Ferris, der rothaarige Riese, und Big Old Shane hatten einen sechsköpfigen Trupp zusammengestellt, mit dem sie zu dem Zweimaster übersetzen wollten. Sie schickten sich gerade an, eines der Beiboote abzufieren.
Old O’Flynn wies mit ausgestreckter Hand auf sie.
„Da hast du’s“, sagte er zu Carberry. „Habe ich’s nicht gesagt? Hölle und Teufel, das halte ich im Kopf nicht aus. Unsereins zählt hier überhaupt nicht mehr. Immer nur Siri-Tong! Siri-Tong pfeift, und diese Himmelhunde springen. Ihr blinden Ochsen, seid ihr denn verrückt geworden, daß ihr euch so ausnutzen laßt?“ Er schüttelte die Faust. „Was bildet ihr Affen euch ein? Sie läßt euch ja doch nicht an sich ’ran, dazu seid ihr viel zu häßlich, verdammt noch mal.“
Shane grinste. Ferris blieb völlig gelassen. Aber die anderen sechs ließen von dem Beiboot ab und rückten langsam auf den Alten zu – Blacky, Matt Davies, Stenmark, Smoky, Jeff Bowie und Bob Grey. Ihre Mienen waren drohend.
„Alles kannst du tun“, sagte Matt Davies. „Bloß beleidigen darfst du uns nicht.“
„Hör bloß mit dem Gemecker auf“, sagte Smoky.
„Ha!“ rief der Alte aus. „Das paßt euch nicht, wie? Es versaut euch die Festtagsstimmung. Aber mich beeindruckt ihr nicht. Ich kann bloß lachen über euch, ihr Hammelherde. Ich lache soviel, wie ich will. Ich könnte mich ausschütten vor Lachen, wenn ich mir die Gesichter vorstelle, die ihr schneidet, wenn Siri-Tong euch abblitzen läßt.“
Matt Davis stellte sich dicht vor Donegal O’Flynn hin. Er reckte den Eisenhaken, der seine rechte Armprothese zierte. Wahrscheinlich hätte er seinen berühmten Spruch aufgesagt, was er mit dem Eisenhaken alles tun konnte, wenn man ihn reizte, aber plötzlich trat Stille ein.
Der Seewolf war zwischen Carberry und den alten O’Flynn getreten. Er hatte vom Achterdeck aus vernommen, was gesprochen worden war. In seinen eisblauen Augen blitzte es, aber mehr amüsiert als ärgerlich.
„So“, sagte er. „Du bist also dagegen, daß wir Siri-Tongs Schiff reparieren, Donegal. Das finde ich aber nicht fair von dir. Immerhin ist sie jetzt unsere Verbündete. Außerdem habe ich den Befehl erteilt, daß Ferris und die anderen zu ihr hinüberpullen.“
Old O’Flynn wurde plötzlich verlegen. Er rutschte auf der Gräting herum und suchte krampfhaft nach einer passenden Antwort.
„So hab ich das nicht gemeint“, entgegnete er schließlich.
„Sondern wie?“ erkundigte sich Hasard.
„Ich sage nur, es gibt vordringlichere Aufgaben.“
„Zum Beispiel?“
„Ihr könnt einen alten Mann doch hier nicht so ’rumhängen lassen – so ganz ohne Holzbein.“
„Pfff“, machte Blacky. „Hör mal, Donegal, für eine Weile kannst du doch auch mal ohne das Ding herumlaufen. Immerhin sind die Krücken noch ganz.“
„Früher wart ihr anders“, erwiderte der Alte giftig. „Früher, als ihr mich aufgefischt habt und so, da wart ihr so besorgt um mich, wie mir das als altem Mann zusteht.“
„Mann“, entfuhr es Bob Grey. „Jetzt wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Du bist ja richtig eifersüchtig!“
„Eifersüchtig?“ Old O’Flynn setzte sich kerzengerade auf. „Was willst du damit sagen? Ich bin doch nicht verkehrt ’rum, und wenn du so was noch einmal anklingen läßt, schnalle ich mir das Holzbein ab und …“
Bob unterbrach ihn: „Wie kannst du, wenn du keins mehr hast?“
Die gesamte Crew brach in brüllendes Gelächter aus. Selbst Dan oben im Großmars amüsierte sich prächtig über die Szene. Sie war ergötzlich. Und er sah nicht ein, warum er seinen Alten verteidigen sollte – der befand sich mit seinen Unterstellungen nun mal gewaltig auf dem Holzweg.
