»Wie war es aber mit Fürst Witold?«
Geraume Zeit hindurch verschloß der Fürst seine Augen gegen die in Samogitien verübten Greuel und blieb den Ordensrittern nach wie vor zugethan. Erst noch vor ganz kurzem nahm sein Ehegemahl, die Fürstin, längeren Aufenthalt in Preußen, ja sogar in Marienburg. Gleich der Königin von Polen ist sie dort empfangen worden. Und dies geschah vor ganz kurzem. Mit Geschenken ward sie überhäuft, und so viele Turniere, Feste und Schaustellungen aller Art fanden statt, daß man sie nicht aufzuzählen vermag. Allgemein herrschte der Glaube, die Freundschaft zwischen Fürst Witold und den Kreuzrittern werde ewig dauern, da trat ganz unerwartet eine Sinnesänderung bei ihm ein.«
»Nach dem, was ich von meinem gottseligen Vater und von Macko gehört habe, ändert Fürst Witold gar häufig seinen Sinn.«
»Nicht Menschen gegenüber, die auf Ehre halten, wohl aber den Kreuzrittern gegenüber, auf die man niemals bauen kann. Als sie von ihm die Auslieferung verschiedener Flüchtlinge verlangten, da erklärte er, zur Auslieferung der Mannen niederen Standes sei er zwar bereit, die Freigeborenen gebe er jedoch nicht preis, denn ein freier Mann habe das Recht, da zu leben, wo es ihm gefalle. Daraufhin entstanden ernstliche Zwistigkeiten, Briefe wurden gewechselt, Drohungen wurden laut. Kaum drang die Kunde hiervon zu den Samogitiern, so brach der Aufruhr gegen die Deutschen los. Die Besatzungen wurden niedergemetzelt, die Burgen erstürmt. Doch nicht genug daran, jetzt machen sie sogar fortwährend Einfälle in Preußen. Und Fürst Witold läßt dies nicht nur geschehen, sondern er freut sich über die Bedrängnis der Kreuzritter, er leistet den Samogitiern insgeheim Hilfe.«
»Ich verstehe,« erwiderte Jagienka. »Doch so lange die Hilfe nur im Geheimen geleistet wird, kann doch von einem Kriege keine Rede sein.«
»Der Krieg wird scheinbar mit den Samogitiern, in Wirklichkeit indessen mit Witold geführt. Allerwärts suchen die Deutschen ihre Grenzburgen zu verteidigen und nur zu gerne würden sie einen Zug nach Samogitien unternehmen. Allein damit hat es noch gute Wege, sie müssen dazu den Winter abwarten. Das Land ist durchweg so sumpfig, daß die Kreuzritter dies jetzt nicht wagen dürfen. Da wo ein Samogitier sicher dahin schreitet, versinkt ein Deutscher in dem Moraste. Deshalb ist auch der Winter ein Freund der Deutschen. Sobald daher der Frost eintritt, werden die Kreuzritter mit ihrer ganzen Streitmacht vorrücken, während Fürst Witold die Samogitier unterstützen wird, wenn er die Zustimmung des Königs von Polen erhält, welcher der Oberherr des Großfürsten sowie von ganz Litauen ist.«
»So wird es auch zu einem Kriege mit dem König von Polen kommen?«
»Dies behauptet man wenigstens sowohl bei den Deutschen wie bei uns. Aus diesem Grunde bitten auch die Kreuzritter an allen Höfen um Unterstützung und die Kapuzen brennen ihnen auf den Häuptern, wie dies bei allen Missethätern der Fall ist; denn mit der Königsmacht ist nicht zu spaßen, und ein jeder der polnischen Ritter speit sofort in die Hand, wenn die Kreuzritter auch nur genannt werden.«
Als Jagienka diese Worte vernahm, seufzte sie tief auf und meinte: »Wie viel besser haben es doch die Männer in der Welt, als wir Frauen! Du kannst nun zum Beispiel in den Krieg ziehen, wie dies Zbyszko und Macko schon gethan haben, wir aber müssen hier in Spychow bleiben.«
