Metaphysik. Aristoteles. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Aristoteles
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9788026844860
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geben? Was ein jeglicher von den obersten Grundsätzen bedeutet, das wissen wir ja schon ohnedas. Es wenden sie wenigstens auch die anderen Zweige der Wissenschaft an, gerade so als wären sie ihnen bekannt. Gibt es aber eine Wissenschaft, die sie zu beweisen hat, so wird dazu ein zugrunde liegendes allgemeines Objekt erforderlich sein, und teils besondere Bestimmungen desselben, teils Axiome für die Ableitung der letzteren. Denn daß es von allem einen Beweis gebe, ist undenkbar. Zu einem Beweise gehört dreierlei: eine Grundlage, von der aus, ein Gegenstand, betreffs dessen, und gewisse Bestimmungen an ihm, für die er geführt wird. Es ergibt sich daraus, daß es eine einheitliche Gattung ist, auf die sich alle bewiesenen Sätze beziehen. Denn überall, wo etwas bewiesen wird, stützt man sich auf die allgemeinsten Axiome.

      Aber andrerseits: gesetzt, die Wissenschaft von der reinen Wesenheit sei eine andere als die Wissenschaft von diesen Grundsätzen: welche von beiden ist dann die ihrer Natur nach höher stehende und prinzipiellere? Das am meisten Allgemeine, das für alles Grundlegende sind die Axiome. Wenn es nun nicht die Aufgabe des Philosophen sein sollte, inbetreff dieser die Frage nach dem Wahren und dem Falschen zu behandeln, welchem anderen sonst möchte man diese Aufgabe überweisen?

      Das dritte Problem

      Überhaupt ist zu fragen, ob es für alles, was selbständige Wesenheit ist, eine einzige Wissenschaft oder eine Mehrheit von Wissenschaften gibt. Wenn es nicht bloß eine einzige Wissenschaft ist, welche Art von Wesenheiten soll man der Wissenschaft überweisen, von der wir sprechen? Daß es aber für alle Wesenheiten eine einzige Wissenschaft geben sollte, das will doch auch nicht recht einleuchten. Dann würde auch eine einzige Wissenschaft die Aufgabe haben, für alle Bestimmungen, die den Wesenheiten zufallen, den Beweis zu führen, wenn doch jede Wissenschaft von strengem Charakter auf einem bestimmten Gebiete das, was dem Gegenstande an und für sich an Bestimmungen zukommt, auf Grund der allgemeinen Grundsätze zu erforschen hat. Soweit es sich also um ein und dasselbe Gebiet handelt, hat eine und dieselbe Wissenschaft die Aufgabe, die Bestimmungen, die dem Gegenstande an und für sich zukommen, auf Grund derselben Grundsätze zu erforschen. Denn gehört das Gebiet, auf dem man sich bewegt, einer einzigen Wissenschaft an, so gilt dasselbe auch für die Grundsätze, von denen man ausgeht, ganz gleich ob die Wissenschaft von diesen Grundsätzen dieselbe wie die Wissenschaft von den Wesenheiten ist oder eine andere, und deshalb ist es auch eine einheitliche Wissenschaft, die die Bestimmungen, die dem Gegenstande zufallen, zu erforschen hat, ganz gleich ob jene Wissenschaften selbst, oder eine von ihnen diese Aufgabe hat.

      Das vierte Problem

      Ferner fragt es sich, ob die Untersuchung nur die selbständigen Wesenheiten selbst zum Gegenstande hat, oder auch die ihnen zufallenden Bestimmungen; z.B. wenn der Körper eine solche Wesenheit ist und die Linien und die Flächen auch, ob es die Aufgabe einer und derselben Wissenschaft ist, diese Gegenstände zu erkennen und zugleich die Eigenschaften jeder einzelnen Gattung von Gegenständen, um die sich die Untersuchungen der Mathematik drehen, oder ob dies die Aufgabe einer anderen Wissenschaft ist. Ist beides die Aufgabe derselben Wissenschaft, so würde diese Wissenschaft, auch wo sie von der Wesenheit handelt, eine beweisende Wissenschaft sein müssen; und doch nimmt man eher an, daß es von dem an sich seienden Wesen keinen Beweis gibt. Ist es aber die Aufgabe einer anderen Wissenschaft, was ist das dann für eine Wissenschaft, die die Eigenschaften der Wesenheit untersucht? Es möchte außerordentlich schwer sein, sie anzugeben.

      Das fünfte Problem

      Ferner aber: soll man sagen, die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände seien die einzigen Wesenheiten, oder soll man neben diesen noch andere annehmen? Und wenn das letztere der Fall ist, gibt es nur eine einzige oder gibt es mehrere Arten solcher Wesenheiten, wie sie diejenigen annehmen, die Ideen und außerdem noch ein Mittleres setzen, das sie in dem Objekt der mathematischen Wissenschaften finden? Daß man die Ideen als Ursachen und an sich seiende Wesenheiten bezeichnet, darüber haben wir gehandelt, wo zuerst auf sie die Rede gekommen ist. Wenn nun diese Annahme zu vielfachen Bedenken Anlaß gibt, so möchte der Satz keinem anderen an Wunderlichkeit nachstehen, wenn man einerseits sagt, es existierten neben den Dingen in der Welt noch gewisse andere Wesen, andererseits aber diesen die gleiche Beschaffenheit wie den sinnlich wahrnehmbaren Dingen zuschreibt, nur daß sie ewig sein sollen, während jene vergänglich sind. So spricht man von dem Menschen an sich, von dem Pferde an sich und von der Gesundheit an sich, ohne daß eine weitere Änderung im Gegenstande damit einträte; ganz ähnlich wie wenn man zwar das Dasein von Göttern behauptet, sie sich aber ganz menschenähnlich vorstellt. Denn in diesem Falle hat man nichts anderes getan, als daß man Menschen mit dem Prädikat der Ewigkeit ausstattet; in jenem Falle nichts anderes, als daß man sich Ideen denkt ganz wie sinnliche Gegenstände, aber mit dem Prädikat der Ewigkeit.

