Der Kollektivismus und die soziale Monarchie. Josef von Neupauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josef von Neupauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112875
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      Hierher gehören nur die Kreisstädte, etwa hundert für einen Staat wie Österreich, die Provinzialstädte, etwa 10-15 für einen solchen Staat, und die Reichshauptstadt. Doch sollen, die Reisenden eingeschlossen, die Kreisstädte nur je 4000 Personen, die Provinzstädte je 15-20,000 Personen, die Reichshauptstadt nur 400,000 Personen beherbergen können. Die stabile Bevölkerung werden nur die höheren Behörden und Unterrichtsanstalten mit einem kleinen Stabe von Handwerkern und hauswirtschaftlichen Arbeitern (Köchinnen, Wäscherinnen, Stubenmädchen u. dergl.) bilden und in der Reichshauptstadt außer der kaiserlichen Familie und dem hohen Adel, wenn ein solcher fortbesteht, die Beamten der Zentralbehörden, die Akademiker, Universitätsprofessoren und Hochschüler bleibend wohnen.

       Die städtischen Ansiedlungen sollen in Quartiere zerlegt werden, deren jedes tausend Personen beherbergen und verpflegen kann. Ein solches Quartier untersteht der Leitung eines Verwaltungsbeamten untersten Ranges und verfügt über dasselbe ärztliche Personal, wie eine Urgemeinde. Ob aber auch das Erziehungs- und Unterrichtspersonal für ein Quartier aufgestellt wird, wie für eine Urgemeinde, hängt von Umständen ab. Es mag eines der Quartiere einer Kreisstadt eine Volksschule haben für die Kinder der wenigen dauernd angesiedelten Familien. Aber Quartiere, welche nur Studenten oder Reisende aufnehmen, brauchen keine Volksschule. Ähnliche Verhältnisse werden für die Provinzialstädte und die Reichshauptstadt gelten. Eine ganze Reihe von Quartieren solcher Städte brauchen keine Volksschulen und kein Volkserziehungspersonal.

      Die Urgemeinden eines Bezirkes würden mit dem Bezirksvororte und dieser mit der Kreisstadt durch Telephone verbunden, welche von den Amtslokalitäten direkt zu den Amtslokalitäten gingen; weiterhin würde eine telephonische und eine telegraphische Verbindung von den Kreisstädten zu den Provinzstädten und von hier zur Reichshauptstadt führen.

      Diese Verteilung der Ansiedlungen und ihre hier vorgeschlagene Einrichtung muß man sich vor Augen halten, um die sonstigen organischen Einrichtungen, wie sie im nachfolgenden entworfen sind, zu verstehen, wobei kein einziger Vorschlag als etwas Unabänderliches oder das Beste gedacht ist, aber die Orientierung bieten soll, welche Vorteile die Zentralisation von Produktion und Verteilung und die Naturalwirtschaft der individualistischen Gesellschaftsordnung gegenüber für Ökonomie, Kultur und die höchsten Gesellschaftszwecke haben würde.

      Während im Kollektivismus das allgemeine Interesse immer den Vorrang hat und der Individualismus nur geduldet wird, wo er sich als nützlich erweist, also nicht in wirtschaftlichen Dingen, ist in unserer Gesellschaftsordnung der Staat von den Individuen abhängig, welche sich im Besitze der politischen Macht befinden. In unserer Gesellschaftsordnung ist der Staat nur geduldet und er wird von den herrschenden Parteien für ihre Zwecke ausgebeutet. Der Kollektivismus macht dem ein Ende.

       Je genauer und ausschließlicher die gesamten Wohnungseinrichtungen den hier geschilderten kollektivistischen Charakter an sich tragen werden, um so schwieriger werden sie es machen, wieder zum Individualismus zurückzukehren, daher revolutionäre Angriffe, weil gegenstandslos, nicht mehr zu fürchten sind.

       Inhaltsverzeichnis

      Nach den in VI, 1, a, entwickelten Grundsätzen wären die Urgemeinden für je 1000 Bewohner einzurichten und die eigentlich städtische Bevölkerung in den Kreisstädten, Provinzialstädten und der Reichshauptstadt würde selbst in einem großen Reiche weniger als eine Million betragen. Ein großer Teil der städtischen Quartiere würde zur Beherbergung von Reisenden dienen. Wenn in unserer Zeit es zahlreiche Städte mit einer Bevölkerung von mehr als 100,000 Bewohnern gibt und die Reichshauptstädte Millionen von Bewohnern zählen, so ist das eine offenbare Krankheit, welche im innigsten Zusammenhange mit der Gesellschaftsordnung steht.

      Die sanitären Übelstände der Riesenstädte sind schon oft erörtert worden, aber hier werden die sozialen und volkswirtschaftlichen Vorteile einer anderen Verteilung der Bevölkerung zur Sprache kommen.

