Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863778156
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      Inhalt

       Die Dillingers kommen

       Der Würger von Stickney

       Der Säurespritzer

       Der König der Unterwelt

       Dr. Keesby mischt Gift

       Party des Todes

       Erdrosselt!

       Glut im Blut

Al Capone – Staffel 2 –
Die Dillingers kommen

      Es geschah auf der Straße von St. Louis nach Chicago. Der D-Zug donnerte durch die Aprilnacht dem Lade Michigan zu. Eben hatte er den Bahnhof von Pontiac passiert und ratterte nordostwärts der Millionenstadt entgegen, von der ihn noch etwa fünfundachtzig Meilen trennten.

      Suzan Tunney saß in einem Abteil der ersten Klasse, hatte den Kopf gegen das Fenster gelehnt und blickte in die dunkle Nacht hinaus. Der Regen zog sich in langen Fäden quer über die Scheibe, und der Wind strich pfeifend an der Außenhaut der Waggons vorbei und mischte sich in die Melodie der Räder.

      Suzan warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und rechnete aus, wie lange der Zug noch brauchte. Etwas entmutigt lehnte sie sich gegen ihren Mantel an die Polster und schloß die Augen. Sie war in St. Louis gewesen, wo sie ihre Tante Mae besucht hatte. Tante Mae war eine Schwester ihrer Mutter und lebte seit einem halben Menschenalter allein in St. Louis, wohin sie ihrem Mann damals gefolgt war. Onkel Ted war vor fünfzehn Jahren gestorben, und die alt gewordene Frau fühlte sich jetzt sehr einsam drüben am Rand des Westens. Suzan hatte ihr schon so oft versprochen, sie einmal zu besuchen, und jetzt hatte sie sich ein paar Tage Zeit dazu genommen. Es war keine sonderlich erquickende Zeit gewesen; Tante Mae war wirklich alt und unduldsam geworden und außerdem auch noch schwerhörig. Suzan war froh, als sie sich wieder in den Zug setzen konnte.

      Ihre Gedanken eilten der Lokomotive voraus dem fernen Chicago entgegen. Sie dachte an ihr Leben dort, an ihr schönes Haus draußen in Addison und an alles, was dazu gehörte. Nicht ganz siebenundzwanzig Jahre war sie alt an diesem Tag, an dem es geschah.

      Einen Wagen dahinter saß in einem überfüllten Abteil ein schwarzhaariger junger Mann am Fenster und blickte aus kühlen pulvergrauen Augen in die gleiche Nacht hinaus. Er hatte ein hageres Gesicht, eine leicht gebogene scharfe Nase, dünne Lippen und ein kräftig ausgeprägtes Kinn. Sein Anzug wirkte kleinstädtisch, und seine unmoderne Frisur paßte dazu. Hinter ihm hing ein grauer, großkarierter Mantel, so wie man ihn eben in den Vorstädten von St. Louis trug. Der dreiundzwanzigjährige Richard Dillinger stammte aus Frontenac, einer Kleinstadt nahe dem Ostrand von St. Louis im Staate Missouri. Ebenso wenig wie die junge Frau, die im Wagen vor ihm saß, ahnte er, daß diese Fahrt entscheidend für sein Leben werden würde.

      Der junge Richard Dillinger war der Sohn eines Schlossers, der in St. Louis eine eigene Werkstatt gehabt hatte. Aber der Vater war früh gestorben und hatte nichts als Schulden hinterlassen. Ric wuchs in Verhältnissen auf, die seinem Lebensbild die Form gaben. Er lernte ebenfalls das Schlosserhandwerk, hielt es aber nirgends lange aus, und vor drei Tagen hatte er bei seinem letzten Master gekündigt. Seiner verzweifelten Mutter hatte er kurz vor seiner Abfahrt erklärt, daß er nach Chicago fahren würde, wo er seinen Vetter Frank angerufen hätte. Frank hätte ihn aufgefordert, nach Chicago zu kommen; er hätte da einen besseren Job für ihn. Das war alles Lüge. Die Verbindung zu dem Vetter Frank bestand nur noch aus einer Karte, die jährlich zu Weihnachten an Richards Mutter kam. Das war alles. Gesehen hatten sich die beiden nur zweimal – und zwar beim Tod seines Vaters und an dem Frank Dillingers Eltern in Chicago nach einem tödlichen Verkehrsunfall beerdigt wurden.

      Er hätte selbst nicht sagen können, wie er auf den Gedanken gekommen war, so plötzlich Hals über Kopf nach Chicago zu fahren. Das Fahrgeld hatte er von der Mutter gefordert; sonst hatte er gar nichts mitgenommen. Nicht einmal eine Zahnbürste oder ein Unterhemd.

