»Was ist, Herr Ingenieur?« fragte Christiane, »kann ich mit Ihnen rechnen?«
Robert Schwartz deutete eine Verbeugung an und nickte.
»Selbstverständlich dürfen Sie mit mir rechnen, Hoheit.«
»Können S’ das nicht weglassen?«
»Was?«
»Die Anrede Hoheit.«
Robert schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß das passend wäre.«
»Aha, dann eben nicht.« Christiane stand auf und ging zur Tür.
Robert folgte ihr, einen kurzen Moment sahen sie sich aus kurzer Entfernung in die Augen.
»Sie bekommen eine schriftliche Einladung, Herr Ingenieur«, sagte die Prinzessin, »und üben S’ bis dahin noch ein bisserl Tanzen. Es kann nämlich sein, daß ich Sie mal auffordere, und dann wollen S’ sich doch nicht blamieren, oder?«
*
»Also, Sonnabend in vierzehn Tagen wird der Empfang stattfinden«, sagte Fürstin Johanna ein paar Tage später zu Hans, als der nachmittags bei ihr im Salon auftauchte. »Wen möchtest du eigentlich einladen? Ich frage, weil ich die Einladungen verschicken lassen will.«
»Das steht noch nicht fest«, antwortete Hans ausweichend.
»Was heißt das?« Die Fürstin sah ihren ältesten Enkel fragend an.
»Das heißt, daß ich die Dame noch nicht gefragt habe, ob sie der Einladung auch Folge leisten würde.«
»Wie bitte?« Fürstin Johanna starrte ihren Enkel an, als sei der nicht ganz bei Trost. »Willst du etwa andeuten, daß irgendwer die Einladung des designierten Fürsten Adelsbach nicht annehmen könnte?«
»Wieso sollte das nicht einmal passieren?«
»Es ist bisher noch nie passiert, mein Junge.«
»Na ja, es ist ja auch nicht gesagt, daß… daß sie absagen würde«, erwiderte Hans. »Außerdem fürchte ich weniger ihre Absage als das, was du dazu sagen würdest, wenn ich sie einlade.«
Wie in Zeitlupe drehte Fürstin Johanna den Kopf so, daß sie Hans geradewegs ansehen konnte.
»Was heißt denn das schon wieder?« fragte sie. »Willst du sagen, daß ich was gegen die Frau hätte, die du einladen willst?«
»Das weiß ich eben nicht«, antwortete Hans.
»Wen willst du denn einladen?« fragte daraufhin seine Großmutter. »Wenn du befürchtest, ich könne was dagegen haben, dann muß ich sie ja kennen.«
»Sicher kennst du sie, besser als ich.«
»Dann red nicht um den heißen Brei herum. Wer ist das Madel?«
Hans lächelte. »Du ahnst es also schon?«
»Was ahne ich?«
»Weil du Madel gesagt hast, sie ist nämlich eher noch ein Madel. Jedenfalls eher ein Madel als eine Frau.«
»Herrschaftszeiten, Bub«, sagte daraufhin Fürstin Johanna. »Wen um Himmels willen willst du mir da präsentieren? Jutta von Illen ist es sicher nicht. Die ist nämlich meilenweit davon entfernt, noch ein Madel zu sein.«
»Nein«, Prinz Hans schüttelte lachend den Kopf, »Jutta von Illen ist es nicht.«
»Wer ist es dann?«
»Marianne Burgner…!«
Daraufhin war es eine ganze Weile mucksmäuschenstill im Salon der Fürstin. Bis Hans sich räusperte und wissen wollte, warum seine Großmutter nichts sage.