»Wie könnte dies auch anders sein, allergnädigste Herrin? Wohl müßt Ihr hier verweilen, allein Ihr seid in völliger Sicherheit. Auch jetzt noch ist der Name Jurands bei den Deutschen gefürchtet, und ich selbst bin in Spychow Zeuge davon gewesen, wie sie von Angst ergriffen wurden, als sie Kunde von seiner Anwesenheit in Spychow erhielten.«
»Wohl wissen wir, daß wir hier nichts zu fürchten haben, denn auch der alte Tolima schützt uns, die Sümpfe schützen uns. Doch gar schwer fällt es mir, in Ungewißheit hier ausharren zu müssen.«
»Sobald sich irgend etwas ereignen sollte, werde ich Euch Nachricht zukommen lassen. Schon vor unserem Aufenthalt in Szczytno habe ich in Erfahrung gebracht, daß zwei gar tüchtige junge Burschen von hier beabsichtigten, freiwillig in den Krieg zu ziehen. Der alte Tolima vermag sie nicht daran zu hindern, entstammen die beiden doch edeln Geschlechtern aus Lekawica. Nunmehr machen sie sich mit mir auf die Fahrt, und im Falle der Not werde ich sofort einen von ihnen abschicken, damit er Euch von allem unterrichte.«
»Gott lohne es Dir. Ich habe zwar stets gewußt, wie klug Du in jeder Bedrängnis zu handeln verstehst, bis in den Tod werde ich Dir aber dankbar bleiben für Deine treue Ergebenheit.«
»Nichts Schlimmes ist mir von Euch geschehen, nur Gutes habe ich von Euch empfangen. Der Ritter Zych machte mich als ganz jungen Burschen bei Boleslaw zum Gefangenen, und ohne Lösegeld zu fordern, schenkte er mir die Freiheit wieder. Doch Euch zu dienen, galt mir mehr als alle Freiheit! Gott gewähre mir nur noch das Glück, mein Blut für Euch vergießen zu dürfen, vielgeliebte Herrin.«
»Gott geleite Dich und sei mit Dir!« ergriff nun Jagienka das Wort, dem Böhmen die Hand entgegenstreckend.
Doch er wollte ihr größere Ehre erweisen. So sank er denn vor ihr auf die Knie und küßte ihre Füße. Dann schaute er empor, indem er, ohne sich zu erheben, also sprach: »Ich bin nur ein einfacher Knecht, allein trotzdem stamme ich aus edlem Geschlechte und diente Euch treu. Gebt mir daher ein Angedenken von Euch mit auf die Reise. Weist meine Bitte nicht ab! Gar viele werden in dem Kriege niedergemäht werden, ich aber rufe den heiligen Georg zum Zeugen auf, daß ich trotzdem in der ersten, nicht aber in der letzten Reihe kämpfen werde.«
»Was soll das für ein Angedenken sein, um das Ihr mich bittet?« fragte Jagienka erstaunt.
»Gebt mir ein Band von Euch! Selbst mit dem kleinsten Streifchen will ich zufrieden sein. Unter Eurem Zeichen zu sterben, wird mir leichter werden, wenn mir mein Ende beschieden sein sollte.«
Noch tiefer neigte er sich zu ihren Füßen, um dann die Herrin nochmals mit gefalteten Händen anzuflehen. Tiefer Kummer malte sich jetzt auf Jagienkas Antlitz, die nach kurzem Schweigen, wie von einem plötzlichen Schmerze überwältigt, erwiderte: »Ei, Du Getreuer, weshalb bittest Du mich um ein Angedenken? Nichts Gutes kann es Dir bringen. Von einer Glücklichen fordere ein Angedenken, dann wird Dir die Gabe auch Glück bringen. Doch wie ist es um mich bestellt? Nur Kummer und Sorge lasten auf mir, nur Elend wird mir die Zukunft bringen. O niemals wird Dir oder einem andern ein Zeichen von mir Glück verleihen, denn wie wäre dies möglich, da ich selbst nicht glücklich bin. Glaube mir, Hlawa, gar