Old O’Flynn sagte etwas über mangelnden Respekt vor dem Alter und griff nach seinen Krücken. Matt Davies wich vorsorglich schon zurück. Hasard griff wieder ein. Er hob die Hand. Das Gelächter verstummte.
„Schluß jetzt“, sagte er. „Ferris, du bleibst hier, nimmst bei Donegal Maß und verpaßt ihm eine Prothese, wie sie noch kein gottverdammter Sargtischler in ganz England zustande gebracht hat. Ist das ein Wort, Donegal?“
„Und ob!“ Der Alte hielt in der Bewegung inne. Er ließ die Krücken liegen und setzte eine etwas versöhnlichere Miene auf.
„Will“, sagte Hasard zu seinem Segelmacher.
„Sir?“
„Du fertigst passende Ledermanschetten für das Holzbein an. Donegal soll mit dem Ding laufen können, als ob’s wirklich ein Teil von ihm wäre. Du hast doch damals auch Jeff Bowie entsprechend verarztet, und auch Matt hat eine Strumpfmanschette für seinen Eisenhaken gekriegt, die den ganzen Arm bekleidet und so das Abrutschen verhindert.“
Matt nickte. „Stimmt. Hat sich bestens bewährt.“
„Ja“, sagte Jeff gedehnt. „Aber vergeßt nicht, daß Old O’Flynn von Zeit zu Zeit sein Holzbein wieder abschnallen muß, vor allem, wenn er Dan, seinem Sproß, damit eins überziehen will.“
„Nun hört endlich auf!“ rief Dan aus dem Hauptmars. „Der Witz hat einen Bart, den man allmählich mit dem Ankerspill aufwickeln kann.“
Jeff wollte etwas erwidern, aber ein Blick Hasards bremste ihn.
Hasard schaute zu Will Thorne, und der entgegnete jetzt: „Aye, aye, Sir. Ich werde mein Bestes tun.“
Hasard wandte sich an Shane. „Du und die anderen sechs, ihr setzt in der Zwischenzeit mit dem Boot zu Siri-Tong über und fangt drüben mit den Arbeiten an. Ferris und auch Will kommen nach, sobald sie mit Donegal fertig sind. Und anschließend gibt es dann ja auch auf unserer ‚Isabella‘ noch einiges an Schiff und Rigg zu tun. Aber das können wir langsam angehen lassen.“
„Aye, aye“, erwiderte Shane. Er führte seine sechs Begleiter zu dem Boot. Sie brachten es an dem Galgen aus, fierten es ab und enterten dann über die Jakobsleiter ab.
„Danke“, sagte Old O’Flynn zu Hasard. „Nicht schlecht, wie du diese Heringe eben zusammengestaucht hast. Die werden langsam übermütig. Aber natürlich wäre ich auch allein mit ihnen fertiggeworden.“
Hasard verkniff sich ein Grinsen. „Ist doch klar. Gibt es noch was, worüber du dich zu beschweren hast?“
„Nein. Alles in bester Ordnung“, sagte der Alte.
Der Seewolf kehrte aufs Achterdeck zurück. Er schaute dem Beiboot nach. Die sechs Männer pullten es zu dem Zweimaster hinüber. Shane saß auf der Achterducht und hielt die Ruderpinne. Wirklich, sie schienen es kaum erwarten zu können, Siri-Tong und ihren wilden Kerlen einen Besuch abzustatten.
In der Beziehung mußte Hasard seinem Schwiegervater recht geben. Siri-Tong war eine berückend schöne Frau. Sie verdrehte hier sämtlichen Männern den Kopf, und es war schon fast ein Wunder, daß nicht auch noch Arwenack durchdrehte. Die Rote Korsarin war eine Versuchung, ein Geschöpf, dessen Reizen man nicht widerstehen konnte und die einen Mann sehr gut um den Verstand bringen konnte, wenn er schon lange keine Frau mehr gehabt hatte.
Aber sie war noch mehr. Man konnte sich die Finger an ihr verbrennen, und durch sie konnte sich eine Situation entwickeln, in der alles in einem fatalen Höhepunkt kulminierte. Einfacher: Sie war ein Pulverfaß, das irgendwann in die Luft fliegen würde.
Wer von seiner Crew würde sich als erster an sie heranpirschen?
Und er, Philip Hasard Killigrew – war er nicht auch betroffen? Die Rote Korsarin hatte ihn nicht nur achten und schätzen gelernt. Sie betrachtete ihn bereits mit Blicken, die viel