst verkennend.
PATROKLUS
Also sag ichs ihm.
Geht ab.
ULYSSES