      Im allgemeinen hätte jeder Volksgenosse das Recht, im Lande zu wohnen, ohne eigentlich ein Heimatsrecht in einer bestimmten Gemeinde zu haben. Als Grundsatz hätte zwar zu gelten, daß jeder in der Gemeinde dauernd bleibe, wo er geboren wurde, aber davon würde eine Reihe von Ausnahmen gemacht werden. Zunächst würde sich ein solches Recht, im Geburtsorte dauernd zu wohnen, nicht auf die städtischen Quartiere erstrecken, in welche nur ausgewählte Personen zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder Einzelne ohne Beruf zur Belohnung ihrer persönlichen Verdienste aufgenommen würden, wodurch aber ihre Ehegenossen und Kinder kein eigenes Recht erlangen würden, vielmehr einer Urgemeinde zugeschrieben blieben. Bis zu einem gewissen Alter würden die Kinder von ihrer Heimatszugehörigkeit abgesehen, den Eltern in ihren Wohnsitz zu folgen haben und ebenso in der Regel die Frau dem Manne. Letztere Regel könnte eine Ausnahme erleiden, wenn die Frau eine hervorragende Stellung einnehmen würde, wodurch sie an einen bestimmten Ort gebunden ist, während der Mann eine untergeordnete Stellung einnähme, für welche das Domizil weniger entscheidend wäre. Eine Veränderung des Domizils wäre teils mit Einwilligung der Staatsverwaltung gestattet, teils mit dem Wechsel des Berufes oder einer Anstellung von selbst gegeben.

      Besonders liberal würde die Veränderung des Wohnsitzes jenen zugestanden werden, die von der geregelten Arbeit befreit sind, sei es wegen Erreichung der Altersgrenze, oder erblich, oder als Lohn für hervorragende Dienste, oder weil ihnen vom Staate die Ausübung eines Berufes gestattet wäre, der naturgemäß an einen bestimmten Wohnsitz nicht gebunden ist. Siehe VIII, 9, n.

      Da die Wohnstätten gleicher Art nicht so vollständig gleiche Annehmlichkeiten bieten,[10] daß es jemand ganz gleichgültig sein könnte, in welcher Gemeinde oder in welchem Quartier er wohnt, und da auch die Nachbarschaft von Freunden, Verwandten oder von gleichstrebigen Personen den Wunsch, da oder dort zu wohnen, bestimmen kann, wird innerhalb der Grenzen der Verwaltungsinteressen die freie Wahl des Wohnortes als Lohn bewilligt, die unerwünschte Versetzung als Strafe verhängt werden, wie es auch heute mit Offizieren und Staatsbeamten gehalten wird. Dabei wird aber auch das Mitinteresse der Familienmitglieder in Betracht kommen. Verwaltungsinteressen können in Frage kommen, welche aus der Verteilung der Betriebsstätten oder aus der Stellung eines Individuums im Amte oder an einer Betriebsstätte hergeleitet werden. Ein qualifizierter Arbeiter einer bestimmten Art von Fabriken wird immer nur in einer Fabrik gleicher Art Verwendung finden können, und vorausgesetzt, daß dort eine Stelle für ihn frei wird. Das Verwaltungsinteresse kann auch bedingen, daß jemand von einem Orte wegversetzt wird, der übervölkert ist, oder nach einem Ort versetzt wird, der neu erbaut wird, oder entvölkert ist, oder wo eine freie Stelle besetzt werden muß.

      Ob es im Interesse der Produktion gelegen sein wird, auch in Zukunft vereinzelte Wohnstätten außerhalb der geschlossenen Ortschaften, z. B. auf einer Alpe anzulegen, wird die Erfahrung lehren. Auch hier wird die Versetzung an solche einsame Gehöfte als Lohn oder als Strafe zu gelten haben. Eine Familie aber, welcher erziehungs- und schulpflichtige Kinder angehören, wird nur in geschlossenen Ortschaften wohnen können. Ein junges Ehepaar wird vielleicht recht gern die Honigwochen auf einer Alpe oder in einem einsamen Gehöfte verbringen.

      Im Interesse der gleichmäßigen Verteilung der Bevölkerung auf die Gemeinden und im Interesse einer gleichmäßigen Besetzung der Schulklassen wird es liegen, zeitweilig kleine, unmerkliche Verschiebungen der Bevölkerung vorzunehmen, wobei vor allem die Zustimmung der Beteiligten entscheidend sein wird. Da aber vielen Menschen der Veränderungstrieb angeboren ist, so wird dies ohne große Reibung möglich sein. Wenn auch die Gewöhnung an eine bestimmte Gegend und Gemeinde, an Freunde und Verwandte die meisten Bewohner einer Gemeinde fesseln wird, so wird sich bei einigen auch ein entgegengesetztes Bestreben geltend machen und dieses kann benützt werden, um eine unmerkliche Verschiebung von einer Gemeinde zur Nachbargemeinde und so fort vorzunehmen, damit die Verteilung der Bevölkerung tunlichst konstant erhalten bleibe. Dabei werden am meisten Personen in Frage kommen, die einem geeigneten Berufe angehören, landwirtschaftliche Arbeiter und