Nachdem Zbyszko seinen Mannen, denen er sich leicht verständlich machen konnte, befanden sich doch etliche Leute aus Plock unter ihnen, die nötigen Befehle erteilt hatte, wandte er sich zu seinem Knappen und sagte: »Du hast nun genug gesehen. Kehren wir in das Zelt zurück.«
»Wahrlich, ich habe genug gesehen,« antwortete Hlawa. »Doch nichts Erfreuliches ist mir zu Gesicht gekommen, denn schon im ersten Augenblicke zeigt sich’s klar, daß diese Leute geschlagen worden sind.«
»Zweimal sogar. Vor vier Tagen nahe der Burg, vor drei Tagen aus der Flucht. Und nun will Skirwoillo zum drittenmale den Angriff wagen und sich zum drittenmale schlagen lassen.«
»Weshalb begreift er nicht, daß mit solchen Kriegsleuten nichts gegen die Deutschen auszurichten ist? Der Ritter Macko hat mir dies sofort gesagt, und ich habe mich nun auch davon überzeugt. Nein, das sind keine Mannen für den Krieg.«
»Darin täuschest Du Dich. Solch tapfere Kriegsleute wie diese hier giebt es nur wenige auf Erden. Doch sie kämpfen in festgeschlossenen Scharen, während die Deutschen in Reihen vorzugehen pflegen. Wird jedoch die Reihe der Deutschen durchbrochen, dann streckt ein Samogitier rascher einen Deutschen darnieder, als der Deutsche den Samogitier. Traun, den Deutschen ist dies nur zu wohl bekannt, wie zu einer Mauer schließen sie sich daher stets fest aneinander.«
»An die Erstürmung der Burgen ist wohl nicht zu denken,« bemerkte Hlawa.
»Es mangelt uns an den Hilfsmitteln dazu,« erwiderte Zbyszko, »Fürst Witold freilich verfügt über alles Nötige, doch bevor er eintrifft, kommt keine Burg in unsere Hände, es sei denn durch Zufall, durch Verrat.«
Unter solchem Gedankenaustausch kehrten sie in das Zelt zurück, vor dem ein großes Feuer von den Knechten unterhalten ward, und in dem der Dampf des für das Mahl zu bereitenden Fleisches emporstieg. Da es jedoch kalt und feucht in dem Zelte war, ließen sich die beiden Ritter und mit ihnen Hlawa auf Fellen an dem Feuer nieder. Nachdem sie sich mit Trank und Speise erquickt hatten, versuchten sie zu schlafen, allein der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Macko wandte sich beständig von einer Seite auf die andere, und kaum bemerkte er, daß Zbyszko, die Hände um die Knie geschlungen, aufrecht beim Feuer saß, so fragte er: »Höre mich! Weshalb gabst Du den Rat gegen Ragneta zu ziehen, da doch die Burg in gar weiter Ferne liegt, und nicht gegen Gotteswerder, gegen die in der Nähe gelegene Burg? Aus welchem Grunde thatest Du diesen Vorschlag?«
»Weil eine innere Stimme mir sagt, Danusia befinde sich in Ragneta – und zudem ist man dort weit weniger auf der Hut als hier.«
»Es gebrach an Zeit, uns eingehend zu besprechen, denn ich selbst war müde, und Du mußtest nach der Niederlage die Mannen in den Wäldern wieder sammeln. Nun aber sag’ mir offen: willst Du noch immer nach jenem Mägdlein suchen?«
»Nach welchem Mägdlein? Nach meinem Eheweibe suche ich.«
Diesen Worten folgte ein langes Schweigen, denn was sollte Macko darauf erwidern? Wäre Danusia nur in ihrer Eigenschaft als Jurands Tochter in Betracht gekommen, dann hätte sich der alte Ritter nicht gescheut, den Bruderssohn von jedem weiteren Forschen abzuhalten, durch das heilige Sakrament der Ehe jedoch war dies für Zbyszko nun zur Pflicht geworden. Niemals würde auch Macko eine solche Frage gethan haben, wenn er Zeuge des Verlöbnisses, der Trauung gewesen wäre. Da dies aber nicht der Fall war, betrachtete er Jurands Tochter immer noch als ein Mägdlein.
»Traun,« Hub Macko nach geraumer Zeit wieder an, »traun, was ich diese zwei Tage hindurch nur fragen konnte, das habe ich gefragt, Du aber antwortest stets, Du wissest nichts.«
»Ich weiß auch nur das eine, daß Gottes Zorn über mir ist.«
Jetzt richtete sich Hlawa von seinem Bärenfelle empor, setzte sich und horchte aufmerksam auf das sich nun entspinnende Gespräch.