      Ein Mann ohne Hoffnung? Wer hätte das sagen können? Wer hätte ahnen können, daß mit dieser Fahrt des blutjungen Richard Dillinger der erste Schritt auf dem Weg zu der Gründung einer Bande getan wurde, die in Amerika ihresgleichen suchten sollte – wenn man einmal von der Gang Al Capones absehen will.

      Wenn später behauptet wurde, Ric Dillinger hätte dies alles vorgeplant und sei nur deshalb nach Chicago gekommen, so ist das doch nichts als eine lose Vermutung.

      Die Luft in Rics Abteil war fast nicht mehr zu atmen. Ihm gegenüber saß ein alter, bäurisch gekleideter Mann, der an einem fürchterlich rußenden Zigarrenstummel saugte. Dabei schlief er immer wieder ein, und die Asche fiel auf seine grüne Hose. Neben ihm saß eine spindeldürre Frau mit spitzem, faltigem Gesicht, die eine Zigarette nach der anderen rauchte, sich jedoch über die gewaltigen Rußwolken des neben ihr sitzenden Alten mokierte. Rechts neben ihr saß ein schmalgesichtiger Jüngling, der in der Luft, die ihn umwehte, offensichtlich zu ersticken drohte; sein Gesicht hatte eine fahlgelbe Färbung angenommen. Der vierte Passagier, Ric gegenüber, war ein Mann in den Vierzigern, der eine Pfeife rauchte. Er machte einen ordentlichen Eindruck und schien ein Vertreter oder etwas Ähnliches zu sein.

      Neben Ric saß ein Mann, der die Figur eines Boxers hatte; er rauchte zwar nicht, dafür aber kaute er kiloweise Äpfel. Neben ihm saß eine kleine, in sich zusammengesunkene Frau, ganz in Schwarz, die trotz ihrer Leidensmiene einen Zigarillo zwischen den Fingern hielt, an dem sie hin und wieder mit spitzen Lippen zog. Auf dem letzten Platz zum Gang hin saß ein rundlicher Mann in den Fünfzigern mit Stoppelschnitt und feisten Hängewangen. Er rauchte zwar nicht, dafür aber breitete er alle zehn Minuten geräuschvoll seinen Reiseproviant vor sich aus, der in die St. Louis Post eingewickelt war. Darin hatte er in hartem Pergamentpapier sicherlich ein Dutzend Eier und eine Unzahl dickbelegter Brote. Nicht daß er immer nur eines herausgezogen hätte, um es zu verzehren, nein, er packte sie immer einzeln der Reihe nach aus, um sie anzusehen und dann sorgfältig zu wählen. Zweifellos hatte er da Hausgemachtes mit dabei, denn ein impertinenter Geruch von Knoblauch übertraf selbst den starken Tabaksqualm und drang Ric Dillinger unangenehm in die Nase.

      Ric legte die linke Hand schützend gegen das Licht ans Gesicht und brachte seinen Kopf dicht an die Scheibe. Draußen tauchten in der Dunkelheit winzige Lichter auf, die sich verstärkten, und dann wurde ein Stationsgebäude sichtbar. Aus der Dunkelheit tanzte das Schild mit der Aufschrift Pontiac plötzlich in sein Gesichtsfeld und tauchte wieder in der Dunkelheit unter. Er erhob sich, quetschte sich durch die diversen Beinpaare zur Tür, zog sie auf und blieb einen Moment aufatmend auf dem Gang stehen. Dann trat er an eines der Fenster und wollte es öffnen. Es schien verklemmt zu sein. Mißmutig ging er weiter den Gang hinunter an den Toiletten vorbei und blieb schließlich vor dem Übergang zum nächsten Wagen stehen.

      Es war ihm keineswegs so wohl zumute, wie er seine Mutter glauben gemacht hatte. Nicht einmal Biggy hatte er etwas von seiner Abfahrt gesagt. Gestern abend, als er mit ihr an der alten Tankstelle ihres Vaters an der Landstraße nach Westen gestanden hatte, war er einen Augenblick versucht gewesen, es ihr zu sgen. Aber dann hatte er es doch für sich behalten. Allzuviel lag ihm ohnehin nicht an dem blassen, sommersprossigen Mädchen, wenn es sich auch viel Mühe gegeben hatte, ihn an sich zu fesseln. Trübe Vorstellung, in diesem armseligen Vorstadtnest der Schwiegersohn eines selbst darbenden Tankstellenpächters zu werden!

      Sein Blick haftete auf dem Durchgang zum nächsten Wagen. Das dunkle Samtgrün, das von lasiertem Naturholz eingerahmt wurde, fesselte seinen Blick. Er griff nach der Tür zum Durchgang und betrat den nächsten Wagen.