»Nach der Vorrede hätte ich zwar mit einigem gerechnet«, antwortete die, »aber damit nicht. Du willst allen Ernstes die Nanni einladen?«
Hans nickte. »Ja, ich bin fest entschlossen.«
»Warum, um alles in der Welt, willst du denn Nanni Burgner einladen?«
»Tja«, Hans zuckte mit den Schultern, »warum will ich dieses Mädchen einladen? Daß sie noch ein Mädchen ist, darin sind wir beide uns doch einig, oder?«
Die Fürstin nickte. »Ja, da sind wir einig. Aber beantworte bitte meine Frage. Was bewegt dich, Nanni einzuladen?«
»Sie hat mir einen so schönen Strauß Wiesenblumen…!«
»Hans, bitte«, murmelte die Fürstin, »es ist beileibe keine Sache, über die wir scherzen sollten. Es ist immer eine wenig dankbare Sache, wenn man mit Bediensteten auch privat verkehrt. Das bringt nur ganz selten den gewünschten Erfolg.«
»Ich scherze nicht, Großmutter«, erwiderte Hans.
»Was soll dann die Idee, die Nanni einladen zu wollen?«
Fürstin Johanna sah ärgerlich drein.
»Gefällt sie dir etwa? Erwägst du ernsthaft, sie zur Frau zu nehmen?«
»Aber, Großmutter…!« Hans schüttelte den Kopf. »Was ist denn schlimm daran, wenn ich Marianne einlade? Deswegen muß ich sie doch nicht gleich zur Frau zu nehmen. Sie ist ein sehr nettes und sympathisches Mädchen ohne Allüren.«
»Die du ihr möglicherweise in den Kopf setzt.«
»Glaubst du das wirklich?« Hans sah seine Großmutter fragend an.
Die nickte sofort, um gleich darauf abzuwägen. »Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Aber wenn ein Prinz Adelsbach ein Mädchen zu einem Empfang einlädt, dann wird dieses Mädchen andere Vorstellungen entwickeln, als wenn sie mit irgendeinem Burschen zu einer Kirchweih geht.«
»Du meinst«, erwiderte Hans, »Marianne würde nicht darauf schauen, ob sie jemand liebt, sondern sie würde ihre Gunst danach verschenken, wer wer ist? Meinst du das?«
Fürstin Johanna atmete tief durch, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, das meine ich natürlich auch nicht. Ich glaube nicht, daß die Nanni derartig denken würde. Ich glaube, sie wird eher nach ihrem Gefühl gehen.«
»Dann werde ich sie einladen«, erwiderte Hans.
»Du erhoffst dir was, oder?« fragte seine Großmutter.
Prinz Hans nickte. »Ja, ich erhoffe mir was.«
»Und was?«
»Einen gelungenen Empfang.«
*
An jenem Abend, als der Empfang stattfand, strahlte Schloß Adelsbach im Schein vieler Lichter. Weithin konnte man sehen, daß auf Schloß Adelsbach wieder mal ein Empfang war. Früher, zu des alten Fürsten Zeiten, hatte es in jeder Saison mehrere Empfänge und Bälle gegeben, denn Fürst Franz war ein sehr lebenslustiger Mensch gewesen.
Als er jedoch verstarb und später dann auch noch sein Sohn und seine Schwiegertochter bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, wurde es stiller auf Adelsbach, Feste wurden nicht mehr gefeiert. Fürstin Johanna war der Ansicht, nach den Schicksalsschlägen gäbe es keinen Anlaß mehr.
Geladen waren an jenem Abend etwa hundert Gäste. Prinz Hans hatte seine Einladung Marianne selbst überbracht. Er war in die Gärtnerei gegangen, hatte Nanni gesucht und sie weiter hinten bei einem großen Blumenbeet gefunden. Sie sah auch jetzt wunderschön aus, und Hans wunderte sich, warum sie nicht längst einen Freund hatte. Seine Großmutter hatte ihm nämlich verraten, daß Nanni noch solo sei.
»Hallo, schöne Gärtnerin«, hatte er sie begrüßt.
Nanni war herumgefahren und hätte, als sie Hans sah, vor Schreck fast den kleinen Handrechen fallen lassen. Sie war puterrot geworden und hatte gesagt: »Jetzt haben S’ mich aber erschreckt, Hoheit.«
»Das tut mir leid.«