»Da sich der Schlaf doch nicht einzustellen scheint,« ergriff Macko von neuem das Wort, »so sprich: was sahst Du, was thatest Du, was führtest Du in Marienburg aus?«
Zbyszko strich sein Haar, das seit längerer Zeit über der Stirn nicht geschnitten worden war und ihm daher fast über die Brauen reichte, langsam zurück, schaute einige Sekunden sinnend vor sich hin und ließ sich also vernehmen: »Wollte Gott, daß ich soviel von meiner Danusia zu berichten hätte, wie von Marienburg! Ihr fragt mich, was ich dort gesehen habe? Ich überzeugte mich von der unermeßlichen Macht der Kreuzritter, denen alle Könige, alle Völker verbündet sind, von einer Macht, die so groß ist, daß sie wohl kein Mensch auf Erden zu brechen vermag. Ich sah eine Burg, wie sie wohl kaum der römische Kaiser besitzt, ich sah Schätze, die jeder Beschreibung spotten, ich sah Waffen, ich sah gewappnete Mönche, Ritter und Kriegsknechte, in solch großer Schar wie ein Ameisenhaufen, ich sah so zahlreiche Reliquien, wie nur der heilige Vater in Rom sie haben kann. Hei, ich sage Euch, alles bäumte sich in mir auf bei dem Gedanken: wer kann den Angriff gegen diesen Orden wagen, wer kann sie besiegen, wer kann es auch nur mit ihnen aufnehmen, wo ist das Volk, das diese Kreuzritter niederwerfen kann?«
»Wir wollen es versuchen! Fluch ihren Müttern!« rief nun Hlawa, unfähig sich länger zurückzuhalten.
Ueber Zbyszkos Worte höchst betroffen, unterbrach der alte Ritter seinen Bruderssohn ebenfalls in der Erzählung, trotzdem er gar gern alles genau gehört hätte, und fragte: »Hast Du denn des Kampfes bei Wilna vergessen? Haben wir denn so selten Mann gegen Mann, Schulter an Schulter mit ihnen gekämpft? Ist es Dir denn aus dem Sinn gekommen, wie wenig sie gegen uns ausgerichtet haben – wie sie sich über unsere Standhaftigkeit beklagten und meinten, es genüge nicht, Pferde zu Schanden zu reiten, Lanzen zu brechen, sondern man müsse den Gegner an der Kehle packen oder das eigene Leben lassen! Auch fremde Kämpen haben sich dort mit uns gemessen – doch schimpflich mußten sie abziehen. Weshalb bist Du so kleinmütig geworden?«
»Ich bin nicht kleinmütig, nein, ich habe in Marienburg gekämpft, wo es sich stets um Tod und Leben handelt. Allein Ihr kennt die gewaltige Macht der Kreuzritter nicht.«
»Kennst Du vielleicht die ganze Stärke der Polen?« ließ sich nun Macko ärgerlich vernehmen. »Hast Du jemals unsere Banner vereinigt gesehen? Nein, niemals. Auf was beruht denn die Macht des Ordens? Auf Ungerechtigkeit, auf Verrätern, denn nicht eine Spanne des Landes, in dem sie jetzt Hausen, gehört ihnen zu eigen. Unsere Fürsten haben sie bei sich aufgenommen, wie man einen Bettler ins Haus nimmt – damit man ihn mit Gaben beschenke. Was thaten aber jene? Kaum waren sie erstarkt, so bissen sie ihren Wohlthätern gleich wütenden Hunden in die Hand. Gewaltsam rissen sie die Lande an sich, durch Hinterlist bemächtigten sie sich der Städte, darin liegt ihre Kraft! Doch selbst wenn alle Könige der Erde ihnen zu Hilfe eilten – der Tag des Gerichtes, der Tag der Rache ist nahe.«
»Ihr drängtet mich, Euch zu erzählen, was ich sah,« ergriff Zbyszko jetzt das Wort, »und nunmehr seid Ihr ärgerlich darob. Besser wäre es daher für mich, ich schwiege.«
Macko schnaubte förmlich geraume Zeit vor Zorn, nach und nach beruhigte er sich indessen wieder und fuhr fort: »Höre nun, wie ich die Sache betrachte. Es kommt doch vor, daß Du im Walde vor einem turmhohen Fichtenbaume stehst und bei Dir denkst: ›Der Baum wird in alle Ewigkeit dem Sturme trotzen‹. Erteilst Du ihm aber mit dem Rücken der Axt einen tüchtigen Schlag, dann klingt