      Aber auch wenn man zu den Ideen und den sinnlichen Gegenständen ein Mittleres setzt, so bietet auch das große Bedenken. Offenbar müßte es dann ganz ebenso neben den Linien an sich und den sinnlich wahrnehmbaren Linien noch andere Linien geben, und das Gleiche wird von jeder anderen Gattung von Gegenständen gelten. Und also, da die Sternkunde mit zu diesen Wissenschaften gehört, wird es auch neben dem sinnlich wahrnehmbaren Himmel noch einen Himmel und eine Sonne, einen Mond und die übrigen Himmelskörper ganz ebenso neben den anderen geben. Und doch, wie soll man an solche Dinge ernsthaft glauben? Daß dieser Himmel unbeweglich sei, läßt sich schwer vorstellen; daß er sich aber bewege, ist ganz und gar undenkbar. Von den Gegenständen, mit denen sich die Optik und die mathematische Lehre von der Harmonie beschäftigt, gilt ganz dasselbe; auch hier ist es aus denselben Gründen undenkbar, daß es neben den sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen noch andere gebe. Denn wenn das Mittlere, wie es doch hier der Fall wäre, in sinnlichen Gegenständen und sinnlichen Wahrnehmungen bestehen soll, so müßte es auch empfindende Wesen geben, die mitteninne stehen zwischen den Ideen der lebenden Wesen und ihren vergänglichen Exemplaren.

      Ein weiteres Bedenken ist dies: Welcher Art sind die Objekte, für deren Behandlung man diese Wissenschaften annehmen soll? Wenn der Unterschied der Geometrie von der Feldmeßkunst nur darin besteht, daß die letztere es mit sinnlichen, die andere mit nicht sinnlichen Dingen zu tun hat, so muß es offenbar ebenso neben der ärztlichen Wissenschaft noch eine andere geben - eine Wissenschaft, die zwischen der ärztlichen Wissenschaft an sich und der realen in der Mitte liegt -, und ebenso ist es mit jeder anderen Wissenschaft. Und doch, wie wäre das denkbar? Dann müßte es ja ein Gesundes von irgend welcher Art neben dem Gesunden als Sinnlichem und dem Gesunden als Idee geben. Zugleich aber hat es nicht einmal damit seine Richtigkeit, daß die Feldmeßkunst es mit den sinnlichen und vergänglichen Größen zu tun hätte. Denn dann würde sie mit vergehen, wenn diese vergehen. Aber auch die Sternkunde hat es doch eigentlich nicht mit sinnlich wahrnehmbaren Größen noch mit dem sichtbaren Himmel zu tun, ebensowenig wie die sinnlich wahrnehmbaren Linien diejenigen sind, von denen der Geometer handelt. Denn in dem sinnlich Wahrnehmbaren findet sich das Gerade in strengem Sinne nicht und auch nicht das Runde, und ein Lineal berührt den Kreis nicht bloß in einem Punkte; vielmehr es ist wirklich so wie Protagoras in seiner Widerlegung der Geometer ausgeführt hat: die Bewegungen und Kurven am Himmel fallen keineswegs mit denen zusammen, die die Sternkunde in Betracht zieht, und die Natur der Punkte ist nicht auch die der Sterne.

      Manche nun behaupten zwar, es gebe ein solches Mittleres zwischen den Ideen und den sinnlichen Gegenständen; es sei aber nicht von den sinnlichen Dingen getrennt, sondern in diesen zu suchen. Es würde unmöglich sein, alle Konsequenzen, die sich aus dieser Annahme ergeben, ausführlich durchzugehen; es genügt auch, uns auf das Folgende zu beschränken. Erstens hat es keinen rechten Sinn, daß es nur mit jenem Mittleren sich so verhalten soll; offenbar könnten ebenso gut auch die Ideen den sinnlichen Dingen immanent sein; denn beides sind nur zwei Fälle eines und desselben Begriffs. Zweitens aber müßten dann zwei Körper in einem und demselben Räume sein; und jenes Mittlere könnte nicht unbewegt sein, wenn es in den sinnlichen Dingen steckte, die bewegt sind. Vor allem aber: was für einen Zweck hat es eigentlich, dergleichen zwar zu setzen, aber es als im Sinnlichen immanent zu setzen? Die widersinnigen Konsequenzen, die wir vorher aufgezeigt haben, würden sich ja auch dabei wieder einstellen. Es würde einen Himmel geben neben dem Himmel, nur daß er nicht getrennt für sich, sondern in demselben Räume existierte, und das ist