Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang. Johann Nestroy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Nestroy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862563
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ist der wunderbare Josef Bierbichler als Wilhelm Tell in der Inszenierung von Claus Peymann. Wie er völlig beiläufig in einem Ton ein bekanntes Schillerzitat an das andere reihte, erschien mir als die einzig richtige Art so einen Klassikschinken zu spielen.

      Das Spezielle beim Nestroyspielen ist ja, dass die Figuren nicht nur Sätze sagen, die psychologisch zu ihnen gehören, sondern in ihnen auch immer noch der Autor mitredet. Eine schizophrene Situation, die ein Neben-der-Rolle-Stehen erfordert. Ein Kommentieren der Rolle. Und so ist Nestroy nicht nur ein Urahn des Kabaretts, sondern auch ein Vorläufer des epischen Theaters, denn genau das hat Brecht mit dem Verfremdungseffekt gemeint.

      Mein Lieblingszitat von Nestroy ist aus dem Stück »Der Unbedeutende«:

       Ich hab’ einmal einen alten Isabellenschimmel an ein’

       Ziegelwagen g’sehn,

       seitdem bring’ ich die Zukunft gar nicht mehr

       aus ’n Sinn.

      Das lasse ich unkommentiert so stehen und wünsche Ihnen noch viel Vergnügen mit Ihrem Nestroy.

       Zum Titel des Buches

      1.

      Es is kein’ Ordnung mehr jetzt in die Stern’,

      D’ Kometen müßten sonst verboten wer’n;

      Ein Komet reist ohne Unterlaß

      Um am Firmament und hat kein’ Paß;

      Und jetzt richt’t a so a Vagabund

      Uns die Welt bei Butz und Stingel z’grund;

      Aber lass’n ma das, wie’s oben steht,

      Auch unt’ sieht man, daß’s auf’n Ruin losgeht.

      Abends traut man ins zehnte G’wölb sich nicht

      hinein

      Vor Glanz, denn sie richten s’ wie d’Feentempel

      ein;

      Der Zauberer Luxus schaut blendend hervur,

      Die böse Fee Krida sperrt nacher ’s G’wölb’ zur.

      Da wird einem halt angst und bang,

      Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang.

      2.

      Am Himmel is die Sonn’ jetzt voll Capriz,

      Mitten in die Hundstag’ gibt s’ kein Hitz’;

      Und der Mond geht auf so rot, auf Ehr’,

      Nicht anderster, als wann er b’soffen wär’.

      Die Millichstraßen, die verliert ihr’n Glanz,

      Die Milliweiber ob’n verpantschen s’ ganz;

      Aber lass’n ma das, herunt’ geht’s z’ bunt,

      Herunt’ schon sieht man’s klar, die Welt geht

      z’grund.

      Welche hätt’ so ein’ g’schecketen Wickler einst

      mög’n,

      A Harlekin is ja grad nur a Spitzbub’ dageg’n;

      Im Sommer trag’n s’Stiefel, à jour-Strümpf’ im

      Schnee,

      Und statt Haub’n hab’n s’ gar Backenbärt’ von tull

      anglais.

      Da wird einem halt angst und bang,

      Ich sag’: D’Welt steht auf kein’ Fall mehr lang.

      3.

      Der Mondschein, da mög’n s’ einmal sag’n, was ’s

      woll’n,

      Ich find’, er is auf einer Seiten g’schwoll’n,

      Die Stern’ wer’n sich verkühl’n, ich sag’s voraus,

      Sie setzen sich zu stark der Nachtluft aus.

      Der Sonn’ ihr G’sundheit is jetzt a schon weg,

      Durch’n Tubus sieht man’s klar, sie hat die Fleck’;

      Aber lass’n ma das, was oben g’schieht,

      Herunt’ schon sieht man, ’s tut’s in d’ Länge nicht.

      Sie hab’n Zeitungen jetzt, da das Pfennig-

      Magazin,

      Da is um ein’ Pfenning all’s Mögliche drin;

      Jetzt kommt g’wiß bald a Zeitschrift heraus, i

      parier’,

      Da krieg’n d’ Pränumeranten umsonst Kost und

      Quartier.

      Da wird einem halt angst und bang,

      Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang.

      Die Fixstern’, sag’n s’, sein alleweil auf ein’ Fleck’,

      ’s is erlog’n, beim Tag sein s’ alle weg;

      ’s bringt jetzt der allerbeste Astronom

      Kein’ saub’re Sonnenfinsternis mehr z’samm’.

      Die Venus kriegt auch ganz ein’ andere

      G’stalt, wer kann davor, sie wird halt a schon alt;

      Aber wenn auch ob’n schon alles kracht,

      Herunt’ is was, was mir noch Hoffnung macht.

       Alter

      Ja, ja, lang leben will halt alles, aber alt werden will kein Mensch.

      Die Träum’ verraten mir’s, daß es auf die Neig’ geht, ich mein’, die wachen Träum’, die jeder Mensch hat. Bestehen diese Träum’ in Hoffnungen, so is man jung, bestehen sie in Erinnerungen, so is man alt. Ich hoff’ nix mehr und erinnere mich an vieles, ergo: alt, uralt, Greis, Tatl!

      Ich bin ein würdiger Greis und wanke dem Grabe zu, den möcht’ ich seh’n, der mich aufhalt’t.

      Ich bin doch erst in meine besten Jahr’; denn die, die nachkommen, die sind noch schlechter.

      Wir Alten haben halt das, daß wir oft dummerweise das für das Fortleben der Liebe im ewig jungen Herzen halten, was doch nur Zuckungen sind, wie s’, galvanisiert, die toten Frösch’ noch machen.

      Die Falten der Seele sind früher gekommen als die des Gesichts.

      Mir hat einer g’sagt, der Prozess des weiblichen Altwerdens